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Ars: časopis Ústavu Dejín Umenia Slovenskej Akadémie Vied — 37.2004

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Nr. 1-2
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Schröder, Jochen: Das Eckige muss ins Runde: Das Horizontale Vesperbild als "Suche nach dem Kanon"
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https://doi.org/10.11588/diglit.51710#0065
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19. Pietà aus Landshut-Seligenthal:
zentrale Draperie. Foto: Autor.


Die Klosterneuburger Pietà (Abb. 17], wo der
Schürzensaum sehr tief angesetzt und größtenteils
durch die von links her umgeschlagene Faltenbahn
überschnitten ist, steht dabei durch die Füllung der
entstehenden hohen Fläche mit einer steilen, in groß-
zügige und klare Volumen gefassten zweiten Schüs-
selfalte dem Prager Stück relativ am nächsten. Die
Lutiner Pietà (Abb. 18] umgeht diese Überschnei-
dung durch einen höher angesetzten Schürzensaum
und zeichnet sich allgemein durch eine Vermehrung
der Faltenfülle auf Kosten der Klarheit der Kompo-
sition und einen im einzelnen weniger fließenden,
mehr zur eckigen Brechung neigenden stilistischen
Habitus aus. Der Raum zwischen oberer Schüsselfal-
te und Schürzensaum ist nicht mehr mit einer weite-
ren Schüssel bereichert, sondern mit einer von rechts

hoch angeordneter Querschürze, um Parallelformen bereichert,
wie die Skulptur auch im „Schönen“ Wellenschwung vom
Handgelenk im Nacken Christi über das hochangesetzte Knie
bis zur zentralen Schüsselfalte und auch im Oberbau der Fi-
gur eine stilistisch deutlich fortgeschrittene Variante vertritt.
Motivisch sind die dreigeflochtene Krone und der verlängerte
Schnauz- und Kinnbart, wohl auch der Dreihändegestus An-
zeichen merklich jüngerer Entstehung. Milena Bartlová hat
das Stück an das größere Admonter Vesperbild und die Pietà
in der Münchner Frauenkirche angeschlossen: BARTLOVA,

und links her verknitterten Faltentüte gefüllt. Alle
diese Merkmale — insbesondere die unübersichtliche
Faltenfülle — lassen sich auf die monumentale Brün-
ner Pietà zurückführen, deren konsequentere Kom-
position dennoch nicht einfach wiederholt ist. In
Brünn (Abb. 21] ist vielmehr die links vom Knie fal-
lende, sehr flächig angelegte Faltentraube mit ihrem
vielfältig in Ösen gelegten Mantelsaum mit den kaum
gebrochenen Stangenfalten kontrastiert, die rechts
vom Knie bis zur Plinthe herabziehen; die breite Flä-
che zwischen beiden Motiven ist durch zwei große
Schüsselfalten — die obere als optische Schale für den
Christuskörper flach, die untere steil geführt — und je
unter ihnen entwickelte, komplexe Faltentüten ge-
füllt. Die Faltenvielfalt resultiert hier aus dem mo-
numentalen Format im Sinne einer .Vervielfältigung
Milena: Skulptura a tabulové maliarstvo 1400-1470. In: BU-
KÁN, Dušan et al.: Gotika : Dějiny slovenského výtvarného mi-
nia. Bratislava 2003, S. 251-273 sowie Kat. Nr. 2.1.4. Von
der unbestreitbaren motivischen Beeinflussung durch die
Gruppe Klosterneuburg — Landshut-Seligenthal — Lutin ab-
gesehen (vielleicht durch ein verlorenes Stück gleichen Fal-
tentyps, jedoch abweichender Gestik), scheinen mir vor allem
die kompakten, an die Pietà in der Frankfurter Liebfrauenkir-
che anschließenden Werke als stilistische Vorstufe der Preßbur-
ger Pietà nahezuliegen.

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