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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0103

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4.2.4. DIE SARKOPHAGE EHEMALS IN CANNES

und dem traubennaschenden Hasen daneben (Taf. 73,1). Die Sarkophagkunst neigte immer zu extremer
Maßstäblichkeit, aber hier scheint sie weniger in der künstlerischen Absicht als vielmehr im Unvermögen
des Steinmetzen begründet zu sein. Nicht das Nebeneinander kleinster und großer Figuren, sondern
die Unausgewogenheit ist es, die diesen Eindruck bestimmt. Er bestätigt sich, wenn man die Einzelformen
ins Auge faßt. Die Falten sind unentschlossen und kurzatmig geführte Furchen, Köpfe und Gliedmaßen
wirken wie Klumpen, die Meißelkerben in den Menschen- und Tiergesichtern sind unsicher gesetzt. Hier
war offenbar kein Meister am Werk. Gleichwohl ist das Bemühen unverkennbar, mit der Erneuerung der
Sarkophagkunst in frühkonstantinischer Zeit nach der Formverrohung im Laufe der Tetrarchie Schritt zu
halten. Stilistisch steht der Sarkophag denen von Gerona (Kat. 32, Taf. 55,2) und S. Elpidio (Kat. 204,
Taf. 54,3) am nächsten und dürfte deshalb ins zweite Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts zu datieren sein.

4.2.4. Die Sarkophage ehemals Cannes, Collection Courcel

Ein besonderes Problem bieten zwei aneinandergefügte fragmentierte Sarkophagplatten, die nur durch ein
altes Foto in der Negativsammlung des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom453 bekannt sind. Als
Aufbewahrungsort ist Jerusalem angegeben, doch sind die Sarkophagfragmente dort trotz intensiver Nachfor-
schung von Michael Avi Yonah und neuerdings von Gideon Foerster nicht festzustellen. Nun ist zwar
nicht ausgeschlossen, daß Sarkophage aus stadtrömischen Werkstätten des ausgehenden 3. und frühen 4. Jahr-
hunderts nach Palaestina exportiert wurden, wie die von G. Koch454 zusammengestellten Exemplare beweisen,
aber nach der aus dem Foto ersichtlichen Anbringungsart ist es doch ganz unwahrscheinlich. Die Sarkophag-
fragmente sind, wie man dies vor allem aus Rom selbst und aus dem westlichen Mittelmeergebiet kennt,
in eine verputzte Wand eingemauert. Auch die Sitte, gleichhohe unvollständige Sarkophagplatten zu einem
Fries zusammenzusetzen, ist für dieses Gebiet typisch.

Man muß also fragen, ob die Ortsangabe Jerusalem nicht auf einem Beschriftungsfehler beruht. Dies scheint
in der Tat der Fall zu sein, denn die auf dem Foto wiedergegebenen Sarkophagfragmente entsprechen
genau der Beschreibung, die A. Michaelis455 1893 von zwei damals in der Sammlung Courcel in Cannes
aufbewahrten Exemplaren gegeben hat. A. Vaccaro Melucco456, der dieser Zusammenhang entgangen ist,
als sie das Foto zum ersten Mal publizierte, hat seltsamerweise nicht einmal vermerkt, daß es nicht einen
einzigen Sarkophag, sondern die Fragmente der Frontseiten von zwei Löwenjagdsarkophagen wiedergibt.
Da das Negativ auf der rechten Seite doppelt belichtet zu sein scheint oder auf andere Weise in Mitleidenschaft
gezogen wurde, ist nur noch undeutlich zu erkennen, daß hier die gleiche Figurenkomposition wie am
rechten Rand der beiden Sarkophage in Gerona (Kat. 32, Taf. 71,2) und Beziers (Kat. 19, Taf. 73,2) dargestellt
war, die auch bei den Sarkophagen in Ince (Kat. 40, Taf. 52,1) und S. Elpidio (Kat. 204, Taf. 65,2) erscheint:
In chiastischer Anordnung springt hinter dem Mähnenlöwen eine Löwin nach rechts und fällt von hinten
einen Jäger an, der sich um seine Achse dreht und mit Schild und Schwert zur Wehr setzt. Da das Komposi-
tionsschema hier so weit auseinandergezogen ist wie auf den beiden Sarkophagen mit Löwenpaaren in
Gerona (Kat. 32, Taf. 55,2 und Beziers (Kat. 19, Taf. 55,3), wird man den Sarkophag dieser Klasse und nicht
den zweiszenigen wie dem in S. Elpidio (Kat. 204, Taf. 54,3) zuordnen dürfen. Stilistisch scheint er, soweit
das Foto ein Urteil zuläßt, besonders wegen der verwilderten Löwenmähne noch etwas früher zu sein
als jene und fügt sich problemlos in die Gruppe ein, die durch die Sarkophage in Siena (Kat. 206, Taf. 54,1),
Spoleto (Kat. 208, Taf. 54,2) und die an die pointillistische Werkstatt angeschlossenen Exemplare457 repräsen-
tiert wird und um die Jahrhundertwende zu datieren ist.

Aus der gleichen Zeit dürfte auch das linke auf dem Foto (Taf. 55,4) wiedergegebene Fragment stammen.
Hier ist die Jagd auf den Mähnenlöwen mit der auf einen Eber parallelisiert, wie man am linken Rande
der Fotografie noch erkennen kann, die das Plattenfragment leider nicht vollständig wiedergibt. Nach der
Beschreibung von Michaelis458 ist die Platte links bis zum Rand erhalten. Auf dem Foto erkennt man
noch den Rand einer Höhle. Sie ist in der von zahlreichen mythologischen Jagdsarkophagen459 bekannten
Manier in Form eines gebogenen, Felsformen nachahmenden Geländestreifens wiedergegeben. Ein Eber

453 Inst.Neg.Rom 2252, hier Taf. 55,4. 457 Kap. 4.3.1-5.

4,4 G. Koch, Sarkophage im römischen Syrien, AA 1977, 390f. 458 a.O. 180 Nr. 10.Ii.

455 A. Michaelis, RM 8, 1893, 180 Nr. 10.11. 459 Vgl. Koch, ASR XII 6 Nr. 1. 7. 33. 8. 10. Ii. 22. 21. 155. 43.

456 Vaccaro Melucco (1963/4) 36 Nr. 34. 26. 157. 27. 156. 30. 64.

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