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Instytut Historii Sztuki <Posen> [Hrsg.]
Artium Quaestiones — 14.2003

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[Rozprawy]
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Woldt, Isabella: Lord Shaftesbury und die Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.28200#0150
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LORD SHAFTESBURY UND DIE KUNSTLER

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Entscheidung, den vermeintlichen Diener auf dem Stich nicht mehr er-
scheinen zu lassen, ist yielmehr bewuBt. Sie hangt nicht damit zusam-
men, daB Shaftesbury um 1712, ais er sehr schwer krank war, nun kein
óffentliches Verantwortungsbewul3tsein gehabt hatte, weil er nicht mehr
politisch tatig sein konnte, sondern damit, daB es sich wahrscheinlich
nicht um einen Diener, zumindest nicht im engsten Sinne, handelt und
die Interpretation des Bildes unter Berucksichtigung Shaftesburys Kate-
gorien der Kunst (characters) durchgefiihrt werden sollte. Wie schon
gesagt, stehen beide Portrats in der Tradition der Freundschaftsbilder
und an der Grenze zwischen einem Portrat und einem Historienbild. Das
erste Gemalde driickte im Bild der Briider die familiare Seite der
Freundschaft aus, das folgende Gemalde konnte die Darstellung Shaftes-
burys mit seinem Hausverwalter John Wheelock sein. Wheelock genoB
ein hohes Ansehen und Vertrauen seitens Shaftesbury, fiihrte das Haus
des Lords in St. Giles und wuBte iiber die familiaren Angelegenheiten
gut Bescheid. Shaftesburys enges und yertrauliches Verhaltnis zu Whee-
lock spiegelt die Korrespondenz der beiden123. Die Begleitperson im Bild
macht eine Shaftesbury nach drauBen weisende Geste. Er solle sich aus
dem Inneren in die Welt und in die Gesellschaft begeben - eine Idee, die
durchaus im Kontext des gerade entstehenden Werkes The Sociable En-
thusiast (der ersten Fassung der Moralists) steht, in dem er sich in
stoischer Tradition mit den Fragen der Ordnung in der Welt, der Natur,
des Indiyiduums und der Gemeinschaft befaBt124. Eine Darstellung des
Philosophen ohne Begleitpersonen hatte sicherlich seiner Vorstellung
nicht entsprochen, denn schon ais junger Mann hatte Shaftesbury ein
ausgesprochen hohes soziales BewuBtsein ausgepragt und betrachtete
das Indiyiduum stets ais Teil einer sozialen Gemeinschaft125. Die Dar-
stellung einer einzelnen Person wiirde demnach seinem Verstandnis vom
Menschen zuwiderlaufen. Durch die Miteinbeziehung einer weiteren
Person erhalten diese Bilder einen erzahlerischen Aspekt, der es erlaubt,
hier von der Darstellung eines Ereignisses zu sprechen, denn die Perso-
nen kommunizieren miteinander und bilden eine Einheit sowohl auf der

123 Vgl. A. A. Cooper, 3rd Earl of Shaftesbury, Life, Unpublished Letters, and Philo-
sophical Regimen, B. Rand (Hrsg.), (Nachdruck d. Ausg. 1900), Bristol 1995, S. 314 ff.
(Rand 1900).
124 Shaftesbury beendete gerade seine Schrift zur Tugend An inąuiry concerning
uirtue, or merit (London 1699) sowie sein politisches Traktat Paradoxes of the State
(London 1702). Dann folgt die erste Fassung der Moralists unter dem Titel The sociable
Enthusiast. A Philosophical Aduenture written to Palemon (1704-1705?). Vgl. Voitle
1984, S. 135 ff.
120 Uber Shaftesburys Verhaltnis zur Familie, den Bediensteten, Freunden und Ver-
wandten schreibt Yoitle in Shaftesburys Biographie (Yoitle 1984, S. 164 ff.).
 
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