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Beger, Otto
Gesellschaftliche und technisch-wirtschaftliche Grundlagen der europäischen Wandteppich-Wirkerei, besonders der heutigen Gobelin-Manufaktur — Augsburg: Filser, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.48838#0039
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— 27 —
wertigen Wirkteppichen, die auf Jahrhunderte hinaus den Markt
überschwemmten, so soll damit nicht gesagt sein, daß aus den Manu-
fakturen dieser Stadt ausschließlich Massenware hervorgegangen ist.
Sie darf wohl als charakteristisch für die Bildteppichproduktion
Oudenaardes angesprochen werden, doch entstanden in den größeren
städtischen Ateliers immerhin auch zahlreiche Teppichfolgen, die sich
in künstlerischer und technischer Qualität mit den Erzeugnissen
jeder anderen Stadt messen konnten. Das Gesamtniveau der Oude-
naarder Produktion stand allerdings, wie bereits erwähnt, weit hinter
demjenigen der Brüsseler Erzeugung zurück. In der Mehrzahl handelte
es sich bei den Bildteppichen Oudenaardes um sogenannte Verdüren,
d. h. Parkszenen, Waldlandschaften oder Grünteppiche. In ihren
flächigen und leichten Zeichnungen stellten sie die geringsten An-
forderungen an das künstlerische und technische Können des Wirkers
und kamen damit einer massenweisen Herstellung ganz besonders
entgegen. Sie bildeten so sehr eine Eigentümlichkeit dieser Stadt, daß
man früher derartige Verdüren oft nur als „Oudenaarden“ bezeichnete.
Der weitere Entwicklungsgang des Oudenaarder Wirkereibetriebes,
der in der Zeit zwischen 1545 und 1556 einen gewissen Höhepunkt
erreicht hatte, war wenig glücklich. Er stand auch fernerhin im
Zeichen der mißlichen sozialen Verhältnisse dieser Stadt. Die zu-
nehmende Arbeitslosigkeit — 1566 sollen in Oudenaarde 8000 Men-
schen ohne Verdienst gewesen sein — und die fortschreitende Teue-
rung führten schon im genannten Jahre zu einem neuen Aufruhr.
Die strengen Maßregeln Herzog Albas veranlaßten eine Massen-
auswanderung. Im Jahre 1582 hatte die Stadt sehr unter der Be-
schießung durch Alexander Farnese zu leiden. Unter diesen Ver-
hältnissen schritt der wirtschaftliche Niedergang des Oudenaarder
Wirkereibetriebes immer weiter fort. Die rührigen Bemühungen der
Stadtverwaltung und der Zunft, durch strenge Auswanderungs-
verbote und durch Maßnahmen zur Hebung der Qualität der Er-
zeugnisse den Rückschritt aufzuhalten, zeitigten nur wenig Erfolge.
Im Jahre 1707 zählte die Wirkerzunft nur noch 12 Mitglieder. Als
dann in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts gleichzeitig noch die
Papiertapete dem bisher wohlfeilsten Bildteppich, der Verdüre, den
Platz streitig machte, wurde die Oudenaarder Teppichwirkerei end-
gültig zu Grabe getragen.
 
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