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zuwarten gedachte. Während wir nun in: Schiffwirthshause beim
Kaffee faßen, betrachtete unser Kutscher mit einer brennenden
Cigarre im Munde ganz gemächlich das nahe Lagerhaus —
indem er von Zeit zu Zeit einen Schritt vorwärts that, ohne
die leiseste Gefahr zu ahnen. Im Rücken hatte er freilich einen
Gardisten, der aber gab keinen Laut von sich, und drüben am
Lagerhause hieng freilich eine Warnungstafel, aber wer hätte
SperberaiWn genug gehabt, um auf solche Entfernung einen
Buchstaben zu erkennen? Der gute Kutscher that noch einen
Schritt, und es war geschehen — er stand im verbotenen
Bereiche, und der stumme Wächter forderte ihm mit dienst-
pflichtiger Trockenheit das Strafgeld ab. ' So fängt man in
Schafhausen die Fremden.
Bis nun das Dampfschiff abgehen würde, statteten wir den:
kaiserlichen Historiographen Hurter, welcher gerade in feiner
alten Heimath weilte, unfern Besuch ab. Der einfache, lebhafte
und freundliche Mann mit feinem hellblauen Augenpaare machte
einen unerwarteten Eindruck auf mich; denn ich hatte mir den-
selben ganz anders vorgestellt, wie's gewöhnlich bei Gelehrten der
Fall ist, von deren äußerer Persönlichkeit man sich aus ihren
Schriften eine Vorstellung gebildet.
Er erhielt während unserer Anwesenheit eben einen Druck-
bogen feines Ferdinand II, und hieran knüpfte sich zwischen
ihm und uns ein Gespräch über die s. g. geistreiche Geschicht-
schreibung, welche wir als verdächtig hinzustellen nicht unter-
lassen konnten. Nur zu viele Geschichtswerke erscheinen und er-
schienen von jeher, deren Darstellungen geistreicher als wahr-
sind. Zur ächten Geschichtschreibung gehört ein Etwas, welches
nicht erworben wird, sondern eine Gabe der Geburt ist. Dieses
Etwas aber läßt keine glänzenden Combinationen und Schil-
derungen aus Kosten der Wahrheit zu.
Nach unserer Verabschiedung von Hurter verabschiedete
sich auch der Freund von mir, um bei Zeiten wieder heim zu
gelangen. Ich aber begab mich an den Rheinhafen, wo
das Konstanzer Schiff sich 'zur Abfahrt rüstete. Während dessen
jedoch zogen Gewitterwolken über das Rheinthal einher und nach
zuwarten gedachte. Während wir nun in: Schiffwirthshause beim
Kaffee faßen, betrachtete unser Kutscher mit einer brennenden
Cigarre im Munde ganz gemächlich das nahe Lagerhaus —
indem er von Zeit zu Zeit einen Schritt vorwärts that, ohne
die leiseste Gefahr zu ahnen. Im Rücken hatte er freilich einen
Gardisten, der aber gab keinen Laut von sich, und drüben am
Lagerhause hieng freilich eine Warnungstafel, aber wer hätte
SperberaiWn genug gehabt, um auf solche Entfernung einen
Buchstaben zu erkennen? Der gute Kutscher that noch einen
Schritt, und es war geschehen — er stand im verbotenen
Bereiche, und der stumme Wächter forderte ihm mit dienst-
pflichtiger Trockenheit das Strafgeld ab. ' So fängt man in
Schafhausen die Fremden.
Bis nun das Dampfschiff abgehen würde, statteten wir den:
kaiserlichen Historiographen Hurter, welcher gerade in feiner
alten Heimath weilte, unfern Besuch ab. Der einfache, lebhafte
und freundliche Mann mit feinem hellblauen Augenpaare machte
einen unerwarteten Eindruck auf mich; denn ich hatte mir den-
selben ganz anders vorgestellt, wie's gewöhnlich bei Gelehrten der
Fall ist, von deren äußerer Persönlichkeit man sich aus ihren
Schriften eine Vorstellung gebildet.
Er erhielt während unserer Anwesenheit eben einen Druck-
bogen feines Ferdinand II, und hieran knüpfte sich zwischen
ihm und uns ein Gespräch über die s. g. geistreiche Geschicht-
schreibung, welche wir als verdächtig hinzustellen nicht unter-
lassen konnten. Nur zu viele Geschichtswerke erscheinen und er-
schienen von jeher, deren Darstellungen geistreicher als wahr-
sind. Zur ächten Geschichtschreibung gehört ein Etwas, welches
nicht erworben wird, sondern eine Gabe der Geburt ist. Dieses
Etwas aber läßt keine glänzenden Combinationen und Schil-
derungen aus Kosten der Wahrheit zu.
Nach unserer Verabschiedung von Hurter verabschiedete
sich auch der Freund von mir, um bei Zeiten wieder heim zu
gelangen. Ich aber begab mich an den Rheinhafen, wo
das Konstanzer Schiff sich 'zur Abfahrt rüstete. Während dessen
jedoch zogen Gewitterwolken über das Rheinthal einher und nach