6
Und auf ähnliche Weise wie das Andenken der Märtyrer in Ehren gehalten
wurde, so gedachte man auch der übrigen Todten, und jede Familie beging mit
besonderer Feier den Sterbetag ihrer entschlafenen Glieder. Jedes Vergessen ist
des Menschen unwürdig, vor allem das Vergessen derer, von denen er Liebe em-
pfangen hat, und die nicht todt sind, wenn sie auch dem menschlichen Gesichts-
kreise entrückt wurden; so verbindet der christliche Glaube und die christliche
Hoffnung die Lebenden und die Todten allezeit: und auf dieses Bewusstseyn
war in der ältesten christlichen Kirche die Sitte gegründet, besonders auch an
den Jahrestagen der Verstorbenen das heilige Abendmahl zu leiern, um im
Geiste mit den Todten noch mehr sich zu verbinden durch den, bei welchem
jene nun schon für immer ausgehoben waren. Man brachte auch sür den Todten
an solchen Tagen eine Gabe oder ein Opfergeschenk zum Altare, wie wenn er
mit an dem Abendmahl Theil nähme, und in dem Kirchengebete, ivelches der Abend-
mahlsfeier voranging, wurde der Name des Verstorbenen genannt, und eine Bitte für
das Heil seiner Seele ausgesprochen. Das sind die sogenannten Oblationes pro de-
functis, die Opfergaben für die Verstorbenen, von denen schon Tertullian, am Ende
des zweiten oder im Anfang des dritten Jahrhunderts, als von einer bestehenden
Gewohnheit spricht.1) Auch versammlete man sich gern an solchen Tagen um die
geliebten Gräber, schmückte sie mit Blumen, und zündete ihnen die Lampe an, mit
dem Monogramme Christi oder dem Bilde des guten Hirten versehen, wie sich deren
noch viele in den alten christlichen Grabstätten gefunden haben.
Wenn aber dieser zwiefache Gebrauch der Cömeterien besonders in den ru-
higem Zeiten der ersten drei christlichen Jahrhunderte aufkam und bestand, so
dienten dieselben in den stürmischeren Tagen der Verfolgungen zugleich auch als
augenblickliche Zufluchtsörter, wozu ihre versteckte tage sich besonders eignete,
weshalb auch bei Verfolgungen eben jene schon erwähnten Verbote, die Cömeterien
zu betreten, erschienen.
Was nämlich die örtliche Lage der Cömeterien betrifft, so konnten diesel-
') Tertullian. de corona militis. C. 3. Oblationes pro defunctis pro natalitiis annua die facimus. —
De exhort, castit. C. 11. Cui (uxori) etiam religiosiorem reservas affectionem, ut jam receptae apud Deum,
pro cujus spiritu postulas, pro qua oblationes annuas reddis. Du bewahrst ihr (der verstorbenen Ehefrau)
eine um so heiligere Liebe, weil sie schon aufgehoben ist bei Gott, du betest für ihren Geist, du bringst
für sie jährliche Opfergaben dar. —
Und auf ähnliche Weise wie das Andenken der Märtyrer in Ehren gehalten
wurde, so gedachte man auch der übrigen Todten, und jede Familie beging mit
besonderer Feier den Sterbetag ihrer entschlafenen Glieder. Jedes Vergessen ist
des Menschen unwürdig, vor allem das Vergessen derer, von denen er Liebe em-
pfangen hat, und die nicht todt sind, wenn sie auch dem menschlichen Gesichts-
kreise entrückt wurden; so verbindet der christliche Glaube und die christliche
Hoffnung die Lebenden und die Todten allezeit: und auf dieses Bewusstseyn
war in der ältesten christlichen Kirche die Sitte gegründet, besonders auch an
den Jahrestagen der Verstorbenen das heilige Abendmahl zu leiern, um im
Geiste mit den Todten noch mehr sich zu verbinden durch den, bei welchem
jene nun schon für immer ausgehoben waren. Man brachte auch sür den Todten
an solchen Tagen eine Gabe oder ein Opfergeschenk zum Altare, wie wenn er
mit an dem Abendmahl Theil nähme, und in dem Kirchengebete, ivelches der Abend-
mahlsfeier voranging, wurde der Name des Verstorbenen genannt, und eine Bitte für
das Heil seiner Seele ausgesprochen. Das sind die sogenannten Oblationes pro de-
functis, die Opfergaben für die Verstorbenen, von denen schon Tertullian, am Ende
des zweiten oder im Anfang des dritten Jahrhunderts, als von einer bestehenden
Gewohnheit spricht.1) Auch versammlete man sich gern an solchen Tagen um die
geliebten Gräber, schmückte sie mit Blumen, und zündete ihnen die Lampe an, mit
dem Monogramme Christi oder dem Bilde des guten Hirten versehen, wie sich deren
noch viele in den alten christlichen Grabstätten gefunden haben.
Wenn aber dieser zwiefache Gebrauch der Cömeterien besonders in den ru-
higem Zeiten der ersten drei christlichen Jahrhunderte aufkam und bestand, so
dienten dieselben in den stürmischeren Tagen der Verfolgungen zugleich auch als
augenblickliche Zufluchtsörter, wozu ihre versteckte tage sich besonders eignete,
weshalb auch bei Verfolgungen eben jene schon erwähnten Verbote, die Cömeterien
zu betreten, erschienen.
Was nämlich die örtliche Lage der Cömeterien betrifft, so konnten diesel-
') Tertullian. de corona militis. C. 3. Oblationes pro defunctis pro natalitiis annua die facimus. —
De exhort, castit. C. 11. Cui (uxori) etiam religiosiorem reservas affectionem, ut jam receptae apud Deum,
pro cujus spiritu postulas, pro qua oblationes annuas reddis. Du bewahrst ihr (der verstorbenen Ehefrau)
eine um so heiligere Liebe, weil sie schon aufgehoben ist bei Gott, du betest für ihren Geist, du bringst
für sie jährliche Opfergaben dar. —