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Aubert, Andreas; Kern, Guido Josef [Hrsg.]; Friedrich, Caspar David [Ill.]
Caspar David Friedrich, "Gott, Freiheit, Vaterland" — Berlin: Cassirer, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.62657#0010
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Künstler", der „Kunstchronik" und an anderen Orten erschienen sind, sollten noch eine wesent-
liche Ergänzung oder Umarbeitung erfahren. Nur ein kurzes Kapitel bezeichnete Aubert selbst,
wenige Monate vor seinem Tode, als „nahezu druckreif". Es ist das Kapitel über Friedrichs
patriotische Bilder, das hier zum ersten Male ganz zum Abdruck gelangt, und das sein Verfasser
für die vorliegende, ebenfalls von ihm geplante „Friedrich-Mappe" als Begleittext ausersehen
hatte. Der Aufsatz behandelt ein von der Friedrich-Forschung bisher vernachlässigtes Gebiet:
das Verhältnis des Malers zu dem deutschen Patrioten und beider Stellung zur deutschen
Romantik. Die Überschrift des Abschnittes „Gott, Freiheit und Vaterland" bekundet als
weithin sichtbares Zeichen die Absicht des Verfassers, der historischen Karikatur des Meisters,
die sich in den letzten Jahren durch die Betriebsamkeit einer voreiligen Kritik gebildet hatte,
den „echten, unverfälschten Friedrich" entgegenzustellen.
Jeder Versuch einer solchen resrirmio in integrum mußte zu einer Untersuchung der
allgemeinen Zustände in Politik und Kultur führen, die zu Beginn der Freiheitskriege im
größeren Deutschland herrschten. Für einen weitausschauenden und historisch geschulten
Forscher wie Aubert gab es keine andere Möglichkeit, als mit der Untersuchung dieser Ver-
hältnisse zu beginnen. So erwuchs ihm der Held aus der Zeit und ihrer großen Not, im
Zusammenspiel mit den gewaltigen Kräften, die zur Befreiung Deutschlands führten. Aus
dem stillen, versonnenen Greifswalder Träumer wurde ein Priester, ein politischer Führer des
Volkes. Die Bewegung, die mit dem Sturz Napoleons endete, begann mit Konventikeln
deutscher Dichter und Maler! Friedrich steht im Zentrum dieses Kreises, dicht neben Körner
und Arndt, ja mehr als dies: Der bildende Künstler, dessen Kunstmittel an Ausdrucksfähig-
keit weit hinter dem gesprochenen und geschriebenen Wort zurückbleiben, wird zu einem der
vornehmsten Träger des neuen politischen Ideals und der neuen nationalen Kultur. Und da-
bei bleibt Friedrich ein echter Maler.
Die Annäherung der deutschen Kunstfreunde an Friedrich, die sich nach der Jahrhundert-
Ausstellung vollzog, geschah infolge des lebendigen Anteils der Öffentlichkeit an den Fragen,
die die Entstehung, das Wesen und die Ansprüche des Impressionismus betrafen. Schon als
Lichtwark, mit Hilfe Auberts, Bilder wie den „Sturzacker" ans Tageslicht zog, lenkte Friedrich
aller Augen durch die Farbe seiner Bilder auf sich. Im ganzen Werk Constables, hieß es
zu Recht, sei dem Violett dieses Ackers nichts zu vergleichen. Daß diese Bewunderung, der
die Jahrhundert-Ausstellung neue Nahrung zuführte, zu falschen Schlüssen und schließlich dazu
führen mußte, Friedrich zu einem Vorläufer der französischen Impressionisten zu stempeln,
kann nicht befremden. Seit jener Zeit hat die moderne Kunst eine große Wandelung durch-
gemacht und wieder den Weg zur Romantik eingeschlagen. Das Urteil über Friedrich ist
ruhiger geworden und vor allem historischer. Heute denkt im Ernst niemand mehr daran,
Friedrich nur noch wegen seiner Farben gelten zu lassen, der rückblickenden Betrachtung er-
scheint vielmehr seine Zeichnung nicht minder bedeutsam und neu als sein Kolorit. Zeichnung
und Farbe waren aber für Friedrich doch nur Mittel des Ausdrucks; das Entscheidende ist
seine neue Auffassung vom Wesen und von den Aufgaben der Landschaftsmalerei.
Friedrich war der erste deutsche Maler, der für die Landschaft eine Seele forderte und

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