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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,1): Einzelmythen: Actaeon - Hercules — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.12014#0063
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BELLEROPHON

kanntlich im ersten Theil der I&svsßoia des Euripides (fr.
66t,—66$) eine grosse Rolle; auch die Amme könnte von dort
entnommen sein, wenn nicht die als Vorlage benutzten
Hippolytus-Sarkophage ihre Anwesenheit ausreichend moti-
virten. Keinesfalls ist sie werbend zu denken; sie macht
nur einen schwachen Versuch den Bellerophon zurück-
zuhalten, weil sie weiss, welchen Kummer sein Scheiden,
wenn auch uneingestandermassen, ihrer Herrin bereitet.
Die von Prittwitz mit Recht bei dieser Scene geforderte
Schreibtafel kann Bellerophon sehr gut in der gesenkten
Linken gehalten haben. Vielleicht rührt der an seiner
Chlamys erhaltene Puntello von ihr her; vgl. den etrus-
kischen Spiegel Monumenti deW Instituto VI tav. XXIX ia
= Gerhard Etruskische Spiegel IV Taf. 333 (darnach
Wiener Vorlegeblätter Ser. VIII Taf. 8, 3). Somit stellt
diese Scene dar, wie Proetus in Gegenwart der von
heftigen Seelenkämpfen gequälten Stheneboea den Belle-
rophon nach Lycien entsendet.

Bei der Scene links muss zunächst constatirt werden,
dass das von Bellerophon bekämpfte Thier kein Löwe, wie
die Beschreibungen sagen und die Zeichner von Fig. 34'.
Fig. 34". Fig. 34w/ zu sehen glaubten, sondern die Chimaera
ist. An der Löwenmähne bemerkt man deutlich die An-
sätze von den Spitzen der Ziegenhörner, auf dem Rücken
den langen Ziegenbart. Darnach wird man sich auch den
Schweif, dessen Ende durch den Puntello über dem stark
verstümmelten rechten Fuss der Virtus bezeichnet wird,
als Schlange gebildet denken dürfen. Den Löwenkopf
wendet die Chimaera, wie Fig. 34' zeigt, zu Bellerophon
empor, ganz so wie bereits auf dem Onos ('E^>. äpy. 1892
itlv. 13) und auf der Spiegelzeichnung bei Klügmann und
Körte Etruskische Spiegel V Taf. 72, wo auch der lange
Bart des Ziegenkopfes wiederkehrt. Nach Analogie dieses
Spiegels darf man weiter vermuthen, dass die beiden über
dem Rücken sichtbaren Puntelli von einer Lanze herrühren,
mit der Bellerophon das Ziegenhaupt bereits getroffen hat.
Unklar ist die Bedeutung der zwischen den Beinen des
Gefallenen angebrachten Schlange, die zwar mit der Chimaera
nicht direkt zusammenhängen kann, aber doch eine be-
stimmte Beziehung haben muss, da sie auch auf dem
melischen Relief des Britischen Museums (Müller-Wieseler,
Denkmäler der alten Kunst I Taf. 14, 5) vor der Chimaera
wiederkehrt. Doch ist es mir nicht gelungen eine be-
friedigende Erklärung für sie zu finden; denn die Echidna,
die Mutter der Chimaera, kann man sich doch kaum in
dieser Weise dargestellt denken. Mit den Vordertatzen
springt die Chimaera gegen einen gestürzten Jüngling an,
der sich mit seinem in die Chlamys gewickelten linken
Arm vor ihr zu schützen sucht, während die geballte
Rechte (Fig. 34') vermuthlich das Schwert hielt. Die leere

Scheide hängt ihm an der Seite; an den Füssen trägt er
Stiefel. Ein zweiter, gleichfalls mit der Chlamys bekleideter
Jüngling scheint dem Gestürzten zu Hilfe zu kommen. In
der erhobenen Rechten wird er die Lanze gehalten haben;
aber sicherlich ist es falsch, wenn ihn die Zeichner des
dal Pozzo Fig. 34". Fig. 34'" diese auch mit der Linken
regieren lassen. In diesen beiden Jünglingen hat man
gewiss keine Gefährten des Bellerophon, von denen die
Sage nichts weiss, sondern trotz der griechischen Tracht
Lycier zu sehen, die von der Chimaera angefallen werden.
Im Augenblick der höchsten Gefahr naht Bellerophon als
Retter. Genau so wird auf der Rückseite der Dareiosvase
und den verwandten Darstellungen der Vorgang veran-
schaulicht, nur dass dort die bedrängten Lycier asiatisches
Costüm tragen. Ueber der Chimaera erscheint Bellerophon
auf dem Pegasus, von dessen linkem Fig. 34' noch wohl
erhaltenen Flügel der Bruch an seinem Oberschenkel her-
rührt. Die Funktion des linken Armes, der, wie Fig. 34' zeigt
und der Puntello unterhalb der Schulter bestätigt, im rechten
Winkel nach unten gebogen war, ist unklar. Gewiss führte
er nicht, wie Fig. 34". Fig. 34'" angenommen ist, die Lanze,
die wir vielmehr in der erhobenen Rechten vorauszusetzen
haben. Vgl. z. B. den oben citirten etruskischen Spiegel.
Von dem Amor, der den rechten Arm erhebend vor
Bellerophon herfliegt, war schon die Rede. Zwei Oel-
bäume schliessen zu beiden Seiten die Scene ab; ein dritter
wird vor der Chimaera sichtbar.

Die Schmalseiten sind nur in der zweiten Zeichnung
des dal Pozzo Fig. 34"' erhalten, die sie ohne Trennungs-
linie mit der Vorderseite verbunden zeigt. Die linke, auf
welche der Oelbaum der Vorderseite übergegriffen zu haben
scheint, zeigt, sowohl im Anschluss an die Chimaerascene
als nach dem Vorbild der Hippolytus-Sarkophage, einen
Jagddiener in Exomis und Stiefeln, der mit der Linken
zwei Speere schultert und mit der Rechten einen ansprin-
genden Hund mühsam an der Leine zurückhält. Links
wieder ein Oelbaum. Auf der rechten Schmalseite
sind deutlich Stheneboea und Bellerophon dargestellt.
Dieser, in geschürzter Aermeltunica, langem Mantel, den
er mit der Linken gefasst hat, und Stiefeln, macht mit der
Rechten eine abweisende Geberde, jene schreitet, die Rechte
an die Wange legend, betrübt und beschämt hinweg. Der
Chiton ist ihr von der linken Schulter herabgeglitten; mit
der linken Hand fasst sie den Mantel. Rechts schliesst ein
Thorbogen die Scene ab. Wie viel der Zeichner will-
kürlich geändert oder ergänzt hat, lässt sich natürlich nicht
sagen; Bedenken erregt namentlich die Gewandung des
Bellerophon. Aber über den Sinn der Darstellung kann kein
Zweifel bestehen; es ist Bellerophon, der den Liebesantrag
der Stheneboea zurückweist.
 
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