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Bauer, Heinrich; Höhn, Heinrich; Bauer, Heinrich [Editor]; Höhn, Heinrich [Editor]
Das Albrecht-Dürer-Haus in Nürnberg und seine Wiederherstellung im Dürer-Gedächtnisjahr 1928 — Nürnberg: Selbstverlag der Albrecht-Dürer-Haus-Stiftung, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.69989#0016
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4. Der Zustand der Inneneinrichtung und der Sammlungen bis Frühjahr 4928.

Die Wiederherstellung des Albrecht-Dürer-Hauseö konnte nicht darauf beschränkt bleiben, daß
man den Bau selbst nach den Grundsätzen moderner Denkmalpflege wieder herrichtete und in einen
würdigen Zustand versetzte: auch die Inneneinrichtung und die Sammlungen des Hauses
bedurften dringend der Besserung, der Umgestaltung und der Belebung.
Nachdem schon Heideloff, der bekannte Architekt der Romantik, nach der Erwerbung des
Dürer-Hauses durch die Stadt im Jahre 4825, den Bau erneuert hatte, begann vom Jahre 4884
ab die abermalige Wiederherstellung und zugleich die Neueinrichtung des Gebäudes durch Professor
Friedrich Wanderer. Er teilte die großen Gemächer im ersten und zweiten Stock dadurch, daß er
Zwischenwände einzog, in zwei Räume. Die Stuckdecken ließ er beseitigen und die alten schönen Holz-
decken sreilegen und manche neugotische Zutat Heidelosss entfernen. Die V-ohnräume des ersten
Stockes richtete er mit Kopien nach Möbeln aus Dürers Zeit, mit hölzernen Hängeleuchtern, die nach
Dürerschen Zeichnungen neu geschnitzt waren, mit neuen Glasmalereien nach Holzschnitten und
Stichen des Meisters und mit allerlei Gebrauchsgegenständen etwa im Geschmack der Dürerzeit
ein. Selbst ein Spiegel in neuer Ausführung, in der Art jener Epoche konvex gewölbt, allerlei
Kästchen zum Hausgebrauch und der — Spinnrocken der Frau Dürer durften nicht fehlen.
Aus diese TAeise suchte er den Eindruck in jeder Weise zu erwecken, als ob Dürer so und nicht
anders gewohnt habe und von solchem Hausrat und Zierwerk umgeben gewesen sei. Es ist aber
zuzugeben, daß diese Täuschung, die man so den Besuchern des Hauses und — im Grunde auch
sich selbst unter manchem Beifall bereitete, mit vielem Eifer durchgeführt wurde und daß in all
diesem Bestreben, Dürers Behausung im einstigen Zustand wiedererstehen zu lasten, viel Pietät
und Liebe sich bekundete. Selbst das plumpe neugeschnitzte Drachenungetüm, das man damals als
Beleuchtungskörper im Erdgeschoß aufhängte, selbst der neu angefertigte Stollenschrank rhei-
nischer Form, nach Dürerschen Schmuckmotiven geziert, den man im Wohnzimmer dieses doch echt
nürnbergischen Hauses aufstellte, und selbst die Teller aus dem 48. Jahrhundert, mit denen man
in der Folge die Küche glaubte zieren zu sollen, brauchen uns in unserer Anerkennung der guten
Absichten Wanderers und seines sicheren dekorativen Geschmackes nicht zu hindern. Freilich werden wir
heute die innere Berechtigung seiner Neugestaltung der Einrichtung nicht mehr anerkennen können.
Für die Sammlungen des Dürerhauses betrieb er — mit Recht — die Erwerbung von
originalen Holzschnitten und Stichen Dürers. Allerdings wurde manches Blatt erworben, das
den strengeren heutigen Ansprüchen an tadelfreie Druckqualität und Erhaltung nicht entspricht. Die
Originale und die Reproduktionen nach Dürerschen Graphiken und Gemälden brachte Wanderer in
TAandrahmen und in hohen verglasten Eichenholzgestellen unter. Er folgte in der Anordnung der Re-
produktionen insofern recht guten Gedanken, als er häufig Entwurf und Ausführung der betreffen-
den Arbeiten Dürers nebeneinanderstellte und auch gewisse Gruppen nach thematischen Gesichts-
punkten schuf. Leider bot er etwas viel Material und darunter Dinge, die wir nach dem heutigen
Stande der Dürerforschung dem Meister nicht mehr zuzuschreiben vermögen. Auch befanden stch
unter den Reproduktionen und Photographien eine Anzahl schlechter Wiedergaben und solche, die im
Laufe der Zeit verblaßt und stark gegilbt waren. Vor allem aber waren die hohen und derben Eichen-
holzgestelle einer guten und ungebrochenen Raumwirkung durchaus nachteilig: die damit besetzten
Räume wurden vollkommen unüberstchtlich und zerfielen in schmale, enge, für eine größere Be-
sucherzahl übrigens wenig geeignete Gelaste, denen meist das erforderliche Helle Licht fehlte.
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