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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 23.1967

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Nierhaus, Rolf: Römische Straßenverbindungen durch den Schwarzwald
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https://doi.org/10.11588/diglit.44899#0131
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Römische Straßenverbindungen durch den Schwarzwald

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bezeugt und daß er somit beweist — was ohne sein Vorhandensein nur mit einiger Wahr-
scheinlichkeit hätte vermutet werden können —, daß die Strecke gleich anläßlich der ersten
Erschließung des Schwarzwalds durch Rom 73/74 n. Chr., als im oberrheinischen und nord-
westschweizerischen Raume für kürzere Zeit die ungewöhnlich hohe Streitmacht von fünf
Legionen und zusätzlich von Hilfstruppeneinheiten in unbekannter Höhe konzentriert
waren, als eine ausgesprochene Militärstraße von den Truppen gebaut worden ist7).
Umgekehrt sind im Bereich keiner einzigen anderen ,alten' Straße, die den Schwarzwald
durchquert, römische Funde beobachtet worden, von dem Münzfund von Furtwangen ab-
gesehen (vgl. unten S. 137 f.). Die betreffenden Straßen — darunter z. B. die immer wieder
als römisch in Anspruch genommene West-Ost-Verbindung von der Freiburger Bucht durch
das Höllental (oder nördlich davon) in die Baar etwa zwischen Villingen und Donau-
eschingen — erweisen sich somit eindeutig als nachrömischer Zeitstellung, also als mittelal-
terlich oder frühneuzeitlich. Einzelheiten siehe in Abschnitt II.
Nun könnte man zu diesem letzten Punkte den Einwand machen, daß der Mangel an
römerzeitlichen Funden längs der anderen (außer der Kinzigtalstraße) als römisch in
Betracht gezogenen ,alten' Schwarzwaldstraßen auf einer Forschungslücke beruhe. In dem
weithin mit Wald und Wiesen bedeckten Gebirge finden Eingriffe in den Boden natur-
gemäß ungleich seltener statt als in den tiefer gelegenen und dichter besiedelten Industrie-
und Ackerbaulandschaften; demgemäß ist die Quote des in einem bestimmten Zeiträume
zu erwartenden archäologischen Fundanfalls in jenem ungleich geringer als in diesen, so
daß eine Forschungslücke im Gebirge nichts Erstaunliches wäre. Die günstigen Fundver-
hältnisse längs der Kinzigtalstraße ließen sich einigermaßen mit den relativ günstigen
Fundbedingungen in dem einzigen breiteren Tal, das in den Schwarzwald einschneidet,
erklären. Dürfen demgemäß aus dem Fehlen von römerzeitlichen Funden längs ,alter'
Straßen durch den Schwarzwald, also aus einem argumentum e silentio, wirklich so weit-
reichende Schlüsse hinsichtlich der Datierung dieser Straßen gezogen werden, wie es hier
geschieht?
Diese Frage kann seit den großen militärischen Bauarbeiten im Schwarzwald im Zuge der
Erstellung des Westwalls zwischen 1938 und 1940 getrost bejaht werden. Es versteht sich,
daß zuerst auf Verlangen der militärischen Baubehörden aus Sicherheitsgründen, darauf
in den ersten Jahren nach Kriegsende wegen der Empfindlichkeit der damaligen franzö-
sischen Besatzungsmacht, in deren Bereich die „Badischen Fundberichte“ erschienen, über
diese Dinge nur knapp und farblos und ohne Angaben von Einzelheiten in den Bänden 16
(1940), 17 (1941—1947) und 18 (1948—1950) der „Badischen Fundberichte“ referiert
werden konnte. Tatsächlich wurden im Schwarzwald seit Mitte 1938 bis zum Sommer
1940 (Ende des Frankreichfeldzugs) durch Erstellung von Sperrbunkern an Straßen, Ver-
breiterung oder Verlegung bestehender Straßen und nicht zuletzt durch Ausschachtung von
zahllosen, durchschnittlich 1,80 m tiefen Kabelgräben zur Aufnahme von Telephonleitun-
gen Einblicke in den Boden in einem Umfang gewährt wie niemals zuvor und danach bis
heute nicht. Bunkerbauten wie Straßenverbesserungsarbeiten konzentrierten sich — in
einem Gebirge kaum anders möglich — an den militärisch am meisten gefährdeten Stellen:
') Zum militärischen Charakter der Römerstraße durch das Kinzigtal eingehend Schleiermacher
a. a. O. Zur Beurteilung des Feldzugs von 73/74 n. Chr. zuletzt Nesselhauf 1960, 160 ff.
 
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