Zur Problematik der Bildhauerkunst
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
in der Slowakei
VIERA LUXOVÁ
Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand
das plastische Schaffen in der Slowakei im Hinter-
grund des Kulturgeschehens.1 Es hat weder zu einer
quantitativ verzweigteren Produktion, noch zu einem
künstlerisch gewichtigerem Ergebnis beigetragen.
Durch die politisch-wirtschaftliche Stellung des Lan-
des im Rahmen der österreichischen Monarchie wur-
den nicht die notwendigen Vorraussetzungen zu des-
sen Entfaltung geboten. Die Zeit der napoleonischen
Kriege, wirtschaftliche Depressionen und gänzliche
finanzielle Erschöpfung der Bevölkerung hatten viel-
mehr viel ungünstigere Folgen gerade in den Provinz-
gebieten, zu welchen damals auch die Slowakei ge-
hörte. Die gesellschaftlich und ideologisch ungünstige
Atmosphäre im Staate hemmte nicht nur die Ent-
stehung eines ausgeprägteren nationalen Zentrums bei
uns, aber überhaupt begreiflicherweise auch eine
besondere bildnerische Äusserung und am merkbar-
sten wurde offenkundig die Bildhauerei betroffen. Ein
erschütterndes Zeugnis über die Einengung der
schöpferischen Aktivität auch in Bratislava •—■ der
künstlerisch lebendigsten Stadt des Landes -— geben
die Bücher über die Steuerzahler der Stadt, wo die
Zahl der besteuerten Bildhauer vom Jahre 1783/4
bis zum Jahre 1837 von 12 Autoren buchstäblich auf
Null sank.2
Wegen Mangels an wichtigeren bildhauerischen
Unternehmen erreichte die heimische Produktion
einen sehr bescheidenen Maßstab; sie reduzierte sich
allmählich auf eine einfache Ausschmückung der
kleinbürgerlichen Wohnstätten und auf Funebral-
aufgaben. Gewisse Spuren von Stilverlegenheit und
das Weiterleben einer überholten Formensprache ver-
folgen wir dabei oft bis zum Anfang des 19. Jahrhun-
derts, dank der Tätigkeit der älteren Bildhauergenera-
tion und der mangelhaften Schulvorbereitung. Äusser
primären fachlichen Kenntnissen konnten die örtlichen
Steinmetzwerkstätten •—* eventuell Zeichenlektionen
von pädagogisch tätigen Malern *—• den Schülern
keine festeren Grundlagen bieten, desto weniger
jedoch Fundamente zu einer neuen bildnerischen
Orientation. Die erste private „Modellierschule“
eröffnete bei uns erst im Jahre 1829 der ziemlich
unbedeutende Bildhauer Peter Geiseier in Bratislava.3
Die Wiener Akademie hat sich deshalb für lange
Zeit den Charakter eines ausschliesslich schulenden
Zentrums für unsere Adepten der Bildhauerkunst erhal-
ten. Sie war nicht nur die älteste Akademie der Mo-
narchie, aber vor allem überhaupt die einzige mit
einer berühmten bildhauerischen Abteilung. Das
Schulwesen in Budapest, zu dieser Zeit in dem natio-
nalistisch stärkstem Zentrum der Ungarn, fing an,
sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
zu entwickeln und vermochte deshalb in einem
späteren Zeitraum Wien zu konkurieren. Die Prager
Akademie war auf Malerei orientiert und konnte dem
beginnenden Bildhauer nur zeichnerische Belehrungen
bieten. (Sie hatte jedoch Bedeutung für patriotisch
selbstbewusste slowakische Maler.4) Von den deut-
schen Studienzentren trat noch um die Hälfte des
Jahrhunderts die Münchner Akademie in den Vorder-
grund dank L. Schwanthaler, welcher ab 1835 als
Professor an der dortigen Bildhauer-Spezialabteilung
tätig war. Der Name dieses Pädagogen lockte als
erste J. Faragö und L. Dunajský an.5 Der romantische
Geist dieser Schule hatte schliesslich eine besondere
Bedeutung für die Anlehnung dieser Bildhauer an das
ungarische Nationalprogramm.
Zu Anfang des 19. Jahrhunderts tritt zwar eine
Anzahl unserer Landsleute als Schüler in die Wiener
Akademie ein, keiner von ihnen hatte jedoch die
Möglichkeit, mit dem Geschehen in Rom — dem
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der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
in der Slowakei
VIERA LUXOVÁ
Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand
das plastische Schaffen in der Slowakei im Hinter-
grund des Kulturgeschehens.1 Es hat weder zu einer
quantitativ verzweigteren Produktion, noch zu einem
künstlerisch gewichtigerem Ergebnis beigetragen.
Durch die politisch-wirtschaftliche Stellung des Lan-
des im Rahmen der österreichischen Monarchie wur-
den nicht die notwendigen Vorraussetzungen zu des-
sen Entfaltung geboten. Die Zeit der napoleonischen
Kriege, wirtschaftliche Depressionen und gänzliche
finanzielle Erschöpfung der Bevölkerung hatten viel-
mehr viel ungünstigere Folgen gerade in den Provinz-
gebieten, zu welchen damals auch die Slowakei ge-
hörte. Die gesellschaftlich und ideologisch ungünstige
Atmosphäre im Staate hemmte nicht nur die Ent-
stehung eines ausgeprägteren nationalen Zentrums bei
uns, aber überhaupt begreiflicherweise auch eine
besondere bildnerische Äusserung und am merkbar-
sten wurde offenkundig die Bildhauerei betroffen. Ein
erschütterndes Zeugnis über die Einengung der
schöpferischen Aktivität auch in Bratislava •—■ der
künstlerisch lebendigsten Stadt des Landes -— geben
die Bücher über die Steuerzahler der Stadt, wo die
Zahl der besteuerten Bildhauer vom Jahre 1783/4
bis zum Jahre 1837 von 12 Autoren buchstäblich auf
Null sank.2
Wegen Mangels an wichtigeren bildhauerischen
Unternehmen erreichte die heimische Produktion
einen sehr bescheidenen Maßstab; sie reduzierte sich
allmählich auf eine einfache Ausschmückung der
kleinbürgerlichen Wohnstätten und auf Funebral-
aufgaben. Gewisse Spuren von Stilverlegenheit und
das Weiterleben einer überholten Formensprache ver-
folgen wir dabei oft bis zum Anfang des 19. Jahrhun-
derts, dank der Tätigkeit der älteren Bildhauergenera-
tion und der mangelhaften Schulvorbereitung. Äusser
primären fachlichen Kenntnissen konnten die örtlichen
Steinmetzwerkstätten •—* eventuell Zeichenlektionen
von pädagogisch tätigen Malern *—• den Schülern
keine festeren Grundlagen bieten, desto weniger
jedoch Fundamente zu einer neuen bildnerischen
Orientation. Die erste private „Modellierschule“
eröffnete bei uns erst im Jahre 1829 der ziemlich
unbedeutende Bildhauer Peter Geiseier in Bratislava.3
Die Wiener Akademie hat sich deshalb für lange
Zeit den Charakter eines ausschliesslich schulenden
Zentrums für unsere Adepten der Bildhauerkunst erhal-
ten. Sie war nicht nur die älteste Akademie der Mo-
narchie, aber vor allem überhaupt die einzige mit
einer berühmten bildhauerischen Abteilung. Das
Schulwesen in Budapest, zu dieser Zeit in dem natio-
nalistisch stärkstem Zentrum der Ungarn, fing an,
sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
zu entwickeln und vermochte deshalb in einem
späteren Zeitraum Wien zu konkurieren. Die Prager
Akademie war auf Malerei orientiert und konnte dem
beginnenden Bildhauer nur zeichnerische Belehrungen
bieten. (Sie hatte jedoch Bedeutung für patriotisch
selbstbewusste slowakische Maler.4) Von den deut-
schen Studienzentren trat noch um die Hälfte des
Jahrhunderts die Münchner Akademie in den Vorder-
grund dank L. Schwanthaler, welcher ab 1835 als
Professor an der dortigen Bildhauer-Spezialabteilung
tätig war. Der Name dieses Pädagogen lockte als
erste J. Faragö und L. Dunajský an.5 Der romantische
Geist dieser Schule hatte schliesslich eine besondere
Bedeutung für die Anlehnung dieser Bildhauer an das
ungarische Nationalprogramm.
Zu Anfang des 19. Jahrhunderts tritt zwar eine
Anzahl unserer Landsleute als Schüler in die Wiener
Akademie ein, keiner von ihnen hatte jedoch die
Möglichkeit, mit dem Geschehen in Rom — dem
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