DIE KUR SKIZZE VON MAX BITTRICH
ie am sechsten und siebenten Buch Moses, so hing man in Klettbach an den
sieben Himmelsriegeln, und als der Typhus in das Dorf zog, brachte man die
alten Schwarten mit den Zauberstücklein sogar dem Pfarrer: er möge sie weihen,
damit alle Teufel, Geister und Gespenster vor dem Eigentümer des Buches um
so sichererer Reißaus nehmen. Der Pfarrer, schnell entschlossen, warf sie ins
Feuer, die Himmelsriegel. Nur ein Besitzer dünkte sich noch klüger als der Pfarrer: der
Bärenecklebauer. Er schob sein Buch unter den Rock und ging damit heim. Auch steckte er
es, wie er stets in Zeiten der Krankheit getan, unter das Kopfkissen, als Hitze und Fieber
ihn ins Bett jagten. Der Typhus hatte ihn nicht verschont.
Seine Familie war sich sofort, wie die der kranken Nachbarn, über das allein zur Gesundheit
führende Mittel im klaren: nur keinem Arzt mit neuen Moden folgen, sondern sich des
Genusses des Wassers enthalten! Das hatte noch allemal zum Ziele geführt! Nur fest bleiben
mußte man; überstanden werden mußte das Verlangen, ob auch Zunge und Gaumen und der
ganze Mensch nach Erquickung lechzten; besiegen können mußte der Kranke seinen Wunsch,
dem heißen Körper einen Schluck klaren, frischen Wassers zuzuführen!
Daneben redeten sie den Schmerzen gut zu, fortzugehen, — den laufenden, stechenden, raffen-
den, habenden, kalten, hitzigen Haupt-, Hirn-, Fleisch-, Blut-, und Markschmerzen, wie das
Buch sagte. Allein die Schmerzen schwanden nicht und peinigten den Bärenecklebauer Tag
und Nacht, und sobald er im Fieber nach Wasser zu rufen begann, freuten sich ihrer Weisheit,
die ihn so treu behüteten. Ha jo, was so ein Kranker nicht alles fertig bekommen würde!
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