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TADEUSZ J. ŻUCHOWSKI
vereinzelter Student, der, behauptet Reschke, halblaut Gedichte, franzö-
sische, gelesen habe.”23
Nach den evangelischen und jüdischen Friedhöfen kam die Reihe an
die katholischen. Als erstes wurden die Friedhöfe in der Nachbarschaft
des Messegeländes in einen Ausstellungspark verwandelt. Die Umwand-
lung, noch von den Deutschen begonnen, wurde von den Polen nach 1950
beendet. Bis 1962 existierte ein kleiner Friedhof im nördlichen Teil des
Parks. Lange Zeit existierte auch noch der Friedhof an der Winogrady-
Straße. An der Wende der 1960er zu den 1970er Jahren wurde er einge-
ebnet und in einen Park verwandelt. So entstand 1974-1977 der Volks-
park mit einer Sporthalle. Zwischen 1946 und 1975 schluckte der nach
und nach sich ausbreitende Park im Komandoria-Bereich den Johannes-
Friedhof und andere Friedhöfe auf diesem Gelände.24 Für die in der
Nähe lebenden Kinder waren die Erdarbeiten, ohne Rücksicht auf die
sterblichen Überreste, eine faszinierende Erfahrung. Sie sammelten
die Knochen und legten sie vor die Türen ungeliebter Nachbarn.
Die Geschichte schüttete den Staub des Vergessens über die alten
Friedhöfe, auf denen manchmal noch Gebeine zu sehen sind. Niemand
mehr spricht heute vom ehemaligen Kreuzfriedhof, dem späteren Frei-
heitspark, heute Dąbrowski-Park, auch als Kulczykpark bekannt. Es gibt
keine Tafel, die über die Geschichte des Ortes informieren würde. Von
zwanzig alten Friedhöfen im historischen Gebiet von Posen sind nur vier
erhalten geblieben. Im vorigen Jahr ist ein Pars pro toto des jüdischen
Friedhofs in der Glogauerstraße dem Gedächtnis zurückgegeben wor-
den.25 Die heutigen Friedhöfe erzählen jedoch eine ganz andere Ge-
schichte von den Menschen, die in dieser Stadt lebten.
In den „Unkenrufen” von Grass und im Film von Gliński wird das
Paar der Hampthelde auf einem Friedhof in Italien begraben. Dort er-
zählen die Gräber andere Geschichten, auch über die Polen und Deut-
schen. Auf den Friedhöfen ist kein Platz für die Politik. „Ich kenne den
Namen des Dorfes nicht, auf dessen Friedhof sie knapp vor der Mauer
liegen. Soweit ich mir sicher sein kann, bin ich sicher: Dort liegen
Alexander und Alexandra namenlos (...). Ich will nicht, daß sie umge-
bettet werden. Sie waren gegen Umbettung (...) Sie liegen gut da. Laßt
sie da liegen.”26
23 Grass, op. cit., S. 57.
24 Hałas, op. cit., S. 297.
25 Es wurde das Grab Akiba Egers, des Rabbiners von Großpolen (gest. 1837) wieder-
hergestellt. Siehe Hałas, op. cit., S. 293.
26 Grass, op. cit., S, 245.
TADEUSZ J. ŻUCHOWSKI
vereinzelter Student, der, behauptet Reschke, halblaut Gedichte, franzö-
sische, gelesen habe.”23
Nach den evangelischen und jüdischen Friedhöfen kam die Reihe an
die katholischen. Als erstes wurden die Friedhöfe in der Nachbarschaft
des Messegeländes in einen Ausstellungspark verwandelt. Die Umwand-
lung, noch von den Deutschen begonnen, wurde von den Polen nach 1950
beendet. Bis 1962 existierte ein kleiner Friedhof im nördlichen Teil des
Parks. Lange Zeit existierte auch noch der Friedhof an der Winogrady-
Straße. An der Wende der 1960er zu den 1970er Jahren wurde er einge-
ebnet und in einen Park verwandelt. So entstand 1974-1977 der Volks-
park mit einer Sporthalle. Zwischen 1946 und 1975 schluckte der nach
und nach sich ausbreitende Park im Komandoria-Bereich den Johannes-
Friedhof und andere Friedhöfe auf diesem Gelände.24 Für die in der
Nähe lebenden Kinder waren die Erdarbeiten, ohne Rücksicht auf die
sterblichen Überreste, eine faszinierende Erfahrung. Sie sammelten
die Knochen und legten sie vor die Türen ungeliebter Nachbarn.
Die Geschichte schüttete den Staub des Vergessens über die alten
Friedhöfe, auf denen manchmal noch Gebeine zu sehen sind. Niemand
mehr spricht heute vom ehemaligen Kreuzfriedhof, dem späteren Frei-
heitspark, heute Dąbrowski-Park, auch als Kulczykpark bekannt. Es gibt
keine Tafel, die über die Geschichte des Ortes informieren würde. Von
zwanzig alten Friedhöfen im historischen Gebiet von Posen sind nur vier
erhalten geblieben. Im vorigen Jahr ist ein Pars pro toto des jüdischen
Friedhofs in der Glogauerstraße dem Gedächtnis zurückgegeben wor-
den.25 Die heutigen Friedhöfe erzählen jedoch eine ganz andere Ge-
schichte von den Menschen, die in dieser Stadt lebten.
In den „Unkenrufen” von Grass und im Film von Gliński wird das
Paar der Hampthelde auf einem Friedhof in Italien begraben. Dort er-
zählen die Gräber andere Geschichten, auch über die Polen und Deut-
schen. Auf den Friedhöfen ist kein Platz für die Politik. „Ich kenne den
Namen des Dorfes nicht, auf dessen Friedhof sie knapp vor der Mauer
liegen. Soweit ich mir sicher sein kann, bin ich sicher: Dort liegen
Alexander und Alexandra namenlos (...). Ich will nicht, daß sie umge-
bettet werden. Sie waren gegen Umbettung (...) Sie liegen gut da. Laßt
sie da liegen.”26
23 Grass, op. cit., S. 57.
24 Hałas, op. cit., S. 297.
25 Es wurde das Grab Akiba Egers, des Rabbiners von Großpolen (gest. 1837) wieder-
hergestellt. Siehe Hałas, op. cit., S. 293.
26 Grass, op. cit., S, 245.