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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,1): Einzelmythen: Actaeon - Hercules — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.12014#0062
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TAFEL VIII. IX 34

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sich zum Gehen, bereit der voranschreitenden Virtus zu
folgen, die ermunternd zu ihm zurückblickt. Diese ist in
der üblichen Tracht, Helm mit langem Busch, geschürzter
und gegürteter Tunica, die die rechte Brust frei lässt,
Wehrgehäng und Jagdstiefeln dargestellt; von dem Speer
in ihrer Linken ist ein Ansatz an ihrem Arm und ein
Puntello an ihrem linken Oberschenkel erhalten. Die rechte
Hand war ausgestreckt — Puntello über dem Oelbaum
links — und wird gewiss den auffordernden Gestus ge-
macht haben, der ihr Fig. 34"- FiS- 34'" gegeben ist.
Hinter ihr ein Oelbaum. Bellerophon richtet beim Scheiden
seine Blicke auf den rechts stehenden König; der linke
Arm war gesenkt, die Fig. 34' noch theilweise erhaltene
Hand nach unten gekehrt. Keinesfalls stützte sie sich, wie
Fig. 34'" angenommen ist, auf die Hüfte. Der König, ein
stattlicher Mann mit Vollbart und langen Locken, in der
üblichen Theatertracht (Aermelchiton, mit breitem unten in
eine Spitze auslaufenden Gürtel, und Mantel), hält in der
Linken einen Speer, dessen Spitze Fig. 34' noch deutlich
gezeichnet ist, während man jetzt nur noch einen Ansatz
bemerkt; er hebt den rechten Arm und w endet sich offenbar
sprechend zu Bellerophon. Links im Hintergrund der
Doryphorus des Königs in römischer Tracht (vgl. II 177.
178. 180), Helm, Panzer, Mantel und Stiefeln, mit dem
Speer in der Rechten. Der König ist umgeben von einer
Gruppe von Frauen, auf die der /eichner von Fig. 34'"
Bellerophon verächtlich herabblicken lässt, während er sie
in W ahrheit überhaupt keiner Beachtung würdigt. Die
Hauptfigur ist eine mit gesenktem Antlitz auf einem Sessel
sitzende Frau, mit feinem Aermelchiton, Mantel, Schleier
und Schuhen bekleidet. Der linke Arm ruht auf der Lehne,
die rechte Hand war offenbar nach Bellcrophon hin aus-
gestreckt. Unklar ist die Bedeutung der anscheinend mit
einander in Zusammenhang stehenden Brüche an der
linken Schulter und am unteren Gewandsaum; für die
naheliegende Annahme eines Sccpters fehlt es an Analogien.
Im Hintergrund erblickt man zwei Dienerinnen, von denen
die eine, sehr zerstört, die linke Hand auf den Arm der
sitzenden Frau legt (vgl. 8), während ihre Gefährtin die
kinger zum Mund erhebend ihr ein Zeichen zu machen
scheint. Weiter links erscheint die sehr klein gebildete
Amme der thronenden Herrin, in der üblichen Tracht,
einem ungegürteten von der linken Schulter abgleitenden
Chiton und einer Haube (Fig. 34^ von Fichler verkannt).
Mit erhobener Rechten wendet sie sich, scheinbar Hellend,
an Bellerophon. Zwei Amore n vervollständigen die Gruppe.
Der eine gut erhaltene schreitet, zu der sitzenden Frau
zurückblickend, auf Bellerophon zu, als ob er ihn begleiten
wollte, wie wir ihn denn in der That in der zweiten
Scene beim Abenteuer mit der Chimaera vor ihm her-
fliegend finden; die Liebe jener Frau folgt dem Bellerophon
in die Gefahr. Im Coburgensis Fig. 34' ist an diesem Amor

[ das über die Brust laufende Köcherband und über der rechten
Schulter das Ende des Köchers vollkommen deutlich. Beides
hat Eichler übersehen. Darnach darf man vermuthen,
dass der abgebrochene, offenbar erhobene rechte Arm den
Bogen hielt. Ein zweiter Amor stand neben dem Stuhl
der Frau; doch war er schon im 16. Jahrhundert so ver-
stümmelt, dass sogar der Zeichner des Coburgensis die Reste
nicht verstanden zu haben scheint. Fig. 34" und Fig. 34'"
fehlt er vollständig. Dagegen erkennt man auf Eichlers
Zeichnung deutlich den nach links ausgestreckten linken
Arm mit dem anstossenden Theil der Brust, das linke
Bein, die Stelle des Kopfes und des rechten Beines sowie
den Puntello für die rechte Hand. Die Bruchstelle auf
der linken Schulter, mit welcher der Puntello am hinteren
Stuhlbein zu correspondiren scheint, rührt vielleicht von
einer Fackel her, die das in Vorderansicht stehende nach
rechts bewegte Knäbchen in der rechten Hand hielt. Im
Hintergrund ein tempelartiges Gebäude mit vier korinthi-
schen Säulen an der Front, von denen drei sichtbar sind.
In der Mitte die Thüre. Im Giebel ein Kranz mit langen
Bändern.

Bei den Hauptfiguren der zuletzt beschriebenen Gruppe
kann man über die Benennung zweifelhaft sein. Spielt die
Scene in Tiryns oder in Lycien? Ist der König Proetus
oder Iobates? Haben wir in der sichtbar erregten Frau die
für verschmähte Liebe Rache suchende Stheneboea oder
die bräutliche Königstochter Philonoe, oder, wie sie bei
Asklepiades von Tragilos heisst, Kassandra zu erkennen,
in welchem fall wir eine litterarisch nicht bezeugte Version
zu constatiren hätten, nach der Iobates dem Bcllerophon
die Hand seiner Tochter als Lohn für die Tötung der
Chimaera verspricht? Nach langem Schwanken muss ich
mich jetzt für die erstere Alternative entscheiden, für die
zuerst Trendelenburg und ihm folgend Kalkmann ein-
getreten ist. Die von höchster innerer Erregung zeugende
Haltung der sich nur mühsam aufrecht haltenden Frau, der
— im Coburgensis nicht getreu w iedergegebene — Ausdruck
des nach Bcllerophon blickenden Antlitzes sind für die
auch bei der Rache noch von heisser Leidenschaft durch-
glühte Stheneboea ebenso charakteristisch, wie sie beiPhilonoe
unverständlich sein würden. Dasselbe gilt von der trotzigen
Haltung des Bellerophon, der im andern Fall doch gew iss
auf seine Braut blicken würde. Für die zweite Auffassung
könnte vor allem der dem Bcllerophon in der Scene links
voranschwebende Amor zu sprechen scheinen, wenn es
nothwendig wäre, ihn als Repräsentanten der eigenen Em-
pfindung des Bellerophon zu fassen. Aber nichts hindert,
in ihm, wie oben geschehen, den Ausdruck für die Liebes-
sorge der Stheneboea zu sehen, bei welcher Auffassung sich
seine Anwesenheit auch mit der vorgeschlagenen Deutung
sehr wohl vereinigen lässt. Der Harm der Stheneboea um
den vermeintlich umgekommenen Bellcrophon spielte be-
 
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