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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,3): Einzelmythen: Niobiden - Triptolemos ungedeutet — Berlin, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.12730#0149
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TAFEL CXXXIV—CXXXV 428—430

507

Theseus zurückgewandt, macht sie mit der ausgestreckten
Rechten eine einladende Gebärde, als ob sie ihn auffordere
ihr zu folgen. Links von ihr wird im Hintergrund der be-
kränzte Kopf des Honos sichtbar. S. Purgold Archäol.
Bemerk, zu Claudian und Sidonius 30, Mise. Capitolin. 22.
Es ist also der Moment dargestellt, wo Theseus dem
Minos erklärt, den Kampf mit dem Minotaurus aufnehmen
zu wollen. Daß er dabei wie ein römischer Ritter sein
Pferd bei sich hat, findet seine Analogie auf den Achilles-
Sarkophagen II 21a. 23. 25. 25 a. 25 b. 26. 26 b. 62, wo
das Pferd ebensowenig am Platze ist. Indem aber dies
Pferd, infolge der wiederholt betonten Abhängigkeit von
den Hippolytus- und Jagdsarkophagen, als Jagdpferd ge-
dacht ist, wird nun auch Theseus selbst nach diesen Vor-
bildern, wohl mit Beziehung auf eine Liebhaberei des in
dem Sarkophage beigesetzten Toten, ganz als Jäger charak-
terisiert; wie Hippolytus, trägt er einen Jagdspeer und ist
von einem Jagdhund begleitet. Auch die Virtus ist von den
genannten Sarkophagklassen entnommen. Indem sie aber
den Theseus einladet ihr zu folgen, kommt ein Widerspruch
mit dem Gestus des Amor in die Darstellung, der ihn
nach ganz anderer Richtung weist. Und doch ist an einen
Gegensatz, wie den zwischen Mannhaftigkeit und Verliebt-
heit, nicht zu denken, da das Ziel, auf das Amor hin-
weist, das Mittel ist, um das Abenteuer, zu dem ihn
Virtus führen will, glücklich zu bestehen, die durch die
Huld der neben ihm stehenden Venus in Liebe zu ihm ent-
brannte Ariadne. Über dieser göttlichen Umgebung seines
Helden hat der Sarkophagarbeiter die athenischen Kinder,
zu deren Rettung dieser den Kampf unternimmt, ganz ver-
gessen.

Auf der linken Schmalseite Fig. 430 a zwei weitere
Trabanten des Minos, in derselben Tracht, wie der auf
der Vorderseite, jedoch mit Stiefeln. Beide tragen Speere,
der vordere hat außerdem ein Schwert an der Seite. Hin-
ter dem zweiten ist im Reliefgrund ein ovaler Schild an-
gebracht. Beide kommen hastig herangeschritten, wobei
der vorangehende mit umgewandtem Kopf und vorgestreck-
ter Rechten den folgenden zur Eile zu mahnen scheint.
Offenbar haben sie erst eben von der Ankunft des Fremd-
lings vernommen.

In der zeitlich anschließenden zweiten Szene an der
rechten Ecke der Vorder- und der anstoßenden Schmal-
seite Fig. 430b steht Theseus, wiederum mit Porträt-
zügen, aber diesmal mit der der Situation entsprechenden
Waffe, der Keule in der Linken, außerdem mit dem Schwert
an der Seite, über dem getöteten Minotaur, dessen
Leib zum größten Teil auf der Schmalseite angebracht ist.
Über Theseus' linker Schulter wird der Kopf des Mercur
sichtbar, kenntlich an dem Flügelhut, der leider auf bei-
den Photographien ganz im Schatten liegt. Theseus hat den
rechten Arm gebogen vorgestreckt, offenbar mit demselben

Gestus wie in der ersten Szene. Den Kopf wendet er
nach einem bärtigen Manne mit Glatze um, der den rech-
ten Arm vertraulich um seinen Rücken legt und durch die
Exomis als Handwerker bezeichnet ist. Es ist Dädalus,
der Ariadne das rettende Knäuel gegeben hat1) und den
Theseus zum Dank mit nach Athen zurücknimmt2). Er
mahnt über die Leiche des Minotaurus hinwegsteigend zu
schneller Abfahrt. Zu dieser Gruppe steht in engster Be-
ziehung Ariadne, die ihren Platz am rechten Ende der
Schmalseite erhalten hat, ganz in ihren Mantel gehüllt, den
sie auch über den Hinterkopf gezogen hat, den rechten
Zeigefinger nachdenklich ans Kinn legend. Der Raum zwi-
schen Ariadne und Dädalus wird durch zwei Trabanten des
Minos gefüllt, die nach links eilen, wohl um den toten Mino-
taurus und seinen Überwinder anzustaunen. Dabei sieht
sich der zweite, der einen Vollbart und lockiges Haar hat,
nach Ariadne um. Sie haben dieselbe Tracht wie die Tra-
banten auf der andern Schmalseite und halten wie diese
Speere. Von der männlichen Figur, die dem Theseus auf
der Vorderseite Fig. 430 gegenübersteht, sind nur die Beine
und die um den Schwertgriff gelegte linke Hand (über dem
r. Arme der schlafenden Ariadne aus der dritten Szene) er-
halten. Da die Tracht mit der des Trabanten an der linken
Ecke fast genau übereinstimmt, hat der Ergänzer sich diesen
zum Vorbild genommen und damit das Richtige getroffen
Fig. 430'. Unrichtig hingegen ist es, daß er in die Lücke
zwischen diesem Trabanten und Theseus die Köpfe des
Honos und der Minerva aus der ersten Szene, diesen nach
der andern Seite gewandt und auf einen ungeschickt er-
gänzten Oberkörper aufgesetzt, eingeschoben hat. Denn
hierher gehören vielmehr zwei der von ihm nicht verwand-
ten und jetzt verschollenen Fragmente, ein in hohem Relief
ausgeführter nach rechts gewandter bärtiger Kopf, darunter
die vom Gewand bedeckte Brust3), und eine erhobene
rechte Hand, gleichfalls mit Gewandresten. Ohne Zweifel
rühren sie von Minos her, der über den Sieg des Theseus
erstaunt die rechte Hand erhob4). Von dem Gewand, das
von seinem rechten Arme herabfiel, ist noch ein Stück
unter dem rechten Arme der Ariadne zu erkennen.

') Pherekydes fr. 106 (Schol. Od. X 320, II. AB 2 590); danach Apol-
lod. Epit. I 1, 8, Hygin fab. 42, Serv. Aen. VI 14, Schol. Stat. Theb.
XII 676 (daraus Schol. Stat. Achill. 192, Schol. Lucan. II 612, Myth.Vatic.
I 43- 11 I24)-

") Hygin fab. 40 Theseus cum Minotaurum occidit Daedalum Athcnas
in patriam suam reduxit.

3) Von mir früher irrtümlich den Trabanten zugeschrieben.

4) Theseus vor Minos nach der Tötung des Minotauros ist auch auf einer
etruskischen Urne (G. Körte Um. etr. II tav. XXXII 4) und einem etrus-
kischen Spiegel (Strena Heibig. S. 165) dargestellt. Auf der Urne steht
Ariadne hinter ihrem Vater, auf dem Spiegel, wo Theseus irrtümlich als
Herakles bezeichnet und deshalb mit Löwenhaut und Bogen ausgestattet
ist, neben ihrem Geliebten, ganz verhüllt wie Fig. 430 b; außerdem sind
dort noch Minerva und infolge des erwähnten Mißverständnisses des
Künstlers Iolaus zugegen.
 
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