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Falke, Otto von; Hermann Ball <Berlin> [Editor]
Die Sammlung C. Castiglioni, Wien: Gemälde, Skulpturen, Möbel, Keramik, Textilien ; [Versteigerung Freitag, den 28. November 1930 und Sonnabend, den 29. November 1930] — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.1487#0009
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DIE KUNSTGEWERBLICHEN BESTÄNDE

dieses Katalogs gehörten zu der Ausstattung des weiträumigen Wiener Palais, das sich der
Sammler E. Miller von Aichholz für seine Kunstschätze errichtet hatte und das später mit
der Einrichtung von Camino Castiglioni erworben wurde. Da die Sammlung Miller von
Aichholz vorwiegend auf die italienische Renaissance eingestellt war, liegt das Schwergewicht
der vorliegenden Sammlung, wras das Kunstgewerbe betrifft, auf den italienischen Nußholz-
möbeln der Renaissance und auch des 17. Jahrhunderts, soweit die Barockzeit noch in der
Konstruktion und den Grundformen der Tische, Sitzmöbel, Truhen und Schrankmöbel an
der Tradition des 16. Jahrhunderts festgehalten hat. Es ist ein seltenes Ereignis, daß jetzt,
nachdem Amerika den greifbaren Bestand alter Möbel aus Italien mehr und mehr aufgesogen
hat, noch eine so vielseitige Sammlung gut erhaltener Möbel dieser Art auf den Markt gelangt.
Es überrascht namentlich die beträchtliche Zahl der vielbegehrten Tische aus massivem
Nußholz, unter denen die verschiedenen Typen der monumentalen Langtische (Nr. 194,
Tafel 60; 194a; 195,Tafel 60; 197,Tafel 62), sowohl in reicher wie in einfacher Ausführung,
und der runden oder achteckigen Tische mit verschiedenartigen Lösungen des zentralen
Unterbaues (Nr. 166, Tafel 65; 182, 200, Tafel 64) vertreten sind. Sehr bemerkenswert ist
unter den letzteren der wahrscheinlich ligurische Tisch, dessen Fuß und Deckplatte aus einem
Quadrat in eine Rundplatte zu verwandeln sind (Nr. 196, Tafel 61); ein seltener Typus ist
auch der spanische Schreibtisch (Nr. 241), dessen Deckel zu öffnen ist, um die Schreibplatte
freizugeben.

Die Truhen, vorwiegend schlichter Art, beginnen mit einem gotischen Exemplar des 15. Jahr-
hunderts aus Norditalien (Nr. 148, Tafel 81), dessen Schauseiten mit geschnitzten Maßwerk-
rosen verziert sind; wenig jünger ist die lombardische Truhe (Nr. 146, Tafel 51) mit der
mittelalterlichen Holzmosaikverzierung, deren Gegenstück sich im Kaiser-Friedrich-Museum
befindet. Von einer gleichzeitigen, ebenfalls norditalienischen Truhe stammen auch die beiden
Truhenfüllungen aus Verona (Nr. 150, Tafel 51) mit hervorragend schöner heraldischer
Schnitzerei.

Die monumentale Gestaltung der italienischen Sitzmöbel wird durch die vornehme Florentiner
Cassapanca der Hochrenaissance (Nr. 161, Tafel 54), die Bank von 1560 mit dem eingelegten
Wappen der Chigi (Nr. 159, Tafel 5 4) und durch die beiden dreiseitigen Bänke eines mittel-
alterlichen Chorgestühles der Frührenaissance (Nr. 149, Tafel 52) veranschaulicht. Daran
schließt sich die lange Serie der Lehnstühle mit Bezügen aus Leder und alten Samtstoffen,
deren streng rechtwinklige Konstruktion noch weit in das 17. Jahrhundert hinein vorherrschend
geblieben ist. Als nicht italienische Exemplare gleicher Konstruktion sind der elegante, schlanke
Lehnstuhl französischer Arbeit (Nr. 228, Tafel 59) und der seltene Lehnstuhl aus der West-
schweiz (Nr. 257, Tafel 59) zu beachten, dessen kraftvoll-üppige Schnitzerei sich bis auf die
Rückseite der Lehne erstreckt.
 
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