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Baumeister: das Architektur-Magazin — 9.1911

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Heft 10
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Neue Trägerkonstruktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.54602#0398
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^AzGvE DER BAUMEISTER, ^Vf^,sFUR ARCHITEKL^
1911, JULI IX. JAHRGANG, HEFT 10


Arch. Heinr. Walbe, Darmstadt.

Einzelwohnhaus für einen Land- oder Industriearbeiter, Nidda.] Wohnzimmer.

Neue Trägerkonstruktionen.
Mit 6 Abbildungen.
Bisher erfolgte die Vereinigung von zwei oder mehreren
einzelnen Balken zu einem Träger dadurch, dass man die
Balken verdübelte oder verzahnte. Solche verdübelte oder
verzahnte Balken sind nicht von Mängeln frei ; insbesondere
ist der Wirkungsgrad der Verdübelung und der Verzahnung
von der darauf verwendeten Arbeit stark abhängig, ebenso
vom Material und von der Art der Beanspruchung. Bei der
Verdübelung und Verzahnung werden die in den aufeinander-
liegenden Flächen auftretenden Schubspannungen durch Dübel
oder Zähne aufgenommen, wodurch die gegenseitige Ver-
schiebung der aufeinanderliegenden Flächen verhindert wird.
Die dabei auftretenden vertikalen Kräfte werden durch recht-
winklig zur Stabachse gezogene Schrauben aufgenommen.
Die von Wilhelm Lengeling in Berlin dem D. R. P. 223 809
zugrunde gelegte Erfindung bezieht sich auf ein neues Ver-
fahren, welches die Vereinigung von Einzelbalken oder ge-
gliederten Trägern zu einem Träger insofern einfacher er-
möglicht, als dabei die schwierige Arbeit, die bisher mit der
Herstellung der Einschnitte oder Zähne verbunden war, fort-
fällt. Dazu kommen noch andere Fortschritte, die sich aus
der nachfolgenden Beschreibung ergeben. Nach dem neuen
Verfahren (Fig. 1) greifen die Bauteile, welche zur Aufnahme
der Schubspannungen dienen, nicht an den Berührungsflächen
der Balken an, sondern an der oberen Fläche des obersten

und an der unteren Fläche des
untersten Balkens. Diese Bauteilea,
die vorteilhaft aus plattenförmigen
Eisenkörpern bestehen können,
sind auf der inneren Seite mit
Zähnen versehen, die sich in die
Balken eindrücken oder in dort
angebrachte Vertiefungen eingrei-
fen. Je zwei einander zugeordnete
Platten sind so gegeneinanderver-
setzt, dass die sie verbindenden
eisernen Schrauben b zur Balken-
längsachse schräg liegen; durch
Anziehen der Muttern werden die
Platten nach Belieben aneinander-
gezogen und dadurch an die Bal-
ken festgepresst. Die Bolzen b
können neben den Balken ange-
ordnet werden oder auch durch
die Balken hindurchgeführt wer-
den. Bei dem vorliegenden Ver-
fahren ist es nun auch möglich,
durch starkes Anziehen der schräg
gestellten Schrauben zu bewirken,
dass sich der zusammengesetzte
Träger nach oben durchbiegt, d. h.
dass negative Biegungsmomente
hervorgerufen werden, wodurch
die Tragfähigkeit in bekannter Weise erhöht wird, da die
Belastung zunächst die künstlich hervorgebrachten nega-
tiven Momente aufheben muss, bevor sie positive Momente


hervorbringen kann. Statt die Schrauben erst anzuziehen,
lässt sich das Verfahren auch so anwenden, dass man den
aufeinandergelegten Balken zunächst eine Durchbiegung künst-
lich erteilt, die derjenigen Durchbiegung, welche der zusammen-


Arch. L. Mahr und Markwort, Darmstadt.

Wohnküche.

gesetzte Träger durch die Nutzlast
erhält, entgegengesetzt ist. Nach-
dem dies geschehen ist, zieht man
die Schrauben fest. Die Balken
werden dann durch die Platten
und Schrauben daran verhindert,
sich wieder in die gerade Lage
zurückzubiegen. Während also
alle bisher bekannten Verfahren
bei der Anwendung von recht-
winklig zur Balkenachse gerichte-
ten Schrauben und Bändern den
durch das Anziehen dieser Glieder
hervorgebrachten Druck erst dazu
benutzten, zwischen den aufeinan-
der liegenden Flächen eine ge-
nügend grosse Reibung hervorzu-
rufen, um dadurch die Schubkräfte
aufzunehmen, eine gegenseitige
Verschiebung dieser Flächen —
sei es durch zwischengelegte Dübel,
Bleche oder Leimung — zu ver-
hindern und auf diese Weise die
künstlichen Spannungen dauernd
zu erhalten, besteht das Neue und
Vorteilhafte des vorliegenden Ver-
fahrens darin, dass schon die
Schrauben allein, und zwar ledig-
lich infolge ihrer schrägen Lage
den gewünschten Zweck erfüllen,
unabhängig von etwaiger Reibung
 
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