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ADAM SOĆKO

Versuch, den Kontrapost zu verwenden, ist es die fur die Figuren Caspars und
Balthasars charakteristische Art, das Kastchen mit den Gaben fur das Jesuskind zu
halten, eine mit Pelz umrandete Mfitze in der anderen, gesenkten Hand. Ein
entsprechendes Arrangement der Arme kann man an der Posener Ritterskulptur
ermitteln, was die Annahme zulasst, es handelt sich hierbei nicht um die Dar-
steilung des hi. Mauritius, sondern um die Balthasars oder Caspars aus der Figu-
rengruppe der Anbetung der drei Kónige. Auszuschlieben ist der alteste der Kónige,
Melchior, der gewóhnlich ais grauhaariger, bartiger Mann in kniender Haltung
dargestellt wird. Eine eindeutige Identifizierung scheint jedoch kaum moglich, wenn
auch die ikonographische Praxis des 15./16. Jahrhunderts (Rustung, Obergewand,
jugendlich wirkendes Gesicht) eher dafur spricht, die Skulptur ais eine Darstellung
Caspars einzuordnen. Fur die Annahme, die Figur stelle Balthasar dar, spricht
einzig der von dem von Carben-Meister fur die Darstellung Weiber verwendete Ge-
sichtsform. Indessen war es am Ausgang des 15. Jahrhunderts gelaufig, den
jungsten der Kónige ais einen Mohren darzustellen. Zwar ist die Polychromierung
der Skulptur nicht erhalten, doch es ist zu betonen, dass in der Werkstatt Meister
Tilmans, aus der der Schópfer der Ritterfigur hervorgegangen ist, der physiogno-
mische Typus des Schwarzen von den Darstellungen der Weiben deutlich unter-
schieden war. Wenn auch der heutige Zustand der Skulptur eine sichere Identifi-
zierung nicht zulasst, so kann man doch mit hoher Wahrscheinlichkeit behaupten,
dass die Posener Ritterfigur Caspar aus der Figurengruppe der heiligen drei Kónige
darstellt und Teil eines heute unbekannten Altars ist, der von dem von Carben-
Meister vermutlich kurz vor 1510 gefertigt wurde.
Die andere seiner in Posen befindlichen Skulpturen ist im dortigen Erzbischóf-
lichen Museum zu sehen. Ihren Weg hierher fand sie zusammen mit weiteren
Skulpturen aus der Sammlung des Posener Erzbischofs und Museumsgrunders
Florian Stablewski, der 1890 bei einer Auktion in Frankfurt am Main zahlreiche
Kunstwerke aus der Sammlung des Stadtpfarrers Ernst Franz August Miinzen-
berger ersteigert hatte. Die Eichenplastik wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg
ais die Darstellung der hl. Anna identifiziert; da eine der Figuren aus der Skulptu-
rengruppe nachtraglich eingefugt worden war, galt diese bis dahin ais eine Dar-
stellung der thronenden Madonna mit Kind. Die Zuordnung der Skulptur an den von
Carben-Meister steht auber Zweifel. Fur seine Autorschaft sprechen sowohl die
Modellierung des Gesichts ais auch die Drapierung der Kopfbedeckung, die unter
dem Kinn zusammengehalten wird und in charakteristischer Weise uber die Schul-
tern fallt. Ein Vergleich mit dem bedeutendsten Werk des Meisters, der Figuren-
gruppe der heiligen Anna Selbdritt aus dem Kólner Dom, bestatigt diese Zuschrei-
bung. Er weist zugleich auf eine Entstehung der Skulptur aus dem Erzbischóflichen
Museum im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts hin.
Wahrend die Figur der hl. Anna eine der mehreren uberlieferten Varianten
dieser Darstellung aus der Werkstatt des von Carben-Meisters und insofern in wei-
ten Teilen typisch ist, kann die Ritterfigur aus den Bestanden des Posener National-
museums fraglos ais eine der bedeutendsten Skulpturen in seinem CEuvre gelten.
 
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