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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0027

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1.2

DER ERSTE LÖWEN JAGDSARKOPHAG IN BARCELONA

geläufigen, in der römischen schon durch pompejanische Wandmalereien belegten Typus des springenden
Löwen zurückgegriffen, der auf kaiserlichen Münzen76, soweit mir bekannt ist, erst unter Gallien als Legions-
zeichen Verwendung findet. Damit fehlt der stringente Beweis für die naheliegende Erklärung, die Ersetzung
des Ebers durch einen Löwen auf den römischen Jagdsarkophagen sei nichts anderes als eine Übernahme
der kaiserlichen Virtusdarstellung in den privaten Bereich der Grabkunst.

Auf den immer wieder77 im Zusammenhang mit den römischen Löwenjagdsarkophagen genannten Prägungen
der Kaiser Hadrian und Commodus mit der Aufschrift virtvs avgvsti und der Darstellung des Kaisers
auf der Löwenjagd zu Pferde ist der angreifende Löwe nicht im Sprung dargestellt. Entweder duckt er
sich nieder78 oder er steht auf allen vier Pranken unterhalb des Reiters79. Auf anderen Prägungen80 ist
er zwar springend dargestellt, greift hier den Reiter aber nicht nach links an, sondern flüchtet vor ihm
nach rechts. In keinem Fall ist er typologisch dem der Sarkophagreliefs gleich. Es ist deshalb methodisch
angemessen, die Veränderung des Jagdbildes als einen durchaus geläufigen Vorgang aus der Entwicklung
der römischen Sarkophagreliefkunst selbst zu erklären und nur, wenn man hier nicht weiterkommt, auf
außerhalb dieser Gattung existierende, hypothetische Vorbilder zurückzugreifen.

Zunächst gilt es deshalb zu prüfen, ob es nicht einen spezifischen, für ein Grabdenkmal passenden Sinn
ergibt, daß an die Stelle des mythischen Ebers ein durch keinen Handlungszusammenhang festgelegtes Jagdtier,
wie es der Löwe war, gesetzt wurde. Denn es ist klar, daß der Inhalt des Jagdbildes auf dem Grabdenkmal
dadurch bedeutungsvoll abgewandelt wird, und dieser Wandel wird auch durch die Komposition augenfällig
gemacht. Obgleich in der linken Bildhälfte drei und rechts vom Jäger nur zwei Figuren begegnen, wird
der Jäger zu Pferd in neuer Weise als Einzelfigur zur Bildmitte. Auf dem Venatorsarkophag (Kat. 164,
Taf. 1,1) hatte diese noch die Gruppe von Virtus und dem Jäger im Hippolytostypus gemeinsam eingenommen.
Virtus begleitet dort den mutigen Helden in den Tod. Der Gebildete weiß: Das Gespann des Hippolytos
wird vor dem Stier scheuen, den Poseidon auf Theseus' Bitten sendet, und der Jüngling wird zu Tode
geschleift.

Die Pose des Jägers auf dem Löwenjagdsarkophag (Kat. 8, Taf. 3,1) ist viel zu sieghaft, als daß man eine
ähnliche im Hippolytosmythos festgelegte Assoziation haben könnte. Nicht der Jäger, den der Löwe angreift,
scheint todgeweiht, vielmehr erwartet man, den Löwen (Taf. 3,4), dem schon ein Treiber die Lanze in
die Flanke gestoßen hat, von dem dahinsprengenden Reiter überwunden zu sehen.

Ein neuer Sarkophagtypus ist geschaffen: der Löwenjagdsarkophag, mit dem auch eine neue, die weitere
Entwicklung tragende Gedankenverbindung Gestalt gewinnt.

Die Forschung ist hier in der glücklichen Lage, die Entstehung dieses Bildtypus in einer bestimmten stadtrömi-
schen Werkstatt dokumentieren zu können. Sie ist nicht auf hypothetische Vorbilder oder Archetypen inner-
halb oder außerhalb der Sarkophagkunst angewiesen. Es muß dabei als ein Glücksfall der Überlieferung
angesehen werden, daß ausgerechnet ein solches Exemplar aus dieser Werkstatt erhalten geblieben ist, auf
dem die Entmythisierung des Hippolytosjagdtypus durch die persönlichen Verhältnisse des Sarkophaginhabers
äußerlich begründet ist. Für einen Mann, der von Beruf Venator war, gab es ein tertium comparationis zwischen
seinem eigenen Beruf und den mythischen Heroen Adonis auf der einen und Hippolytos auf der anderen
Seite. Der nächste Schritt war dann nicht mehr weit. Er wurde auf dem Jagdsarkophag in Barcelona (Kat. 8,
Taf. 1,2; 2; 3) vollzogen. Alle Züge, die noch an den Mythos erinnerten, wurden abgestreift, vor allem
wurde der Eber durch einen Löwen ersetzt. Anlaß, diesen Typus zu wählen, kann hier nicht nur das
Verhältnis zur Schutzgöttin Diana gewesen sein, derem Säulenstandbild ein Reiter auf der linken Nebenseite
(Taf. 2,2) seine Verehrung darbringt. Auch die symbolische Bedeutung der Jagd für die römische Grabkunst
überhaupt, die sich in der großen Zahl von Jagdbildern aller Art dokumentiert: mythischen wie Meleager81,

z.B. Pompeji, Casa di Lucrezio Frontone, Neue Forschungen in 77 Vaccaro Melucco (1963/64) 48. - Uggeri (1963/64) 83fr. - Turcan
Pompeji, hrsg. v. B. Andreae u. H. Kvrieleis (1975) Abb. 197. (x966) 2iiff.

-Vgl. auch den Löwen im Nasoniergrab, Andreae (1963) Taf. 64,1. 78 H. Mattingly, BMC IV, Antoninus Pius to Commodus (1940)
Mattingly-Sydenham a.O. V 1 (1927) 94 Nr. 343. - M. Thompson, Taf. 104,1. - Aymard (1951) 527 Taf. 40.

The Athenian Agora II, Coins from the Roman through the Veneti- 79 Mattingly-Sydenham a.O. III (1930) 378 Nr. 114 Taf. 14.- Gnec-

an Period (1954) 23 Nr. 432 Taf. 1. - A.S. Robertson, Roman chi a.O. III (1912) Taf. 146,3; 151,14.

Imperial Coins in the Hunter Coin Cabinet IV, Valerian to Allectus 80 Gnecchi a.O. II (1912) Taf. 88,5 ; III (1912) Taf. 146,4.

(1978) Taf. 10,13. 81 Koch, ASR XII 6. - Vgl. Anm. 23.

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