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Der bayerische Vorgeschichtsfreund: Blätter zur Förderung der Vor- u. Frühgeschichtsforschung — 3.1923

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Birkner, Ferdinand: Die körperlichen Eigentümlichkeiten des diluvialen Menschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.74453#0016
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12 Ferdinand Birkner:
wohl vom modernen als auch vom jungpaläolithischen Menschen. Nach dem
Funde im Neandertal bei Düsseldorf werden die altpaläolithischen Menschen-
reste als der „Neandertalrasse" angehörig bezeichnet. Weitere Fund-
plätze dieser Menschenform sind die Höhle von Spy bei Namur in Belgien,
die Grotte La Chapelle-aux-Saints (Corröge), La Quina (Charente), La
Ferrassie und Le Moustier (Dordogne) in Frankreich und Krapina in
Kroatien. Außerdem wird noch eine Anzahl von Unterkiefern hierher
gerechnet, von denen die wichtigsten die von Malarnaud (Ariöge), La
Naulette (Belgien), Ehringsdorf (Weimar), Sipka und Ochos (Mähren) sind.
Am besten erhalten ist der Schädel des alten Mannes von La Chapelle-
aux-Saints (Fig. 2). Es fallen vor allem die stark hervortretenden Augen-
höhlenränder auf, die sich zu einem Augenbrauenwulst vereinigen; die
Stirnwölbung ist sehr flach, die Stirn fliehend, die Schädelwölbung niedrig.
Die Schädelbasis bildet keinen Winkel, sondern ist fast gerade gestreckt.
Dabei ist aber der Schädelinhalt bedeutend, rund 1626 ccm, er erreicht
und überschreitet sogar den Mittelwert des Schädelinhalts und dem-
entsprechend das Hirngewicht des modernen Europäers, der Kieferapparat
ist massig, was auf eine kräftige Kaumuskulatur schließen läßt, die dem
nomadisierenden Jäger eine Lebensnotwendigkeit war. Der Unterkiefer
der Neandertalrasse, dem ebenfalls ein vorspringendes Kinn fehlt, ist
nicht so massig wie der des Mauerer Unterkiefers. Soweit sonstige
Skelettknochen vorhanden sind, handelt es sich beim Neandertalmenschen
um eine kleinwüchsige Rasse von etwa 160 cm Körpergröße mit verhältnis-
mäßig plumpem Gliedmaßenskelett. Die verschiedenen Funde zeigen eine
große Übereinstimmung, immerhin lassen kleinere Unterschiede vermuten,
daß schon damals regionale oder vielleicht auch rassenhafte Verschieden-
heiten vorhanden gewesen seien, zu deren Feststellung aber das heute
vorliegende Material noch nicht ausreicht.
Mit dem Jungpaläolithikum tritt eine neue Menschenrasse in Europa
auf, die sich von der Neandertalrasse in mehreren Punkten unterscheidet.
Die wichtigsten Funde verteilen sich in der nachfolgenden Weise auf die
jungpaläolithischen Kulturstufen: der Aurignacstufe werden zugerechnet die
Skelette von den Grimaldigrotten bei Mentone, die Reste von Cro-Magnon
(Fig. 3), Combe-Capelle (Fig. 4) und Laugerie-Haute (Dordogne); der Solutre-
stufe scheinen anzugehören die Skelette von Brünn und Predmost in Mähren
und von der mittleren Klause bei Neuessing, als madeleinezeitlich gelten die
Skelette von Laugerie-Basse, La Madeleine und Chancelade (Dordogne), aus
Duruthy (Landes), Les Hoteaux (Ain), Oberkassel bei Bonn u. a.
 
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