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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0140

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6.4. DIE DEUTUNG DER TREIBJAGDSARKOPHAGE

gehen die Gedanken bei der Betrachtung des Bildes immer wieder in diese Richtung, weil gerade die
Gebärdensprache der beiden Cucullati nicht in sich schlüssig zu sein scheint, sondern der ganzen Szene
eine unheimliche Stimmung mitteilt. R. Egger604 hat gezeigt und W. Deonna605 hat es durch viele Beispiele
belegt, daß der Cucullus in einem historisch allerdings schwer durchschaubaren Zusammenhang mit der
charakteristischen Kleidung des Telesphoros 606 steht. Aufgrund der Interpretatio graeca607 seines Namens
als des eines Dämons, der das Ende bringt, und zwar nicht nur, wie im günstigsten Fall, das Ende der
Krankheit, sondern auch das Ende des Lebens, wird Telesphoros auch als Todesgenius angesehen608. Man
könnte daraus eine Bestätigung der Gedankenverbindung ableiten, welche die Darstellungsform der beiden
Cucullati auf den Treibjagdsarkophagen beim Betrachter auslöst. Denn nur diese beiden sind ähnlich wie
Telesphoros gekleidet. Keine der anderen, in schlüssiger Weise in das Jagdgeschehen verwickelten Figuren
trägt den Cucullus über den Kopf gezogen. Man wird dies nicht gern als bedeutungslos ansehen wollen.
Dann wird es aber immer schwieriger, die Erklärung der beiden Cucullati in einer anderen als der angedeuteten
Richtung zu suchen.

Allerdings bietet der Sarkophag in Arles P (Kat. 4, Taf. 111,5) mlt den beiden am Netz beschäftigten Jägern,
von denen einer dem Hirsch, der sich darin verfangen hat, den Hals umdreht, eine Variante, die auf den
ersten Blick der anvisierten Deutung zu widersprechen scheint. Gerade hier jedoch findet sich eine Einzelheit,
welche diese Deutung im Gegenteil eher bestätigt. Durch die Maschen des Netzes schlüpft ein Häschen,
das keineswegs flieht, also nicht als Genremotiv zu verstehen ist. Es knabbert vielmehr an seinen Trauben
und gibt sich dadurch als das Unsterblichkeitssymbol der älteren Sarkophage zu erkennen609, das auch
den Treibjagdsarkophagen nicht unbekannt ist, wie die Sarkophage in Avignon II (Kat. 6, Taf. 92,2), Pisa
(Kat. 71, Taf. 92,6), Ferentillo (Kat. 30, Taf. 93,4), üsimo (Kat. 59, Taf. 94,1), Potsdam-Sanssouci (Kat. 73,
Taf. 94,2.3) und Villa Doria (Kat. 185, Taf. 95,1) beweisen. Auf dem Sarkophag in Arles P (Kat. 4, Taf. 111,5)
ist dieses Häschen so angeordnet, daß eine Deutung der ganzen Szene, die wegen der beiden am Netz
beschäftigten Jagdgehilfen auch als Genremotiv hätte verstanden werden können, doch in einem allegorischen
Sinn möglich bleibt. Der Hase, der die Unsterblichkeit versinnbildlicht, schlüpft durch das Netz, in dem
die Tiere sich verfangen. Auch wenn das kleine Kapuzenmännlein am Netz verschwunden ist und nur
der Kapuzenreiter übrigbleibt, kann die Deutung kaum zweifelhaft sein. Die Treibjagd auf der spätesten
Gruppe der römischen Jagdsarkophage scheint ebenso wie die Löwenjagd auf den früheren eine Allegorie
des Todes zu sein. Aber sie bleibt vieldeutiger. Der Grabherr, der als Jäger auftritt, wird sich ja nicht
selbst im Netz verfangen. F,r triumphiert in einer Umgebung des Todes610, der von ihm selbst ausgeht.
Das ganze Bild ist also nicht die dramatische und genaue Schilderung einer Treibjagd, es ist vielmehr
eine Reflexion über das Phänomen des Todes. Dieser ist nicht einfach das Ende, sondern die Vollendung
des Lebens, das in der Form einer Jagd allegorisiert wird, in der sich der Verstorbene bewähren mußte611.
Wir können hier einen Gedanken wieder aufnehmen, den wir oben nur kurz gestreift haben. Auf dem
Deckel des Jagdsarkophags in Arles C (Kat. 3, Taf. 94,4; 108; 109) begegnet rechts (Taf. 109,1) die Szene
einer Heimkehr von der Jagd, bei der zwei mit der Alicula bekleidete Jäger den erlegten Eber am Tragholz
heimtragen. Eine ähnliche Szene wird auch zur Ergänzung des Bildprogramms von zwei christlichen Sarkopha-

R. Egger, Genius cucullatus, Wiener Prähistorische Zeitschrift 19,
1932, 311 ff. - Ders., Der Hilfreiche Kleine im Kapuzenmantel,
Ojh 37, 1948, 90- 111.
1 Deonna a.O. passim.

16 RE 2.R. V 1 (1934) 387fr. s.v. Telesphoros (Schwam). - Der kleine

Pauly 5 (1975) 571 s.v. Telesphoros 1 (Volkmann).
1 Suida s.v., Etym. M. 751, 11.

18 Deonna a.O. 56.

19 Vgl. Kap. 2.2.3.

0 Eine ähnliche Darstellung findet sich auf einer spätantiken Glas-
schale aus Andernach in Bonn, Rheinisches Eandesmuseum (W.
Hilgers, Kurzführer durch das Rheinische Landesmuseum Bonn
I, Die archäologische Abteilung, Kunst und Altertum am Rhein
47 [I973] 64). Sie trägt die eingeritzte Inschrift: vincas cum tuis
- Du mögest mit den Deinen siegen.

Vgl. H. Schlunk, Zur Deutung des Jagdmosaiks im Mausoleum
von Centcelles in: Neue deutsche Ausgrabungen im Mittelmeerge-

biet und im Vorderen Orient (1959) 362^ und Schmidt (1968)
787, die zusammenfassend erklärt: »Die Jagd-Darstellung (sc. auf
den Sarkophagen) dürfte auf die Mühsal des Lebens und ihre Über-
windung anspielen.« - Zum Mosaik in Centcelles vgl. auch H.
Schlunk - Th. Hauschild, Die Denkmäler der frühchristlichen und
westgotischen Zeit, Deutsches Archäologisches Institut Madrid,
Hispania Antiqua (1978) 15 f. 25fr. iot){. 119. 127. 130 Taf. 8-15
Abb. 9. 79-82 Farbtaf. III-V. - Eine vergleichbare Treibjagddar-
stellung in einem Mausoleum findet sich auch in der sogenannten
Jägerkatakombe an der Via Appia Nr. 97 in Rom : K. Wurmbrand-
Stuppach, Die Jägerkatakombe an der Via Appia, Belvedere 49,
1926, 289-294. - P. Styger, Die römischen Katakomben (1933)
307-309.-C. Cecchelli, Monumenti cristianoeretici di Roma (1944)
180-184. - P. Testini, Le catacombe e gli antichi cimiteri cristiani
in Roma (1966) 152. - A. Nestori, Repertorio topografico delle
catacombe romane (1975) 98.

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