Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0030

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1.3. DER SARKOPHAG IM LOUVRE UND DER KANONISCHE TYPUS

Er scheint aus dieser gefährlichen Jagdbegegnung als Sieger hervorzugehen. Andererseits ist das Monument
in jedem Fall ein Grabdenkmal und der Betrachter kann nicht im Zweifel sein, daß der darin Beigesetzte
den irdischen Tod erlitten hat, so wie Adonis auf den mythologischen Sarkophagen und auf den entmythisierten
Jagdsarkophagen der vom Löwen Niedergeworfene zu Tode kommen. Aber im Adonismythos ist eine
tröstliche Hoffnung enthalten. Erst der Tod bringt Adonis zur endgültigen Vereinigung mit seiner geliebten
Venus in einem schöneren Jenseits. Diesen Gedankenbezug wollte man sich offenbar durch die Einführung
des im Adonistypus vom Löwen niedergeworfenen Jagdbegleiters sichern. Schon einmal hatte der durch
Entmythisierung der Hippolytossarkophage entstandene neue Sarkophagtypus eine Anleihe am Typenschatz
der Adonissarkophage gemacht, als er an die Stelle des sich mit Abscheu abwendenden Hippolytos den
im Adonistypus Abschied nehmenden Jäger stellte. Das Motiv des Jagdherrn im Aufbruch, wie man es
auf den Sarkophagen in Barcelona (Kat. 8, Taf. 2,1) und im Louvre (Kat. 65, Taf. 4,1) gestaltet sieht, läßt
selbst in der Umformung durch realistische Kleidung und Senken des linken Armes, der den Speer trägt,
noch seine Herkunft vom Adonistypus des Sarkophags im Museo Gregoriano Profano des Vatikan94 erkennen.
Der Aufbruch, der in dieser Szene gemeint ist, darf demnach nicht als ein bloßer realistischer Aufbruch
zur jagd verstanden werden. So, wie das Parapetasma97 auf dem Sarkophag in Barcelona Verewigung andeutet,
so bedeutet auch dieser Aufbruch einen letzten Aufbruch im Tode, ein Komplement zum Bilde der Virtus
im Löwenkampf.

In diesen Gedankenzusammenhang fügt sich nun auch der im Adonistypus unter dem sieghaft dahinsprengen-
den Löwenjäger vom Löwen niedergeworfene Jagdbegleiter ein, ja, er wird ein notwendiger, den Gedanken-
gang erst vollendender Bestandteil der Komposition. Diese Figur läßt augenfällig werden, daß es in der
Löwenjagd um Leben und Tod geht. Aber so wie Adonis auf der Jagd den irdischen Tod erleidet, um
dadurch Eingang zu finden in ein ewiges glückliches Leben, so überwindet der Löwenjäger als triumphierendes
Gegenbild zu dem Sterbenden unter ihm den ewigen Tod, indem er den Löwen besiegt. Durch diese
Gedankenverbindung wird erst klar, wieso man überhaupt darauf kommen konnte, die Sarkophage zu entmy-
thisieren, indem man den todbringenden Eber durch den Löwen ersetzte, der selbst zur Jagdbeute werden
konnte, über die der Jäger den Sieg davonträgt. Daß dies möglich ist, wird durch die Darstellung eines
neben dem angreifenden Löwen schon zu Boden gestreckten zweiten Löwen proleptisch angedeutet.
Der Löwe ist seit der Kunst der Ägypter und der Völker des alten Orients, in deren Leben er eine tatsächliche
Bedrohung darstellte, zum prägnanten Symbol des alles dahinraffenden Todes geworden98. In den Darstel-
lungen der orientalisierenden frühgriechischen Kunst99, in den archaischen und klassischen Tierkampfgrup-
pen100, in den hellenistischen101 und römischen Löwenbildern102 mit ihrem starken Realismus wird dieses
Bilddenken tradiert, das mit der Bitte Libera eas de ore leonis noch in das Offertorium der christlichen Toten-
messe103 Eingang fand, nachdem es bereits in der altorientalisch-jüdischen Psalmendichtung104 zur Veranschau-
lichung der Todesnot gedient hatte. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang das letzte bedeutendste

F. de Ruyt, Recherches Sur le symbolisme funeraire, BlnstHist-
BelgRom 17, 1956, 162. - Vaccaro Melucco (1963/64) 27.
Cumont {i<)4i) 157. 455. - J.M.C.Toynbee, Animals in Roman
Life and Art (1973) 65: "In Roman funerary art the lion has
its place as a Symbol of the ravening power of death and of man's
victory over it." - Bozzini (1977) 364 mit Anm. 101.
D. Ohly, Griechische Goldbleche des 8. Jhs. v.Chr. (1953) 73fF.

- M.-L. u. H. Erlenmeyer, Über griechische und altorientalische
Tierkampfgruppen, AntK i, 1958, 53. 68.- K. Fittschen, Untersu-
chungen zum Beginn der Sagendarstellungen bei den Griechen
(1969) 76fr. 84f. 108f.

B. Schröder, Fünf Löwen, BrBr 641-645. - H. Gabelmann, Studien
zum frühgriechischen Löwenbild (1965). - F. Hölscher, Die Bedeu-
tung archaischer Tierkampfbilder (1972). - V.M. Strocka, Neue
archaische Löwen in Anatolien, AA 1977, 481-512. - P. Müller,
Löwen und Mischwesen in der archaischen griechischen Kunst.
Eine Untersuchung über ihre Bedeutung (1978). - W.L. Brown,
The Etruscan Lion (i960). - Willemsen (1959). - R. Lullies, Ver-
goldete Terrakotta-Appliken aus Tarent, 7. Ergh. RM (1962) 71 ff.

- L. Budde, Eine Tierkampfgruppe aus Sinope, AntPl II (1963)

55-73. - O. Broneer, The Lion Monument at Amphipolis (1941)
42fr. - V. v. Graeve, Der Alexandersarkophag und seine Werkstatt
(1970) 68f. - vgl. auch W. Deonna, Salva me de ore leonis, RBPhil
28, 1950, 479t?.

Aus hellenistischer Zeit sind nur wenige Löwenbilder in sepulkra-
lem Zusammenhang bekannt geworden, s. Willemsen (1959) 63 fF.
Rodenwaldt (1935/6). - Scerrato (1952). - Willemsen (1959) 9off.

- G. Mansuelli, Leoni funerari Emiliani, RM 63, 1956, 66-89.

- Chiarlo (1974). - L'Orange (1976). - C.C. Vermeule III, Greek
Sculpture and Roman Taste (1977) 7. - Über ein von ihr vorbereite-
tes Corpus römischer Grablöwen in Italien hat M. Marini Calvani
beim XI International Congress of Classical Archaeology in Lon-
don am 6.9.1978 berichtet: Final Programme 108. - Acta (1979)

270f.

J. Quasten, Die Grabinschrift des Beratius Nikatoras, RM 53,
1938, 50fr. Es scheint mir aber wichtig zu betonen, daß der Un-
sterblichkeitsbegriff, der in den römischen Sarkophagen seinen
Ausdruck findet, ein ganz anderer als der christliche ist. - Vgl.
jedoch W. Deonna, Salva me de ore leonis, RBPhil 28, 1950, 479fr.
 
Annotationen