MAX BECKMANN
Was wir bieten, ist die erste zusammenfassende Schau über die bisherige
Lebensarbeit Max Beckmanns. Man hat bisher nur Teilausschnitte, Proben
des neueren, neuesten Schaffens gesehen. Wenn unsere .Ausstellung mehr
gibt, Gegenwart und Rückblick bis in die Anfänge, so geschieht das nicht in
der Ueberzeugung, daß der Künstler, der soeben in das 45. Lebensjahr eintrat,
bereits sein entscheidendes künstlerisches Wort gesprochen habe. Im Gegenteil
scheint es uns, als ob der lange, mühevolle Anstieg erst jetzt beendet sei, als
ob der Höhenweg erst heute recht eigentlich beginne. Gerade darum ist es aber
an der Zeit, zurückzublicken; der vollbrachte Anstieg bedeutet keine kleine
Kraftleistung, keinen geringen Gewinn und er bedünkt uns mehr, als ein bloßes
Stück persönlicher Entwicklungsgeschichte oder eine Summe mehr oder weniger
geglückter Einzelwerke — läuft er doch in höchst bedeutsamer Weise parallel
mit dem Gesamtweg, dem Gesamtgeschick der Nation.
Jedem Menschen ist der Grundriß gegeben, geprägte Form mit Anlage leben-
diger Entwicklung, Gesetz, nach dem wir anzutreten haben. Was auf dem
Grundriß sich erhebt, Aufriß, Höhe des Aufbaues, daran hat Schicksal der Ge-
samtheit, Umwelt und Zeitgenossenschaft, Summe der Umstände seinen Anteil:
bindend und erlösend, lähmend aber auch weckend. Innere Anlage kann durch
äußere Zeitbeschaffenheit gehemmt und gleichsam aufgestaut, sie kann auch —
durch eine großartige historische Korrelation — plötzlich von ihr angerührt
und zu jäher mächtigster Entfaltung ihrer Kräfte erweckt werden. Unsere Aus-
stellung zeigt den jungen Max Beckmann der Vorkriegszeit und dann, fast er-
schütternd, was für ihn der Krieg geworden ist: Aufbruch zu großer innerer
Wende, mit der sein Anstieg plötzlich entscheidende Richtung fand.
Der Grundriß blieb auch bei ihm stets derselbe: das Erdhafte, Kräftig-Schwere
einer höchst norddeutschen Natur, saturnische Melancholie mit Anlage zu
Traum und finsterer Vision verbindend — Vision, die aus der Erdentiefe steigt,
nicht aus irgend einem erlösenden Jenseits. Dabei ein zupackender, unroman-
tischer Wirklichkeitssinn, der innere Gesichte und äußere Tatsachen mit gleicher
Festigkeit ins Auge faßt, viel künstlerische Selbstkontrolle bei aller Lust an
hünenhafter Kraftentfaltung. Bis kurz vor Kriegsbeginn sucht solche Anlage,
noch im jugendlichen Entwicklungszustand, ihren Ausdruck in einem rein
malerischen Naturalismus im größten Sinn und von weitester Willen-
spannung: gegen die bloße Stillebenkultur, das ,,1’art pour l’art”-Prinzip der
Impressionisten, gegen die Substanzlosigkeit der Expressionisten zu einer un-
mittelbaren leidenschaftlichen Aktualität hinstrebend, für die Gericaults Floß
der Medusa großartiges Vorbild sein mochte.
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Was wir bieten, ist die erste zusammenfassende Schau über die bisherige
Lebensarbeit Max Beckmanns. Man hat bisher nur Teilausschnitte, Proben
des neueren, neuesten Schaffens gesehen. Wenn unsere .Ausstellung mehr
gibt, Gegenwart und Rückblick bis in die Anfänge, so geschieht das nicht in
der Ueberzeugung, daß der Künstler, der soeben in das 45. Lebensjahr eintrat,
bereits sein entscheidendes künstlerisches Wort gesprochen habe. Im Gegenteil
scheint es uns, als ob der lange, mühevolle Anstieg erst jetzt beendet sei, als
ob der Höhenweg erst heute recht eigentlich beginne. Gerade darum ist es aber
an der Zeit, zurückzublicken; der vollbrachte Anstieg bedeutet keine kleine
Kraftleistung, keinen geringen Gewinn und er bedünkt uns mehr, als ein bloßes
Stück persönlicher Entwicklungsgeschichte oder eine Summe mehr oder weniger
geglückter Einzelwerke — läuft er doch in höchst bedeutsamer Weise parallel
mit dem Gesamtweg, dem Gesamtgeschick der Nation.
Jedem Menschen ist der Grundriß gegeben, geprägte Form mit Anlage leben-
diger Entwicklung, Gesetz, nach dem wir anzutreten haben. Was auf dem
Grundriß sich erhebt, Aufriß, Höhe des Aufbaues, daran hat Schicksal der Ge-
samtheit, Umwelt und Zeitgenossenschaft, Summe der Umstände seinen Anteil:
bindend und erlösend, lähmend aber auch weckend. Innere Anlage kann durch
äußere Zeitbeschaffenheit gehemmt und gleichsam aufgestaut, sie kann auch —
durch eine großartige historische Korrelation — plötzlich von ihr angerührt
und zu jäher mächtigster Entfaltung ihrer Kräfte erweckt werden. Unsere Aus-
stellung zeigt den jungen Max Beckmann der Vorkriegszeit und dann, fast er-
schütternd, was für ihn der Krieg geworden ist: Aufbruch zu großer innerer
Wende, mit der sein Anstieg plötzlich entscheidende Richtung fand.
Der Grundriß blieb auch bei ihm stets derselbe: das Erdhafte, Kräftig-Schwere
einer höchst norddeutschen Natur, saturnische Melancholie mit Anlage zu
Traum und finsterer Vision verbindend — Vision, die aus der Erdentiefe steigt,
nicht aus irgend einem erlösenden Jenseits. Dabei ein zupackender, unroman-
tischer Wirklichkeitssinn, der innere Gesichte und äußere Tatsachen mit gleicher
Festigkeit ins Auge faßt, viel künstlerische Selbstkontrolle bei aller Lust an
hünenhafter Kraftentfaltung. Bis kurz vor Kriegsbeginn sucht solche Anlage,
noch im jugendlichen Entwicklungszustand, ihren Ausdruck in einem rein
malerischen Naturalismus im größten Sinn und von weitester Willen-
spannung: gegen die bloße Stillebenkultur, das ,,1’art pour l’art”-Prinzip der
Impressionisten, gegen die Substanzlosigkeit der Expressionisten zu einer un-
mittelbaren leidenschaftlichen Aktualität hinstrebend, für die Gericaults Floß
der Medusa großartiges Vorbild sein mochte.
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