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einhält, zurückgenommen. In ihrer eigenen Raumschicht schickt sich der mittlere König zu knien an und
kniet auch links hinter einem Mäuerchen der betende Stifter. Dem vorderen Bildrande wieder um ein
weniges näher steht dagegen der dritte König ganz rechts, in einen kurzen, langärmeligen, mit Hermelin
besetzten Brokatrock gekleidet. Er ist nicht nur die äußerlich prächtigste, sondern auch die innerlich
freieste, die im genauen Wortsinn selbständigste Gestalt des Bildes, was wieder mit räumlichen Bin-
dungen und Beziehungen aufs engste zusammenhängt. Es verlohnt, gerade bei dieser Gestalt, die im
Werke des frühen Rogiers noch gar nicht möglich gewesen wäre, etwas ausführlicher zu verweilen.
Rogier zeigt den jungen König schräg vom Rücken gesehen, die Brust also raumeinwärts, den Blick
dagegen nach links hin gewendet. Von den in spitzen Schnabelschuhen steckenden Füßen ist der linke
lässig und ganz entlastet hinter den das volle Körpergewicht tragenden rechten gesetzt. Wie die Fuß-
spitzen, so weisen auch die Hände nach verschiedenen Richtungen, was der ganzen Gestalt etwas Elastisch-
Wendiges gibt. Die linke, im reinen Profil gesehene Hand ist vorgestreckt, wohl um den von rückwärts
her durch einen Pagen herbeigebrachten Pokal entgegenzunehmen, die rechte, sehr viel höher, lüftet
hinter den Schultern die turbanartige Kopfbedeckung. Das Antlitz wieder ist in einem fast reinen
Profil dar gestellt. Jedes Körperglied scheint mit etwas anderem beschäftigt. Bei aller Ungezwungenheit ihrer
Haltung hat diese prächtige Gestalt dennoch im Aufbau des Bildes ihren ganz festen Platz. Schon das Aus-
einander der Füße ist fest eingebaut in den Winkel zwischen der schräg nach hinten fluchtenden Mauer
und dem schräg nach vorne am Boden liegenden Windspiel. Auch im Gesamtzusammenhange ist diese
Gestalt nicht von denen der beiden anderen Könige zu trennen. Es besteht ein richtungsmäßiges und
auch inhaltliches Ineins, die beiden älteren knien bereits oder sind im Begriffe, niederzuknien, der
jüngere wird wenige Augenblicke später das gleiche tun. Auch die kleine Gestalt des weißgekleideten
Pagen, der so zaghaften Schrittes, als ob er gleichfalls schon das Knie beugen wolle, vor der Gruppe der in
das Tor Drängenden von rückwärts herantritt, will mitgesehen sein. Bewegung aus der Tiefe des Raumes
heraus tritt hier der im wesentlichen die Flächenrichtung einhaltenden Bewegung der größeren Gestalten
entgegen. So sitzt ja auch Maria selbst im großen und ganzen nach vorne gewendet, während vor ihr der
alte König, im Begriffe, dem Kinde das Händchen zu küssen, von der Seite her fast im Profil kniet.
Der Gestalt des jungen Königs hält auf der anderen Seite des Bildes das Gegengewicht die leicht vor-
gebeugte des Joseph, der, als ob auch er niederknien wolle, mit ein wenig geknickten Beinen dasteht,
seinen Wanderstab und den Hut in den Händen. Beide Gestalten sind den perspektivisch fluchtenden
Arkadenwänden der Architektur zugeordnet, wobei die menschlich bescheidene des Nährvaters durch
ihr Fürsichstehen und die hohen Senkrechten hinter ihr eine besondere Würde empfängt. Joseph, der
immer um Maria ist und nicht nur Gastrechte ausübt, ist der Gegenspieler der Könige. Auch die Tiere
im Stalle gehören zu ihrem Gefolge. Das Eselchen streckt den langen Hals gegen den Futtertrog vor,
während das Öchschen ihn den eintretenden Menschen zuwendet. Die Tiere schließen nach rückwärts
und nach links hin die Gruppe.
Die Strenge der Bildfügung wirkt nirgends starr, so wie in den den Columbaaltar nachahmenden spä-
teren Kompositionen Hans Memlings. Bis in alle Winkel des Bildes bleibt die Freiheit des Individuellen
gewahrt. Reich vor allem ist auch die Landschaft, auch wo sie nur in Durchblicken durch die Arkaden des
Stalles erscheint, reich belebt und bebaut. Sie ist mehr als nur Ferne. Hinter der Mauer rechts ragt mäch-
tig der hohe Oktogonbau jenes sakralen Gebäudes empor, dessen Inneres dann das Nachbarbild der Tem-
peldarstellung zeigt. Links hinter dem knienden Stifter beginnt die Hauptstraße der Stadt schon ver-
gleichsweise nahe am Bildvordergrund. Emporsteigend, leitet sie wie die des Bladelinaltars den Blick steil
m die Tiefe. Immer noch ist diese Landschaft mehr Hintergrund der Darstellung als umgebender

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