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Badische Kunst: Jahrbuch d. Vereinigung Heimatliche Kunstpflege, Karlsruhe — 3.1905

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Grohé, Oskar: Hugo Wolfs Mannheimer Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.52694#0087
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müßten zum Teil für eine Singstimme und Orchester gedacht sein, so war ich überzeugt,
daß Wolf solche Stücke besitze.
Meine Vermutung bestätigte sich und ich hoffte, den Mitgliedern des Wagner-Vereins durch
Vorführung einiger Orchester-Lieder Wolfs eine ganz besondere Überraschung zu bereiten.
Bevor ich Wolfs Schöpfungen kennen gelernt hatte, war im modernen Lied Peter Cornelius
mein Ideal und ich glaubte damals, als ich nur erst einen flüchtigen Einblick in Wolfs Schaffen
gewonnen hatte, eine besonders hohe Wertschätzung auszusprechen, wenn ich einem Freunde
enthusiastisch meldete, ein neuer „Cornelius nepos“ sei erstanden, was mir allerdings die wenig
ermutigende Antwort eintrug, ich möge doch zusehen, ob es sich nicht etwa um einen
Cornelius Voß handle! Der oben erwähnte schöne Plan, welcher unter Mitwirkung Planks
zur Ausführung kommen sollte, ist leider infolge mannigfacher Hemmnisse gescheitert. Er hat
aber doch insofern für Wolf Früchte getragen, als seine mir von ihm übersandten Lieder- und
Orchester-Partituren das starke Interesse Weingartners erregten, der sogleich den Entschluß
kundgab, eines oder das andere seiner Werke in Mannheim zur Aufführung zu bringen. Dies
war nun wieder für Wolf ein mächtiger Antrieb, bei Gelegenheit seiner Reise nach München
und Heidelberg das „freundliche Mannheim“ aufzusuchen. Am 18. Oktober 1890 kam er
daselbst an. Sofort eilte er in Weingartners Behausung. Dort traf ich die beiden Künstler in
eifriger Unterhaltung, den großen, schlanken Kapellmeister und den kleinen, zartgliedrigen, be-
weglichen Komponisten mit glühenden Augen. Sie hatten Gefallen an einander gefunden und
nach lebhaften Debatten versuchten sie sich vierhändig am „Don Juan“ von Richard Strauß,
der gerade frisch erschienen war. Das Interesse Wolfs an diesem Werke war nicht groß und
der unruhige Baß schien ihm, dem geübten Klavierspieler, Schwierigkeiten zu machen. Bald
wurde abgebrochen, aber sofort eine neue Zusammenkunft verabredet. Dieselbe fand in meiner
Wohnung statt, wohin Wolf auf mein Drängen aus dem Hotel übergesiedelt war. Es lag ihm
an, Weingartner und mich in seine spanischen Gesänge einzuführen, welche er im Manuskript
mitgebracht hatte.
In tiefster Ergriffenheit lauschten wir den neuen, eigenartigen Weisen, welche bald leidvoll
bewegt, bald jubelnd erklangen. Wunderbar war sein Klavierspiel und, so tonlos auch seine
Stimme war, ihr Ausdruck drang bis ins Innerste. Unermüdlich spielte und sang der Meister
am Flügel. Ich glaube, er hätte wohl mit dem 44. Lied abgeschlossen, wäre nicht Wein-
gartner plötzlich aufgesprungen und hätte sich an den Kopf gegriffen, weil er über die ihn
überwältigende Fülle der Eindrücke nicht mehr Herr zu werden vermochte. Auch ich war
froh, als Wolf endigte, und lange noch konnte keiner von uns ein Wort hervorbringen vor
innerer Erregung. Wir hatten in eine neue Welt geblickt. In diesen Tagen wohnte Wolf auch
einer von Weingartner dirigierten Vorstellung des Wagner’schen „Tannhäuser“ im Hoftheater bei.
Wie trunken verließ er am Schluß seine Loge, ganz hingenommen von dem Zauber dieses Werks.
Hätte ich ihm nicht hilfreich seine Garderobe gereicht, er würde Mantel und Hut im Stich
gelassen haben. Damals äußerte er, wenn er eine Wagner’sche Oper höre, so sei er allemal

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