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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0026

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1.2. DER ERSTE

LÖWENJAGDSARKOPHAG IN BARCELONA

nimmt er sich, was das Format, die Proportionen der wenigen Figuren, ihre räumliche Verteilung und
die immer noch bemerkenswerte Stofflichkeit der Gewänder angeht, wie ein Fremdkörper aus.
Daß dieser Sarkophag nicht, wie A. Vaccaro Melucco möchte, ans Ende, sondern vielmehr an den Anfang
der Entwicklung der Reihe der Löwenjagdsarkophage gehört, wird augenfällig in der bedeutungsvollen
Verwandlung des Reliefbildes gegenüber dem Venatorsarkophag (Kat. 164, Taf. 1,1), an den er auch typolo-
gisch unmittelbar anzuschließen ist. Die Figurentypen kehren bis auf den Jagddiener, der das Pferd bereithält,
weitgehend wieder, aber da sie durch die Fortlassung dieser Figur von sieben auf sechs reduziert wurden,
obgleich das Frontrelief bei etwa gleichbleibender Höhe um ein Zwanzigstel verlängert wurde, können
die Figuren anders, und zwar konzentrierter und deutlicher markiert im Reliefbild verteilt werden. Der
von den Hippolytossarkophagen übernommene Torbogen, der zur Trennung der beiden Szenen diente,
ist fortgelassen. Die Abschiedsszene links, in der Diana und der nun nicht mehr als Venator, sondern
als vornehmer Römer mit Tunica, Paludamentum und Jagdstiefeln bekleidete Jäger beieinanderstehen
(Taf. 2,1), ist zusammengefaßt durch ein im Hintergrund ausgespanntes Parapetasma, zu dessen Seiten Eroten
hervorschauen. Im Gesamtbild erhält diese Szene kompositionell eine andere Funktion als die ähnliche Szene
auf dem Venatorsarkophag. In Korresponsion zu der stehenden Diana am linken Bildrand ist der den
Eber überholende Reiter des Venatorsarkophages am rechten Bildrand auf dem Sarkophag in Barcelona
(Kat. 8, Taf. 3,4) in einen Jäger zu Fuß verwandelt worden. Durch diese beiden stehenden Figuren wird
eine festere Rahmung des Relieffeldes bewirkt als dort, wo die Rahmung noch den an den Kanten aufwachsen-
den Bäumen überlassen war. Letzten Endes dient dies einer betonteren Zentralisierung der Komposition,
in deren Mitte der Jäger, nicht mehr in der heroischen Nacktheit des Hippolytos, nach vorn übergeneigt,
einen Eber stellt wie der entsprechende Reiter des Venatorsarkophags (Kat. 164, Taf. 1,1). Vielmehr sitzt
er, in die realistische Gewandung eines römischen Jägers gekleidet, steil aufgerichtet zu Pferde und schwingt
mit der Rechten den (jetzt mit dem Unterarm zugleich abgebrochenen) Speer. Den Kopf seines Pferdes
hat er zurückgerissen und wird dadurch und durch die divergierenden Figuren neben ihm, nämlich den
nach vorn geneigten Treiber zu Pferde vor ihm und die nach hinten geneigte Virtus hinter ihm, als Mittelfigur
nachdrücklicher isoliert. Der auffälligste Unterschied zu dem vorhergehenden Jagdbild ist die Tatsache,
daß an Stelle des Ebers ein im Sprung von rechts heransetzender Löwe das Jagdtier darstellt.
Will man die Frage beantworten, was diese tiefgreifende Veränderung des Jagdbildes bedeuten könnte,
so muß man zuerst die Frage klären, woher die Sarkophagwerkstätten den Löwentypus übernommen haben,
den sie an die Stelle des Ebers setzen. Dieser Löwe ist nach Katzenart anders bewegt als der Eber, der
auf seinen vier Beinen voranstürmt (wenn er nicht, wie auf dem Venatorsarkophag (Kat. 164, Taf. 1,1)
niederbricht). Der Löwe hingegen hebt sich mit beiden Vordertatzen vom Boden ab und setzt im Sprung
voran. Das ist die Wiedergabe der natürlichen Bewegungsart des Löwen, die die Sarkophagsteinmetzen
mit eigenen Augen in der Arena in Rom beobachtet haben könnten69. Andererseits ist es eine allgemeine
Eigenart der römischen Künstler, Bewegungsmotive nicht mehr selbst nach dem Naturvorbild zu entwickeln,
sondern auf die in der hellenistischen Kunst erarbeiteten Typen zurückzugreifen, die in den römischen
Ateliers der verschiedensten Kunstgattungen von der Plastik über die Malerei bis zur Kleinkunst tradiert
wurden. Es hätte nun nahegelegen, die in der offiziellen Propaganda auf Medaillons70, Münzen71 und Kaiser-
gemmen72 verwendeten Typen der Löwenjagd zu übernehmen. Das ist aber, soweit ich sehe, nicht der
Fall. Vielmehr wird für den Löwen auf den seit der kretisch-mykenischen73 und altorientalischen74 Kunst

Plinius NH 36,41 berichtet, Pasiteles habe einen Löwen im Käfig,
der soeben mit dem Schiff im Hafen angekommen war, nach der
Natur gearbeitet.

70 F. Gnecchi, I medaglioni romani II (1912) 58 Nr. 62; 68 Nr. 152
Taf. 88,5 ; 70 Nr. 164.165 Taf. 89,1 ; III (191 2) 20 Nr. 9; Taf. 146,3;
20 Nr. 96 Taf. 146,4; 36 Nr. 189 Taf. 151,4.

71 S.W. Stevenson-C.R. Smith-F.W. Madden, Dictionary of Roman
Coins (1889) 511 s.v. Lion. - H. Cohen, Description historique
des monnaies frappees sous l'Empire Romain III (1892) Commode
Nr. 416. 867. 959. 971. - H. Mattingly-E.A. Sydenham, The
Roman Imperial Coinage III (1930) 370 Nr. 39; 378 Nr. 114
Taf. 14, 284. - P.L. Strack, Untersuchungen zur Reichsprägung

des zweiten Jahrhunderts II (1933) Nr. 45. 468. 499. - H. Mattin-
gly, BMC IV, Antoninus Pius to Commodus (1940) 777 Nr. 480
Taf. 104,1. - Aymard (1951) 52Öf. Taf. 40. - Vgl. Uggeri (1963/64)
83fr. - Bozzini (1977) 362 Anm. 91.

Furtwängler, AG I Taf. 50,41; II 244. - G. Lippold, Gemmen
und Kameen des Altertums und der Neuzeit (1922) Taf. 73,1. -
Aymard (1951) Taf. 31,2. - Th. Kraus, Das römische Weltreich,
PropKg II (1967) Abb. 386a.

Hier erscheint er allerdings meistens in der minoischen Bildform
des galoppe volant, vgl. Sp. Marinatos, Kreta, Thera und das
mykenische Hellas2 (1973) Taf. XLIXff. Abb. izof.
z.B. W. Orthmann, Der alte Orient, PropKg XIV (1975) Abb. 242.

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