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Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

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Beilage zu: 1908, Januar
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Br.: Schutz und Sicherstellung des Architekten und Baukünstlers gegenüber dem Bauherrn
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https://doi.org/10.11588/diglit.52603#0279
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BEILA°E. DER BAUMEISTER, UND^AUPRAXIS R
1908, JANUAR. VI. JAHRGANG, HEFT 4.

Schutz und Sicherstellung des Architekten
und Baukünstlers gegenüber dem Bauherrn.
Im fünften Jahrgang unserer Monatshefte, Oktoberheft 1906,
Beilage Seite B 3 und ff. ist bereits erörtert, dass der bau-
leitende Architekt, beziehungsweise Ingenieur, welcher ledig-
lich Baupläne entwirft und anfertigt, nach einer Entscheidung
des Reichsgerichts einen Anspruch auf eine Sicherungshypothek
des Grundstücks, beziehungsweise des Bauobjekts des Bau-
herrn nicht habe. In diesem Aufsatze ist die nähere Be-
gründung bereits ausgeführt.
Wir gestatten uns deshalb heute in weiterer Erläuterung
und Ergänzung dieses Artikels vom rechtlichen Standpunkte
aus den geehrten Lesern und Abonnenten folgendes zu
unterbreiten.
Die Tätigkeit, die ein Architekt, ein Baukünstler gegenüber
dem Besteller, dem Bauherrn, entfalten kann, ist eine mehr-
fache; er kann entweder mit dem Entwurf des Bauplanes
und der Herstellung des Kostenvoranschlages betraut werden,
oder er kann mit der Bauleitung der Ausführung seines
Entwurfes oder des Bauplanes eines anderen Künstlers be-
traut werden oder, was sehr häufig der Fall ist, hat derselbe
neben den vorerwähnten Tätigkeiten auch noch die Herbei-
schaffung der Materialien, die Abschlüsse der einzelnen
Geschäfte mit den verschiedenen in Betracht kommenden
Geschäftsleuten zu betätigen, wobei im letzteren Falle der
Bauherr in Bezug auf Herstellung des Werkes vollständig
ausscheidet.
Wie nun die Erfahrung zeigt, gibt es im praktischen Leben
Bauherren der verschiedensten Sorten; solche, die im Besitz
von Kapital sich befinden und die demzufolge in der Lage
sind, die Bauunternehmer in Bezug auf ihre Ansprüche zu
befriedigen. Es gibt aber auch leider sehr viele, die mit
geringem oder ohne jegliches Kapital nicht allein die Arbeits-
kräfte von Architekten und Künstlern in der frivolsten Weise
ausnützen, sondern sogar oft dem armen Zimmermann, Maurer,
Schlosser, Tüncher, Anstreicher etc. den letzten Blutstropfen
seiner Kraft und Tätigkeit aussaugen dadurch, dass sie ihm
kein Entgelt für die geleistete Arbeit zu leisten vermögen.
Was tut nun der Architekt, was der Baukünstler in einer
solchen Lage oder besser, was tut er vorher? In vielen
Fällen sind ja die Herren Bauunternehmer mit den Vermögens-
verhältnissen der Bauherren vertraut; hier mag und kann
blosses Vertrauen genügen, ohne dass man besondere Sicher-
heitsmassregeln trifft.
Wie steht es aber z. B. speziell in grösseren Städten, wo
man in den meisten Fällen die Vermögensverhältnisse der
Bauherren nicht kennt und wo die Vermögenslage auf künst-
liche und oft betrügerische Weise als gute dargestellt wird,
um später sichere Bezahlung zu erhalten?
Das Recht hat, wie in dem bereits oben angezogenen
Artikel erwähnt ist, gemäss § 648 des Bürgerlichen Gesetz-
buches lediglich dem Unternehmer eines Bauwerkes oder
eines einzelnen Teiles desselben für seine Forderung aus
dem Vertrage die Einräumung einer Sicherungshypothek
gestattet.
Nun gilt als Unternehmer nur derjenige, welcher unmittel-
bar an der Herstellung des Bauwerkes beteiligt ist, wie
z. B. Handwerker, Maurer- und Zimmermeister, Dachdecker,
Maler, Tapezierer, Stukkateur, die unmittelbar Stoff und
Arbeit liefern. Andere Handwerker, z. B. Tischler, können
dazu gehören, wenn sie nämlich beispielsweise die von ihnen
gefertigten Türen selbst in das Gebäude einfügen. Aus-
geschaltet ist hier der Architekt, beziehungsweise Künstler,
der die Baupläne entwirft und die Kostenvoranschläge auf-
stellt. Demselben bleibt in zweifelhaften Fällen nichts anderes
übrig, als entweder sich eine Sicherheit durch Hinterlegung
von Bargeld, von Wertpapieren, durch Verpfändung von
Forderungen, die im Reichsschuld- oder Staatsschuldbuch
eines Bundesstaates eingetragen sind, oder durch Verpfändung
beweglicher Sachen oder durch Bestellung von Hypotheken

an inländischen Grundstücken, hier am besten an den Grund-
stücken des Bauherrn selbst, falls dieselben noch nicht zu
sehr belastet und im Falle einer wesentlichen Wertsminderung
stets noch die Forderung zu decken in der Lage sind, leisten
zu lassen.
Wenn ich nun, so werden viele einwenden, schon am
Anfänge mit der Zumutung komme, der Bauherr möge mir
eine Sicherheit in den oben angeführten Formen leisten, so
ist bereits ein gewisses Misstrauen seitens des Bauherrn vor-
handen und fühlt sich derselbe in seiner wirtschaftlichen
Ehre gekränkt.
Diese Bedenken sind leicht zurückzuweisen. Bekanntlich
ist nach wirtschaftlicher Auffassung Arbeit auch Geld. Wenn
nun einer Geld ausleiht, so begehrt er wenigstens in den
meisten Fällen des Lebens Sicherheit. Warum soll nun nicht
auch der Architekt, der Künstler eine Sicherheitsleistung zu
fordern berechtigt sein, umsomehr, da die hinterlegten Werte
im Falle des Nichtzustandekommens des Werkes für den
Bauherrn nicht verloren gehen. Die Sicherheit bietenden
Objekte bleiben ja bis zur Erledigung des Geschäftes in dem
Eigentum des Bauherrn, nur ist seine Verfügungsgewalt
darüber auf eine gewisse Zeit beschränkt. Der Architekt
und Künstler geht jedoch mit viel freudigerem Herzen an
seine Arbeit, da er weiss, dass sein Lohn ihm sicher ist.
Die Entwürfe der Baupläne erfordern bekanntlich sehr viel
geistige Tätigkeit. Das Gehirn reibt sich bei Zeiten auf und
schliesslich erhält der Architekt oder Künstler nichts für all
seine arbeitsreichen Tage. — Der Einwand „nun, wenn Sie es
mir nicht ohne Sicherheitsleistung tun, gehe ich zu einem
anderen“, ist dadurch zu beseitigen, dass man ruhig sagen
kann, hier hast du es mit einem zahlungsunsicheren Menschen
zu tun, lasse ihn nur ruhig gehen! Hier ist von Anfang an
nichts verloren. Andererseits liesse sich mit der Berufung
auf einen Anderen noch leicht dadurch Abhilfe schaffen,
dass sämtliche Künstler und Architekten sich zusammen-
schliessen und überhaupt keine Baupläne und Kostenvoran-
schläge ausfertigen, ohne dass ihnen zuvor, wie oben aus-
geführt, hinreichende Sicherheit geleistet wurde. Uebernimmt
nun der Architekt oder Künstler die Ausführung des Werkes
selbst, so hat er, wie auch schon bereits erwähnt ist, allerdings
einen gewissen Schutz durch § 648 des Bürgerlichen Gesetz-
buches. Aber hier ist immerhin noch ein grosser Misstand
vorhanden, denn die Eintragung der Sicherungshypothek
kann erst erfolgen, wenn die Arbeit geleistet ist. Wie oft
ist es in diesen Fällen zu spät! Das weiss jeder Richter,
der jemals längere Zeit in dem Grundbuchwesen, Hypotheken-
wesen, in der Subhastation und in der Zwangsversteigerung
gearbeitet hat! Was nützt eine solche „papierene“ Sicherheit,
wenn die Hypothek durchfällt. Bei unserer, namentlich in
den Grossstädten seit Jahrzehnten schwankenden Unsicher-
heit der Immobiliarwerte darf man bestimmt behaupten,
dass eine Hypothek, die in der zweiten Wertshälfte des
Grundstückes eingetragen ist, wirtschaftlich keinen oder höchst
zweifelhaften, wirtschaftlichen Geldwert besitzt. Auch in
diesem Falle ist die oben vorgeschlagene Sicherheitsmassregel
vollständig angezeigt. Und warum soll gerade der Architekt
und Künstler arbeiten, ohne Sicherheit zu verlangen? Keinem
Juwelier fällt es ein, einen kostbaren Edelstein aus den Händen
zu geben, bevor derselbe nicht bezahlt ist oder eine sichere
Deckung der Bezahlung gegeben ist. Das Gleiche ist in
vielen anderen Geschäften der Fall, namentlich wenn es sich
um höhere Beträge handelt, und wie manche Künstler- und
Architektenfamilie wäre nach dem Tode des Vaters in guten
Verhältnissen, hätte derselbe planmässig und wirtschaftlich
sicher gearbeitet, das heisst, hätte er die Vorsicht des weisen
Kaufmanns walten lassen. Die Entlohnungsfrage ist ebenso
wichtig, wie die Frage der Herstellung des Planes und des
Werkes.
Unsere Gesetzgebung ist leider in diesem Punkte noch
lange nicht auf der Höhe der Zeit angekommen und ist es
geradezu zu verwundern, dass man Architekten und Künstler
in Bezug auf ihre rechtliche Stellung nach den Bestimmungen
 
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