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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0043

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1.5.3.

DER SARKOPHAG IM COEMETERIUM CIS CALLISTI

Sarkophags im Coemeterium Cis Callisti (Kat. 77, Taf. 6,2) zu gewinnen. Die Beutetiere Eber und Hirsch
sind auf dem Wiener Sarkophag (Kat. 247, Taf. 36,1) so groß und hoch angeordnet, daß die riesigen
Löwen darüber bis zum oberen Sarkophagrand reichen und so den zur Verfügung stehenden Raum vollständig
ausfüllen. Das muß bei dem fragmentierten Sarkophag ganz anders gewesen sein, doch wie, läßt sich nicht
mehr genau feststellen.

Eine ähnliche Unsicherheit bleibt auch bei der Ergänzung des Jagdtieres bestehen. Von ihm ist kaum noch
eine Spur an den Bruchrändern auszumachen, es sei denn der unscheinbare Rest rechts vom Schwertheft
des steinschleudernden Jägers. Diese Bruchstelle, die die Form der Spitze einer Löwennase nachzeichnet,
kann nicht von einer abgebrochenen Falte herrühren. Das Jagdtier war also ein Löwe, was bei der Fülle
untergeordneten Wildes, die auf dem Sarkophag begegnet, von vornherein wahrscheinlich war, wie G.
Uggeri168 richtig hervorgehoben hat.

Entgehen dem Betrachter des fragmentierten Sarkophages auch die Besonderheiten der Komposition, so
kann diese in den Grundzügen doch als geklärt gelten. Eingespannt zwischen zwei Tierkampfgruppen an
den umbiegenden Seiten der Wanne, vollzieht sich die Jagd auf den Löwen und weiteres untergeordnetes
Wild wie Hirsch, Antilope und Wildschwein in zwei durch die frontal stehende Virtus eher verbundenen
als getrennten Szenen. Aber während es sich bei den übrigen zweiszenigen Löwenjagdsarkophagen entspre-
chend ihrer typologischen Ableitung von den mythologischen Jagdsarkophagen um Aufbruch (Profectio) und
Jagd handelt, ist hier auf der linken Seite entgegen der Meinung Uggeris169 allem Anschein nach nicht
das Gleiche wie auf den übrigen Sarkophagen vom Typus Borghese im Louvre (Kat. 65, Taf. 1,3) gemeint.
Das charakteristische Motiv eines Jagdteilnehmers in kurzer Tunica mit Paludamentum und einem Speer
in der Linken begegnet vielmehr völlig übereinstimmend auf den beiden untereinander typologisch verwandten
Löwenjagdsarkophagen Palermo (Kat. 64, Taf. 36,4) und Ostia (Kat. 60, Taf. 37,5), wo jeweils links an
vergleichbarer Stelle der Gesamtkomposition ein Venator erscheint, der ohne einzugreifen die Überwältigung
eines Hirsches durch einen auf dessen Rücken gesprungenen Löwen beobachtet. Hier allerdings ist die
Tierkampfgruppe umgekehrt angeordnet wie auf dem Fragment im Coemeterium Cis Callisti (Kat. 77, Taf.
10,1). Deshalb ist nicht völlig sicher, ob auch hier ein solcher Venator gemeint ist, aber es ist doch sehr
wahrscheinlich. Bei den Sarkophagen in Palermo (Kat. 64, Taf. 36,4) und Ostia (Kat. 60, Taf. 37,5) handelt
es sich um rechteckige Kästen. Sie haben nicht die Wannenform der meisten Sarkophage mit Tierkampfgrup-
pen. Das mag, wie weiter unten170 noch zu zeigen ist, die Umordnung der nun nach außen gewandten
Tierkampfgruppen bedingt haben. Aber mit dem im gleichen Typus erscheinenden Venator auf dem Fragment
im Coemeterium Cis Callisti, für dessen Pferd hier noch Platz bleibt, kann kaum etwas anderes gemeint
sein als dort. Jedenfalls darf man in ihm gewiß nicht den Jagdherrn (Capocaccia) im Aufbruch erkennen,
wie G. Uggeri vorschlug. Das besondere Interesse an den sehr qualitätvollen Fragmenten im Coemeterium
Cis Callisti (Kat. 77, Taf. 6,2) beruht darin, daß sie auf einer verhältnismäßig frühen Stilstufe einen Sarkophagty-
pus repräsentieren, der, nach den erhaltenen Exemplaren zu urteilen, erst in nachgallienischer Zeit größere
Bedeutung erlangt hat.

Zum Stil und zur Zeitstellung des Sarkophages sind noch einige Bemerkungen angebracht: Mit seiner
unruhigen, kleinteiligen und mit Details in verschiedener Maßstäblichkeit überfüllten Darstellung, mit den
ungeordnet aufgelösten und durchbohrten Flammenhaaren, dem lockeren Faltenfall und der noch relativ
weichen Plastizität gehört der Sarkophag eindeutig noch in die Frühphase der Löwenjagden, nähert sich
aber doch schon in manchen Zügen dem durch sein Porträt gegen die Mitte des 3.Jahrhunderts datierten
Sarkophag Mattei II (Kat. 128, Taf. 13,1). Auf der anderen Seite ist die Stilstufe der Sarkophage Barcelona
(Kat. 8, Taf. 1,2), Louvre (Kat. 65, Taf. 1,3) und Kopenhagen (Kat. 41, Taf. 22,1) kaum überwunden.
Man kann daher ohne Schwierigkeit der Datierung Uggeris171 in die 40er Jahre des 3.Jahrhunderts und
zwar eher an ihren Anfang folgen. Ja man kann sogar die späten dreißiger Jahre als Entstehungsdatum
nicht völlig ausschließen. Der Sarkophag gehört demnach in die erste Phase der Verwendung des soeben
erst geschaffenen neuen Sarkophagtypus der nicht mehr mythologischen, sondern realistischen Löwenjagd,
und er zeigt, daß alsbald Züge aus dem einzigen Ort, wo man in Rom lebendige Löwen sehen konnte,

>2 Uggeri (1963/4) 82ff. 170 Kap. 3.2.

69 Uggeri (1963/4) 67 und passim. 171 Uggeri (1963/4) 93 ff. bes. 99.

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