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Bartholomae, Christian [Hrsg.]
Die Universität Heidelberg ihren Toten des großen Kriegs zum Gedächtnis: 16. Juli 1919 ; [Akademische Trauerfeier in der Universitätskirche] — [Heidelberg], [1919]

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https://doi.org/10.11588/diglit.4274#0009
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Zwang dieses Schicksals sich gestaltete, worin eigentlich in diesem Kriege, seinem
Ursprung, Verlauf und Ausgang die unerhörte Lage der Deutschen begriffen war. Das
Volk der Mitte zog, um sich der Bedrohung von allen Seiten zu erwehren, in gerechter
Verteidigung hinaus, und musste nun, Verteidigung in Angriff wandelnd, der Ueber-
macht mit jeglichem Mittel der Notwehr begegnend, die tödliche Erwürgung mit immer
gewaltsamerer Ueberbietung der Abwehrmittel zu durchbrechen suchend, im weiten
Umkreis der Welt als Eroberer oder gar als Zerstörer erscheinen. Es stand um uns,
wie Perikles von den Athenern im peloponnesischen Kriege pries: „Sehet nur: jene
wagen nur alle zumal, nicht jeder für sich, den Angriff auf unser Land, während wir
selber nur mit einem Teile unserer Kräfte die Gegner in ihrem Lande aufsuchen und
das Feld behaupten." Aber am Ende mussten doch die Sieger von vier Jahren, in
einem Umschwung weniger Wochen, der wachsenden Ueberlegenheit draussen und einer
wachsenden Ermattung von innen weichen, und sobald erst ihr Atem einmal aussetzte,
schlug das Riesenmass unserer Ueberanstrengung in einen Zusammenbruch von den gleichen
Dimensionen um. Während sie im Grunde immer um ihre nackte Existenz rang, war die
Nation der Welt im Bilde eines neuen Napoleon, eines Feindes des Menschengeschlechtes
erschienen, und als ihre Kräfte zu versagen begannen, ergriff der feindliche Vernich-
tungswille, den wir zu durchbrechen versucht hatten, wirklich die innersten Grundlagen
dieser Existenz. So hoch wir uns erhoben hatten, ebenso tief warf uns das Verhängnis
hinab. Denn der Hass der Feinde, ohnmächtig in den Kriegsjahren, von der Angst
vor unserer offenbarten Grösse zum Aeussersten aufgepeitscht, ging jetzt daran, nach
dem Ausmass eben dieser Grösse seine Rache zu kühlen, an unserem Staate, an der
Ehre und der Zukunft unseres Volkes.

Also hat dieser Ausgang alle Dinge in das Gegenteil ihres Sinnes verkehrt. Als
Geschlagene gedenken wir derer, die für uns siegten: als Schuldiggesprochene derer,
die im Bewusstsein unseres Rechtes in den Tod gingen: und als die Ueberlebenden
preisen wir diejenigen glücklich, deren Los sie solchem Ausgang für immer entrückt hat.

Als Glückliche, so stehen sie alle noch vor uns, die Generation dieser Toten, in
sonniger Höhe über der Gegenwart, ihr heute fast fremd geworden und menschlich doch noch
so nahe. Aus der Ferne gesehen, erscheint die Studentenschaft, die vor fünf Jahren
hinauszog, in dem einheitlichen Bilde des Kämpfers fürs Vaterland, sie war auch inner-
lichst auf diesen einen klingenden Ton gestellt; aber sie trug darum doch nicht ein
einheitliches Gepräge, vielmehr war sie ein Abbild des ganzen reichen Aufstiegs deut-
scher Jugend vor dem Kriege, der Jugend mit allen ihren durcheinanderwogenden hellen
 
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