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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0102

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4.2.3. DER SARKOPHAG IN BEZIERS

nen übernommener älterer Typen sichtlich komplexer geworden. Das Grundmuster der Komposition mit
den parallel zueinander nach links springenden Löwen in der vorderen Reliefschicht und den nach rechts
reitenden Jägern in der hinteren wird durch einen weiteren Parallelismus in der mittleren Reliefschicht
bereichert. Der schon auf anderen Sarkophagen449 beobachteten und hier übernommenen Gruppe des an
den rechten Rand gedrängten Reiters, der sich nach einer chiastisch hinter dem Mähnenlöwen aufspringenden
Löwin umwendet (Taf. 71,2), wird in der linken Bildhälfte ein hinter der Löwin auf den Rücken gerollter
Mähnenlöwe gegenübergesetzt (Taf. 71,1). Es handelt sich um einen neuen Typus, der hier in offensichtlicher
Korresponsion zu der Löwin rechts eingeführt wird und durch eine Art Drehsymmetrie den Parallelismus
auflockert, der gleichwohl die Komposition beherrscht450. Wegen der Drehsymmetrie dieses auf dem Rücken
liegenden Löwen, der mit der Pranke nach dem auf ihn niedergestoßenen Speer schlägt, konnte man die
beiden rücklings hinstürzenden Jagdgehilfen in paralleler Bewegung wiedergeben. Einen deutlichen Parallelis-
mus ihrer Bewegung zeigen auch der Jagdherr (Taf. 70,2) und die Virtus (Taf. 71,1), die beide die Hand
in der bekannten triumphalen Geste erheben und ausbreiten. Nicht mehr der Jagdherr allein nimmt die
Mitte der Komposition ein, sondern beide Figuren gemeinsam. Rechts und links von dieser Mittelgruppe
sind je vier Jäger angeordnet, von denen jeweils zwei bärtig und barhäuptig, die beiden anderen behelmt
sind. Während rechts barhäuptige und behelmte Köpfe miteinander abwechseln, sind links die beiden äußeren
behelmt, die beiden inneren, einander zugewandten ohne Helm wiedergegeben, wie man auch bei dem
zerstörten Kopf am Kontur erkennen kann. Der Sarkophag bietet eine konsequente Weiterentwicklung
der Komposition, die durch den Pisaner Sarkophag (Kat. 69, Taf. 55,1) belegt ist, und gibt auch dadurch
seine spätere Entstehungszeit zu erkennen.

Der Reiter am linken Rande des Sarkophagreliefs trägt auf dem Helm, wenn auch in verkümmerter Form,
das schon von den Sarkophagen in Pisa (Kat. 69, Taf. 68,3) und S. Elpidio (Kat. 204, Taf. 67,2-3) bekannte
Emblem: Halbmond und Stern451. Die Helme der anderen Jäger sind glatt. Im Gesichtsschnitt zeigen die
Figuren eine unverkennbare Ähnlichkeit zu denen in S. Elpidio (Kat. 204, Taf. 66,2-8; 67,1-6), die jedoch
nicht so weit geht, daß man die gleiche Hand erkennen könnte. In den Einzelheiten und besonders im
Duktus der Falten bestehen zuviele Unterschiede. Aber zeitlich müssen die beiden Sarkophage einander
nahestehen, wobei die Stilentwicklung im Sarkophag von S. Elpidio (Kat. 204, Taf. 54,3), der allerdings
mit 0,91 m um ein Drittel höher ist als der von Gerona (Kat 32, Taf. 55,2) mit 0,61 m Höhe, schon etwas
weiter fortgeschritten erscheint. Die neue Sorgfalt, das Bemühen, die Formverwilderung der hart eingerissenen
Falten und rohen Bohrlöcher in den tetrarchischen Werken durch eine Abrundung und Glättung der Form
aufzufangen, wird auch hier deutlich. Der Sarkophag in Gerona (Kat. 32, Taf. 55,2) erweist sich damit
als ein weiteres Beispiel der Reformtendenzen in der frühkonstantinischen Zeit452, die allerdings den Charakter
von etwas Aufgesetztem nicht völlig verleugnen können. Ein gewisses Gerinnen der Form, wie der Sarkophag
in Gerona es zeigt, ist offensichtlich ein unvermeidbarer Teil der angestrebten Formverfestigung.

4.2.3. Der Sarkophag in Beziers

Schwieriger zu beurteilen als die beiden Exemplare in Pisa (Kat. 69, Taf. 5 5,1) und Gerona (Kat. 32, Taf. 5 5,2)
ist der mit 0,52 m Höhe verhältnismäßig niedrige Sarkophag in Beziers (Kat. 19, Taf. 55,3; 72; 73), der
den gleichen Typenschatz und mit der Parallelisierung des Kampfs gegen Mähnenlöwen und Löwin auch
eine eng verwandte Komposition zeigt. Weil die Gruppe mit dem von einer Löwin angefallenen Reiter
am rechten Rand hinzugefügt und die Dioskuren fortgelassen sind, steht er dem Sarkophag in Gerona
näher als dem in Pisa. Verwandt mit dem Sarkophag in Gerona ist auch die glatte und weiche Abrundung
der Formen, die infolge der Hochpolitur beider Sarkophage deutlich herauskommt. Im Einzelnen finden
sich beim Sarkophag in Beziers aber viele Besonderheiten und Merkwürdigkeiten, die ihm eine Sonderstellung
geben. Kein anderer römischer Löwenjagdsarkophag zeigt solche Dissonanzen und unausgeglichenen Neben-
einanderstellungen wie dieser. Die Löwen sind riesig, ihre Pranken ungeheuer vergrößert. Die Pferde
wirken daneben klein und hölzern, die Gestürzten darunter sind winzig. Besonders unausgewogen ist
der Gegensatz zwischen dem zwergenhaften Jagdgehilfen (Taf. 125,5-6) unter dem Pferd des Jagdherrn

445 Kap. 4.1.1 u. 4. 451 Kap. 4.1.5.

450 Vgl. den Kindersarkophag in Rom, Mus. Naz. (Kat. 107, Taf. 75,5), 452 Kap. 4.1.4.
Kap. 4.3.6.

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