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Weyden, Rogier van; Arndt, Karl
Der Columba-Altar — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 84: Stuttgart: Philipp Reclam Jun., 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.65778#0048
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gesessen, den ganzen Tag nichts darüber geredet, aber
nachmittags beim Spaziergang gesagt: ,Da hab ich nun
in meinem Leben viele Verse gemacht, darunter sind
ein paar gute und viele mittelmäßige, da macht der
Eyck ein solches Bild, das mehr wert ist, als alles, was
ich gemacht habe1“ (W. Grimm). Solche Äußerungen
mochten manchen an eine „Bekehrung“ Goethes zum
Mittelalter glauben lassen, während ein Brief an den
Grafen Reinhard, am Ende des Aufenthalts geschrie-
ben, schon einen anderen Klang hat: „Ich bin schon
zwölf Tage hier. Erst ist man erstaunt, dann bewun-
dert, dann unterscheidet man, und doch wird man erst
in der Entfernung recht fühlen, was man dadurch ge-
wonnen hat, aber auch was man nicht hat festhalten
können.“ Ein zweiter Besuch der Sammlung folgte 1815.
1816 erschien die versprochene Schrift „Über Kunst und
Altertum in den Rhein- und Maingegenden“. Die Auf-
forderung des Freiherrn vom Stein, ein Gutachten über
Erhaltung und Sammlung der Altertümer in den Rhein-
landen abzufassen, ließ den Bericht über die Sammlung
Boisseree zum Hauptkapitel in einem größeren Zusam-
menhang werden. Wer eine „Generalbeichte“ Goethes
erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Der Text ist kein Be-
kenntnis, sondern eine geschichtliche Skizze der nordi-
schen Malerei des Mittelalters. Darüber hinaus berührt
er allgemeine Probleme dieser Epoche. Die Hauptperso-
nen des christlichen Bilderkreises werden nicht anders als
die einer fernen Religion vorgestellt. Eine Distanz wird
hier fühlbar, die Gedanken an eine Neubelebung dieser
Kunst von vornherein ausschließt. Kritische Wendungen
fehlen nicht, so, wenn gleich zu Anfang mit deutlicher
Ostentation vom Leser gefordert wird, daß er „mit
nüchternem Sinn sich ernstlich mit uns unterrichten wol-
le“. Polemisch aber ist keine Passage. Zu sehr sah Goethe
die fremde geistige und patriotische Bewegung als histo-
risches Phänomen. Den Columba-Altar findet man aus-
führlich behandelt. Sein vermeintlicher Schöpfer Jan van
Eyck erscheint als ein Maler von allererstem Rang. Zu-
gleich zollt Goethe seinem Gedanken- und Empfindungs-
reichtum höchstes Lob. Zum ersten Male, so heißt es,

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