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Weyden, Rogier van; Beenken, Hermann
Rogier van der Weyden — München: Bruckmann, 1951

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https://doi.org/10.11588/diglit.52463#0100
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Schauplatz. Wie ganz anders sinnvoll und selbstverständlich jedoch sind bereits — besonders wenn man
etwa ein Frühbild des Meisters wie den miniaturhaften St. Georg (Abb. 12) vergleicht — zwischen Vorder-
und Hintergrund die Brücken geschlagen I
Nähe und Ferne dieser Landschaft sind in ihrer neutralen Helligkeit sehr gleichmäßig durchgebildet.
Rogiers Landschaftssehen liest bis in Horizontnähe noch präzise zahllose Bildeinzelheiten auf. Gleich-
mäßig hell wie seine Landschaften sind jedoch nicht seine Bilder im ganzen. In den Innenräumen, in den
Vordergründen, auch dem der Anbetung der Könige, gibt es größere Partien von Körper- und Schlag-
schatten. Die Schatten sind aber immer das Unbestimmte, das gegen das Bestimmte, die Lokalfarben und
die klaren und meist ins Helle gelegten Begrenzungen der körperlichen Formen nicht aufkommen kann.
Gerade an diesen Schattenpartien, in den Schattenzonen vor allem gewisser Durchgangsräume seiner
Innenraumbilder — wie in der rückwärtigen Tempelvorhalle des Darstellungsflügels —, tritt uns ein auch in
seiner Spätzeit immer noch und auf eine sehr eigentümliche Weise malerischer Rogier entgegen. Wie reich
nuanciert ist etwa in dem Anbetungsbilde die Schattenzone unter dem Dache des Stalles, in deren tiefsten
Tiefen sich auch die feinen Reflexlichter an den Rändern der Balken verlieren. Das Wort »malerisch« wird
hier freilich in einem unüblichen und untheoretischen Sinne gebraucht. Gemeint ist einfach, daß der Sinn
des Malers beim Linearen und Bunten, mag dies auch noch so sehr dominieren, nicht stehenbleibt.
Über die Farbigkeit des Columbaaltars und überhaupt des späteren Rogier ist nicht viel zu sagen. Sie
ist, wie in diesem Jahrhundert fast durchweg, im hohen Grade bestimmt durch die ikonographische Tradi-
tion, die z. B. vorschreibt, daß Maria in allen drei Bildern blau bekleidet zu sein hat. In den Vordergrunds-
gestalten sind die Farben kräftig und bunt, gelegentlich bis zum Leuchtenden hin, im Hintergründe dann
wesentlich blasser. Hier wie dort sind sie fein nuanciert. Die Häuser der durch die Arkaden hin sichtbaren
Straßen spielen ins Bläuliche, Rosige, Bräunliche, Gelbliche oder Grauweiße. In den großen Gestalten
und ihrer Nähe, etwa im Gemach der Verkündigung, gibt es verschiedene Rot, zum Teil unmittelbar
nebeneinander: stumpfere und leuchtendere, mehr ins Karmin oder mehr gegen Zinnober gewendet.
Ebenso die verschiedensten Grün- oder Graunuancen, solche, die ins Bräunliche, neben solchen, die ins
Bläuliche schatten. Es gibt auch dominierende Farben wie in allen drei Bildern das tiefe Blau der Marien-
gestalten und seine am häufigsten wiederkehrende Gegenfarbe, das nuancenreichere Rot. Es gibt das alles
nebeneinander; jedoch gibt es ganz und gar nicht die bewußt die Farben um einer einheitlichen Gesamt-
wirkung willen zusammenfügende Farbenkomposition. Nur wer eine solche oder wer das aus tiefen Dun-
kelheiten leuchtende Schimmern eyckischer Farben erwartet, hat das Recht, in tadelndem Sinne von
einem unmalerischen Rogier zu sprechen.
Die Proportionen der Gestalten sind schmaler geworden gegenüber denen des Bladelinaltares (Abb. 87),
die Köpfe kleiner, die Gesichter der Marien flacher und schattenloser. Im Columbaaltar liebt Rogier die
langen Linien, die dünnen, oft spät erst gebrochenen Faltenstege in den Gewändern. Das Berliner Werk
hatte noch eine gewisse naive Unmittelbarkeit und Frische gehabt. Damit ist es nunmehr vorbei. Man
vergleiche hier und dort die beiden Josephgestalten der Mitteltafeln! Der Joseph des Columbaaltars ist
weniger rührend als würdig, er repräsentiert, wie es ja auch der festlichen Handlung des Bildes entspricht.
Diese Festlichkeit liegt überall in der Luft, einer nun aber dünner gewordenen Luft. Vom Bladelinaltar
zum Columbaaltar führt ein ähnlicher Schritt wie der, den Rogier schon einmal zehn Jahre vorher getan
hatte, vom Wiener Kreuzigungs- zum Berliner Johannesaltar.
Daß der Columbaaltar wirklich das spätere Werk ist, erweist sich im Hinblick auf die im vorigen
Kapitel erörterte Entwicklung der Bildnisse und der Madonnen. Der Bladelinaltar hatte noch die kaum
gedämpfte Plastizität des Froimont (Abb. 89) und der zu ihr gehörenden Madonna in Caen (Abb. 90)

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