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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0029

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1.3. DER SARKOPHAG IM LOUVRE UND DER KANONISCHE TYPUS

allen anderen Jagdsarkophagen des zweiszenigen Typus ist dieser Pferdeknecht durch einen eigentümlichen
Helm ausgezeichnet, dessen Kamm oben in einen Vogelkopf ausläuft94. Er führt das Pferd, dessen Leib
hinter dem pfeilerartigen Gewände eines oben abgebrochenen Torbogens verschwindet, dem mit Tunica
und Mantel sowie mit Fellstiefeln bekleideten Jagdherrn zu. Dieser trägt ein Schwert mit rankenverzierter
Scheide und Adlerkopfgriff am Schwertgehenk über der linken Hüfte und hält einen (oben und unten abgebro-
chenen) Speer in der gesenkten Linken. Er macht einen Schritt nach links auf das Pferd zu und greift
in den Zügel, wendet zugleich den Kopf nach rechts, als blicke er schon in die Richtung, in die er gleich
aufbrechen will. Der Hund zu seinen Füßen, der den Kopf zu ihm aufwirft, verfolgt seine Bewegung und
trägt zu der Aufbruchstimmung bei, die diese ganze Szene erfüllt. Wichtig ist dafür auch die Hintergrundsfigur,
deren Profil rechts vom aufbrechenden Jagdherrn erscheint. Dieser schon ältere, bärtige Mann mit der
scharfen Nasolabialfalte blickt den in eine unbestimmte Ferne schauenden Jagdherrn unverwandt an, so
wie auch der Pferdeführer trotz seines schräg geneigten Kopfes die mit einem flachen Bohrloch angegebenen
Pupillen auf ihn gerichtet hat. Diese beiden Hintergrundsfiguren weisen auf den im Vordergrund stehenden,
durch die Ausarbeitung in höherem Relief und durch die individuellen Porträtzüge hervorgehobenen Grabin-
haber hin. Es ist, als wollten sie sich seine Gesichtszüge einprägen in diesem Augenblick des Abschieds.
In ähnlicher Weise blicken Virtus und ein Mann mit flachem Jägerhut auch auf den Löwenjäger in der
Mitte des Reliefbildes. Nur die nach rechts gewandte jugendliche Hintergrundsfigur zwischen den beiden
Treibern am rechten Bild scheint allein der Flächenfüllung ohne besondere Funktion zu dienen.
Die Aufbruchszene am linken Bildende ist nur durch die Wendung des zu seinem Pferd schreitenden Jagdherrn
nach links und die nach rechts eilende Virtus von der Jagdszene getrennt. Die divergierende Bewegung
dieser beiden einander den Rücken zukehrenden Figuren trennt die beiden Szenen nicht weniger nachdrücklich
als der Bogen auf dem Venatorsarkophag (Taf. 1,1) und als das Parapetasma auf dem Löwenjagdsarkophag
in Barcelona (Kat. 8, Taf. 1,2; 2,1), ohne jedoch das Gesamtrelief so deutlich in zwei Abschnitte zu zerteilen,
wie das die Senkrechten des Bogenpfeilers oder des herabhängenden Tuches bewirken. Die Kompositionen
der Sarkophagreliefs tendieren in dieser Zeit zu einer Vereinheitlichung, wofür auch die Aufgabe des trennen-
den Bogens oder des Parapetasmas ein Zeichen ist.

Die Jagdszene zeigt eine ähnliche Figurenfolge wie die auf dem Löwenjagdsarkophag in Barcelona (Kat. 8,
Taf. 1,2; 3): Virtus, der reitende Jagdherr, ein Treiber zu Pferd und einer zu Fuß sind von nun an für
die meisten Jagdsarkophage kanonisch. Auch tote Tiere am Boden und Hunde, die die Jäger begleiten,
ja selbst ein Häschen, das mitten in dem Jagdgetümmel Trauben nascht9^, gehören zum Repertoire der
vorhergehenden Jagdsarkophage. Aber eine Figur, die dem ganzen einen deutlicheren Sinn gibt, ist, wie
oben schon erwähnt, erst nach der durch den Sarkophag in Barcelona (Kat. 8, Taf. 1,2) belegten Schaffung
des Urtypus der Löwenjagdsarkophage in die Komposition aufgenommen worden. Es handelt sich um
den vom Löwen zu Boden geworfenen Jagdbegleiter unter dem dahinsprengenden Jagdherrn. Er ist mit
übereinander geschlagenen Beinen rücklings hingestürzt und versucht, sich mit weit nach hinten gestrecktem
rechten Arm abzustützen. In der Linken hält er den Jagdspeer. Interessanterweise ist auch dies kein neuer
Typus. In der gleichen Haltung sieht man auf manchen Adonissarkophagen, z.B. auf dem in der Kathedrale
von Blera96(Taf. 1,5), Adonis vom Eber niedergeworfen. Dem Mythos entsprechend geht Adonis anders als Hip-
polytos zu Fuß auf die Eberjagd und wird von dem wilden Tier niedergestoßen und getötet. Da die Gat-
tung der Löwenjagdsarkophage, wie wir sahen, auf dem Weg über die entmythisierten Sarkophage wie den
des Venators (Taf. 1,1) aus den Hippolytossarkophagen entwickelt wurde, gehört der Typus des Gestürzten
nicht ursprünglich zu den Löwenjagdsarkophagen. Wenn er trotzdem schon so bald von den Adonissarkopha-
gen herübergeholt wird und dann aus der Komposition der Löwenjagdsarkophage nicht mehr wegzudenken
ist, möchte man schließen, daß er zur Vollendung des Sinns, den die Löwenjagdsarkophage ausdrücken
sollten, notwendig war und nicht einfach als eine austauschbare Füllfigur verstanden werden darf.
Hier ist daran zu erinnern, daß die Ersetzung des Ebers der mythologischen Sarkophage durch den Löwen
in den entmythisierten Jagdsarkophagen offenbar eine durchaus faßbare Sinnänderung bewirken sollte. Hippo-
lytos verliert nach der dargestellten Jagd sein Leben. Das ist bekannt. Anders ist das beim Löwenjäger.

Robert, ASR III i Nr. - Andreae (1973) Abb. 58;. - Jung (1978)
357 Anm. 83 ; 358 Anm. 86.

Vgl. u. Kap. 1.4.3.
Vgl. u. Kap. 2.2.3.

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