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Giulio Romano
kirchlichen Kunst, zu welcher er gar keine inneren Beziehungen Hatte. Bei
seinen Andachtsbildern suchte er daher den Mangel an eigner Inspiration
durch Nachahmuug rasaelischer Muster zu ersetzen. Die erhabene Schön-
heit der Madonnen und Heiligen Rasaels vermochte er aber kaum annähernd
zu erreichen. Als eins seiner frühsten und besten Gemälde dieser Gattung,
welches noch vom Hauche des rafaelischen Geistes angeweht ist, gilt das
Hochaltarbild in S. Maria dell' Anima zu Rom, eine H. Familie
mit mehreren Heiligen darstellend. Bei dieser wie bei allen späteren Dar-
stellungen der H. Familie läßt sich Giulio's Eigenthümlichkeit nicht verkennen.
Die Madonna erscheint meist kräftiger, derber, mehr im Charakter einer
tüchtigen Hansfran als der zarten Gottesmutter, die Kinder in gleicher
Weise mehr nach gewöhnlicher Kinderart ausgelassen und muthwillig. Genre-
hafte Züge, oft an die Niederländer erinnernd, treten dabei, mehr oder we-
niger den heiligen Zweck störend, auf, so z. B. eine Katze in der nach die-
sem Thiere genannten Madonna della Gatta im Museo Borbonico zu
Neapel. Vielleicht das vorzüglichste Beispiel dieser Art ist die Madouua
mit dem Becken in der Dresdener Galerie, wo die Mntter dgmit be-
schäftigt ist, das Kind zu waschen und der kleine Johannes (mit scherzhafter
Anspielnng auf seiuen Täuferberuf) voll heiterer Kindeslust das Christuskind
mit Wasser begießt. Seiu Bestes erreichte Giulio auf dem religiösen Kunst-
gebiete in der nach einem rafaelischen Entwürfe ausgeführten Darstellung
der Steinigung des h. Stephanns ans dem Hochaltar der diesenwHei-
ligen gewidmeten Kirche zu Genua. Das Bild zerfällt, ähnlich der Trans-
figuration Rafaels, in zwei Gruppen, eine obere himmlische, die Erscheinung
Gottvaters nnd Christi, welche von Engeln umgeben sind, und eine untere
irdische, den martervollen Tod des Heiligen, oder vielmehr den kurzen Augen-
blick vor der Tödtung desselben darstellend. Indem der Künstler diesen
Moment zur Darstellung wählte, ersparte er dem Beschauer das Gräßliche
der Begebenheit und konnte die herrliche Hauptgestalt in ihrer ganzen Hoheit
und ihrem gläubigen Seelenmuthe Hevortreten lassen.
Das Schönste, was er in Rom ans profanem Gebiete geleistet hat,
sind seine leider zum großen Theil nntergegangenen Fresken in der jetzt
in ein Nonnenkloster verwandelten Villa Lante, die nach seinen Ent-
würfen auf dem Janiculus erbaut wordeu war. Sie enthielteu znm Theil
geschichtliche Scenen aus dem Leben des Numa Pompilius, zum
Theil (in dem Badezimmer der Villa) mythologische Darstellungen von
aumuthiger Composition. Letztere sind durch die Stiche Marcautons be-
Giulio Romano
kirchlichen Kunst, zu welcher er gar keine inneren Beziehungen Hatte. Bei
seinen Andachtsbildern suchte er daher den Mangel an eigner Inspiration
durch Nachahmuug rasaelischer Muster zu ersetzen. Die erhabene Schön-
heit der Madonnen und Heiligen Rasaels vermochte er aber kaum annähernd
zu erreichen. Als eins seiner frühsten und besten Gemälde dieser Gattung,
welches noch vom Hauche des rafaelischen Geistes angeweht ist, gilt das
Hochaltarbild in S. Maria dell' Anima zu Rom, eine H. Familie
mit mehreren Heiligen darstellend. Bei dieser wie bei allen späteren Dar-
stellungen der H. Familie läßt sich Giulio's Eigenthümlichkeit nicht verkennen.
Die Madonna erscheint meist kräftiger, derber, mehr im Charakter einer
tüchtigen Hansfran als der zarten Gottesmutter, die Kinder in gleicher
Weise mehr nach gewöhnlicher Kinderart ausgelassen und muthwillig. Genre-
hafte Züge, oft an die Niederländer erinnernd, treten dabei, mehr oder we-
niger den heiligen Zweck störend, auf, so z. B. eine Katze in der nach die-
sem Thiere genannten Madonna della Gatta im Museo Borbonico zu
Neapel. Vielleicht das vorzüglichste Beispiel dieser Art ist die Madouua
mit dem Becken in der Dresdener Galerie, wo die Mntter dgmit be-
schäftigt ist, das Kind zu waschen und der kleine Johannes (mit scherzhafter
Anspielnng auf seiuen Täuferberuf) voll heiterer Kindeslust das Christuskind
mit Wasser begießt. Seiu Bestes erreichte Giulio auf dem religiösen Kunst-
gebiete in der nach einem rafaelischen Entwürfe ausgeführten Darstellung
der Steinigung des h. Stephanns ans dem Hochaltar der diesenwHei-
ligen gewidmeten Kirche zu Genua. Das Bild zerfällt, ähnlich der Trans-
figuration Rafaels, in zwei Gruppen, eine obere himmlische, die Erscheinung
Gottvaters nnd Christi, welche von Engeln umgeben sind, und eine untere
irdische, den martervollen Tod des Heiligen, oder vielmehr den kurzen Augen-
blick vor der Tödtung desselben darstellend. Indem der Künstler diesen
Moment zur Darstellung wählte, ersparte er dem Beschauer das Gräßliche
der Begebenheit und konnte die herrliche Hauptgestalt in ihrer ganzen Hoheit
und ihrem gläubigen Seelenmuthe Hevortreten lassen.
Das Schönste, was er in Rom ans profanem Gebiete geleistet hat,
sind seine leider zum großen Theil nntergegangenen Fresken in der jetzt
in ein Nonnenkloster verwandelten Villa Lante, die nach seinen Ent-
würfen auf dem Janiculus erbaut wordeu war. Sie enthielteu znm Theil
geschichtliche Scenen aus dem Leben des Numa Pompilius, zum
Theil (in dem Badezimmer der Villa) mythologische Darstellungen von
aumuthiger Composition. Letztere sind durch die Stiche Marcautons be-