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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0042

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1.5.3. DER SARKOPHAG IM COEMETERIUM CIS CALLISTI

man noch auf der Flanke des niederbrechenden Tieres sieht, ungewiß. Die Ergänzung der bis zur Mitte
der Unterschenkel erhaltenen, gestiefelten Beine rechts davon, hinter denen der Leib eines erlegten Hirsches
erkennbar ist, zu einer frontal stehenden Virtus dürfte hingegen das Richtige treffen, wenn auch die senkrecht
in der Rechten gehaltene Lanze, von der keine Spur zu sehen ist, eliminiert werden muß. Links neben
den gestiefelten Füßen erkennt man einen Baumstumpf mit Zweigen, vor denen ein Hund zu dem gerissenen
Hirsch hinüberspringt. Neben dem Baumstumpf ringelt sich eine Schlange. Das gehört zu dem Detailreichtum
in der Schilderung des Ambientes auf den Sarkophagen dieser Zeit.

Der Abstand zwischen dem linken und dem mittleren Fragment mit dem Bug des Pferdes, das der Jagdherr
reitet, läßt sich aufgrund der wahrscheinlichen Gesamtlänge des Sarkophages von 2,20 m bis höchstens
2,40 m ungefähr erschließen und dürfte in der Rekonstruktionszeichnung von M. Cardoso Mendes16:i richtig
getroffen sein. Der Jagdherr war gewiß im üblichen Typus mit geschwungener Lanze dargestellt. Von
dem in der Rekonstruktionszeichnung wiedergegebenen kleinen Männchen mit Lanze fehlt am Sarkophag
allerdings jede Spur. Es gehört ins Reich der Phantasie. Uber dem Kopf des galoppierenden Pferdes werden
das halb verdeckte, nach links blickende Gesicht eines Jagdteilnehmers mit nach oben züngelnden Haaren
und vor ihm werden ein Steinschleuderer mit Schwert am Gehenk sowie der Kopf eines Jägers wahrscheinlich
zu Pferde sichtbar, der sich zurückwendend ein Schwert überm Kopf schwingt, um es auf das Jagdtier
niedersausen zu lassen. Der Unterarm dieses Jägers ist abgebrochen. Rechts von ihm erkennt man den
Kopf einer ungewöhnlich kleinen Gazelle.

Das dritte aus zusammenhängenden Fragmenten bestehende Stück (Taf. 10,3) gibt den unteren Rand des
Sarkophags mit der rechten Biegung der Wanne wieder. Man sieht zottiges Fell eines erlegten Tieres am
linken Rand, das gewiß nicht, wie in der Rekonstruktionszeichnung vorgeschlagen, zu einem Schaf ergänzt
werden kann, ohne daß man sicher sagen könnte, ob es ein weiterer Eber oder etwa ein Büffel wie auf
dem Kopenhagener Sarkophag (Kat. 41, Taf. 24,2) gewesen ist166. Darüber werden das linke Ohr und
beide gedrehten und nach oben gebogenen Hörner einer Antilope sichtbar, deren Hals hinter dem Hund
verschwindet, welcher von rechts herankommt und den Kopf, dessen Schnauze abgebrochen ist, zurück
und nach oben dreht. Zwischen den Vorderläufen des Hundes, deren linker ebenfalls zwischen Ansatz und
Pfote abgebrochen ist, ist der Reliefgrund mit aufwachsendem Gesträuch bedeckt. Hier liegt ein mächtiger
Keiler mit aufgerissenem Gebräch und zwei großen gekrümmten Hauern am Boden; nur sein Kopf und
der linke Vorderlauf bis zum Gelenk sind erhalten. Der zweizehige Huf, der rechts davon voll auf dem
Boden aufsteht, scheint zum linken Hinterlauf des erlegten Ebers zu gehören. Darin wird man der Rekonstruk-
tionszeichnung von M. Cardoso Mendes folgen dürfen, aber ganz ungewiß ist es, ob auch der zweite auf
die Spitze gestellte Huf zu diesem Tier gehören kann. Weit wahrscheinlicher ist vielmehr, daß es der linke
Vorderlauf eines weiteren Ebers ist, der zu einer Tierkampfgruppe entsprechend derjenigen auf der gegenüber-
liegenden Seite zu ergänzen wäre. Manchmal ist bei Wannensarkophagen mit Tierkampfgruppen167 auf der
einen Seite ein Hirsch und auf der anderen ein Eber als Beute wiedergegeben, und immer haben die Tiere
einen Vorderlauf auf die Spitze gestellt, während diese Haltung bei den Hinterläufen, soweit ich sehe, nicht
begegnet. Auch der Hirsch auf der anderen Seite des fragmentierten Sarkophages hat nur den (auf der
unteren Abschlußleiste eingeritzten) vorderen Huf auf die Spitze gestellt.

Trifft die vorgeschlagene Ergänzung des Sarkophages zu, dann wäre er das früheste Beispiel eines Typus,
der im Wiener Sarkophag (Kat. 247, Taf. 36,1) vollständig erhalten ist. Allerdings zeigt ein Blick auf diesen
Sarkophag sofort, wie schwer es ist, eine sichere Vorstellung vom ursprünglichen Aussehen des fragmentierten

Uggeri (1965/4) Frontispiz.

Derartige Büffel, möglicherweise die für eine Venatio des Kaisers
Gordian, H A Gordiani Tres 3,6 erwähnten Kyprischen Stiere, fin-
den sich außer auf dem Kopenhagener auch auf den Sarkophagen
Rom, Mattei II (Kat. 128, Taf. 13,1), Rom, Palazzo dei Conservato-
ri (Kat. 110, Taf. 37,4), Ostia (Kat. 60, Taf. 37,5), Vatikan
(Kat. 215, Taf. 42,5) u.a. Zur Mähne der Büffel vgl. Oppian, Cyne-
getica 2, 161 ff., wo sie mit einer Löwenmähne verglichen werden.
Diese Sarkophage werden in ASR VI 1 behandelt. In der bisherigen
Literatur, Rodenwaldt (1935/6), Scerrato (1952), Chiarlo (1974),
L'Orange (1976), sind gewöhnlich nur Ausschnitte der Sarkophage
abgebildet, so daß man den Zusammenhang nicht erkennen kann.

Ich gebe hier deshalb eine Liste der mir bekannt gewordenen
Sarkophage mit Tierkampfgruppen, die auf der einen Seite einen
Hirsch und auf der anderen einen Eber unter dem Löwen wiederge-
ben : 1. Pisa, Inst.Neg.Rom 34.7111. - Arias-Cristiani- Gabb.i
(1977) 85 A 8 int. Taf. 52. - 2. Rom, Palazzo Colonna, Photo
Alinari 28654. Inst.Neg.Rom 67.455; 71.1207. - 3. Paris, Louvre,
Foto Marburg 162997. 162998. - 4. Vatikan, Cortile del Belvedere,
Inst.Neg.Rom 64.775-776. - 5. Cliveden, Foto Forschungsarchiv
für römische Plastik, Köln Neg. 105 3/1. - 6. Rom, Villa Albani,
Foto G. Fittschen-Badura 68/15. - Die gleiche Unterscheidung
der Beutetiere zeigt auch der Sarkophag: 7. Wien (Kat. 247,
Taf. 36,1).

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