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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0047

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2.1.2.

DER SARKOPHAG IM MUSEO CAPITOLINO

des Sarkophages im Louvre (Kat. 65, Taf. 1,3) an den linken Rand gesetzten Torbogen zugeführt wird,
hebt das rechte Bein höher, krümmt den Hals stärker und zieht den Kopf enger an den Bug als ein anderes
vergleichbares. Die Gewänder umrauschen in knittrigen Falten die energiegeladenen muskulösen Figuren.
Dabei wird der Ausdruck durch eine unübersehbare Ornamentalität der Faltenschwünge, die in Kreisbahnen,
Sinuskurven, ineinandergelegten spitzen Winkeln und Fächerformen verlaufen, eher gesteigert als zurückgehal-
ten. G. Rodenwaldt hat in seiner adäquaten Beschreibung dieses Sarkophags182 auf die flackernde Unruhe
hingewiesen, die sich sowohl in der Haltung der Gestalten wie in der Sprache des Gewandes äußert und
nichts mehr mit fließenden Bewegungen und ruhig schwingenden Falten zu tun hat. Jähe Überschneidungen
der zweispältig bewegten Körper durch die Faltenbahnen, phantasievolle Gliederung der Bäusche und Fältchen
der Gewänder und ihrer raffinierten Faltenmotive charakterisieren das Sarkophagrelief. Rodenwaldt geht
so weit festzustellen, daß die Figur der Virtus an Fülle der Motive ihrer komplizierten Gewandung in
der Antike kaum ihresgleichen hat. Er spricht von einem Sturm, der den Chiton an die Oberschenkel
zu pressen scheint. Das Motiv der sich in kurzen parallelen Bögen über den Oberschenkeln stauenden
und der zwischen ihnen tangential dazu verlaufenden Falten ist ein Charakteristikum der in der vorläufigen
Tabelle183 mit einem • bezeichneten Werkstatt. Aber auf keinem anderen Exemplar ist es so sorgfältig
und stilbewußt ausgearbeitet wie auf diesem. Man braucht die Virtus nur mit der entsprechenden Figur
auf dem kapitolinischen Sarkophag (Kap. 104, Taf. 12,2) zu vergleichen, um zu erkennen, daß hier alles
härter und brüchiger, nicht mehr mit der gleichen, den Höhepunkt der Expressivität darstellenden Frische
ausgearbeitet ist.

2.1.2. Der Sarkophag im Museo Capitolino

Der kapitolinische Sarkophag (Kat. 104, Taf. 12,2) ist ein hybrides aber gleichwohl ungemein eindrucksvolles
Gebilde. Der Geist der über mehrere Jahrzehnte zu verfolgenden Werkstatt, aus der dieser Sarkophag stammt,
sucht noch einmal eine starke und große Lösung, und er findet sie in der von Rodenwaldt184 sogenannten
»Löwenhölle«. Der im Sarkophag Rospigliosi (Kat. 131, Taf. 12,1) geprägte Typus wird einem Wannensarko-
phag mit leicht nach innen gewendeten gewaltigen Löwenköpfen appliziert. Die Wannenform mit Löwenköp-
fen war vorher schon für dionysische Darstellungen verwendet worden185, wo es sich vom Inhalt her anbot.
Eine gewisse Rolle mag dabei auch die Tatsache gespielt haben, daß durch die Anordnung von Löwentier-
kampfgruppen an den umbiegenden Enden eines Wannensarkophagtypus wie beim Jagdsarkophag in der
Katakombe Cis Callisti (Kat. 77, Taf. 6,2) eine ähnliche Wirkung erzielt wurde wie bei den Lenoi mit Löwen-
protomen. Beim kapitolinischen Sarkophag (Kat. 104, Taf. 12,2; 18,1.2) isolieren die beiden größeren, dräuen-
den Löwenköpfe die Mittelgruppe der Jagd, nämlich Virtus, den Jagdherrn, einen Treiber und den Gestürzten
in einer auf das Wesentliche konzentrierenden Weise. Der zur Füllung des Raumes an der linken Rundung
stehende Pferdeknecht, Überrest der Aufbruchszene früherer Sarkophage, wendet sich nach links, wird also
nicht auf die Jagdszene bezogen. Vielleicht gehörte zu ihm noch ein Pferd, das mit dem seitlichen und
rückwärtigen Teil der Sarkophagwanne verloren ist.

Der Raum unter den Löwenköpfen wird auf beiden Seiten durch das neue und folgenreiche Motiv der
kreuzweise aufspringenden Löwenpaare, der Mähnenlöwen rechts und der Löwinnen links, wirkungsvoll
und mit der gleichen Absicht symbolischer Isolierung der Mittelgruppe gefüllt. Der Grabinhaber ist ganz
auf sich und seine Virtus186 angewiesen, die ihm den Sieg verleiht. Ein Löwe ist schon zu Boden gestreckt,
dem heranspringenden ragt ein Speer aus dem Rücken. Mit dem (jetzt abgebrochenen) rechten Arm schwang
der Jagdherr die todbringende Lanze mit triumphaler Gestik. In der Abkürzung kommt der Symbolgehalt
der Darstellung desto stärker heraus. Dem entspricht auch die härtere, rigorosere Meißelführung. Das Porträt
hat K. Fittschen187 wegen der wieder längeren in die Schläfen gestrichenen, über der Stirnmitte auseinanderfal-
lenden Haare in die Zeit Galliens datiert.

Rodenwaldt (1936) 89.
s. Anm. 60

Rodenwaldt (1936) 95.

Chiarlo (1974) 1312fF. - Vgl. P. Kranz, Zwei Fragmente einer

Thiasos-Lenos auf dem Celio mittelantoninisch oder frühseve-
risch?, BullCom 84, 1974/75 (1977) 173 ff.

Der Kopf der Virtus ist abbozziert (Taf. 15,1), war also für das
Porträt einer Frau, wohl der Gattin des Grabinhabers vorgesehen.
Referiert bei Andreae (1972) 431 Anm. 71.

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