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Badische Kunst: Jahrbuch d. Vereinigung Heimatliche Kunstpflege, Karlsruhe — 2.1904

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Schmitthenner, Adolf: Die sieben Wochentage
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https://doi.org/10.11588/diglit.52693#0046
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38

Ein wunderbar mildes Licht erfüllte den Raum. Und sie sahen in ihrer Mitte ein Mägdlein knien.
Sie hob flehend die Hände, und aus ihrem linken Auge strahlte das wonnesame friedevolle Leuchten.
Freitag, Sternenlicht im Haus! riefen die Geschwister eines Mundes und faßten die Hände ihrer
Schwester und küßten ihre Wangen, und der fahrende Schüler lag auf dem Boden und weinte.
Prinzessin Abendschön war ganz verwirrt und verstört. Da führten die Geschwister sie und
den zitternden Gelehrten hinaus ins Sonnenlicht und zeigten ihre Merkmale, und Donnerstag
und Freitag erkannten ihre Brüder und Schwestern und freuten sich sehr.
Gegen Abend standen die sechs Geschwister mit verschlungenen Armen auf dem Balkon des
Schlosses und schauten dem Sonnenuntergänge zu.
Sieben Geschwister sind sich hold,
fing der König an. Und nun sagte jedes seine Zeile.
Sonntag: Fingerlein von Gold.
Montag: Öhrlein silberblau.
Dienstag: Zehe eisengrau.
Mittwoch: Hahn im Neste sitzt.
Donnerstag: Hüte dich, es blitzt.
Freitag: Sternenlicht im Haus.
Als sie soweit waren, sagte Mittwoch: Das Lied ist noch nicht zu Ende. Auf Deine Zeile,
Schwester Freitag, fehlt noch der Reim. Wir waren sieben und sind nur zu sechst.
O ich weiß, ich weiß, rief Freitag. Ihr Brüder und Schwestern, lasset uns eilen, daß wir
unsern Bruder Samstag retten, ich habe sehr übel an ihm getan.
Als die Geschwister sie bestürmten, erzählte sie also:
Eine Nacht bin ich im Schlosse, und gestern nacht lag ich auf der Wiese. Vorgestern war
es. Ich wollte gerade zu Dir reisen, lieber Bruder Mittwoch, um Dich durch meinen Blick
zu heilen von Deiner Krankheit, ich saß in meinem goldenen Wagen und fuhr die Straße hin.
Da begegnete mir ein Mann, der sang: Sieben Geschwister sind sich hold. Aus seinem
Munde habe ich die Worte.
Und aus dem Deinigen habe ich sie, sagte Dienstag.
So warst Du der nächtliche Sänger, fügte Mittwoch hinzu.
Und durch Deine Botschaft haben wir die Worte gehört, sagten die beiden Frauen.
Und ich aus Deinem Munde, beschloß Donnerstag.
Ich aber aus dem Munde eines Straßenkehrers, fing Freitag wieder an.
Wo ist er? riefen die andern.
Da seufzte die jugendliche Schwester tief auf. Ihr werdet es hören.
Wir begegneten uns in einer großen Staubwolke und redeten zusammen. Er sagte mir, daß er
Samstag heiße und sieben Geschwister hätte, die seien in den Wald gegangen, aber sie wollten
sich wieder treffen unter der hohen Eiche auf der runden Wiese.
 
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