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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 5.1924

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Zur Kunst des achtzehnten Jahrhunderts
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Brinckmann, A. E.: Georg Raphael Donner und die französische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.55194#0226

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III.
GEORG RAPHAEL DONNER UND DIE FRANZÖSISCHE KUNST
VON A. E. BR1NCKMANN

Den Biographen des österreichischen Bildhauers Donner ist die Entwicklung seines Stils
stets ein Problem gewesen. Unverkennbar ist die eigenartige Stellung, die er innerhalb
der bewegten süddeutschen Hochbarock- und Rokokoskulptur einnimmt. Er erscheint
als Vorläufer des Klassizismus, als ein instinktiv Ahnender, dessen Einfluß die ganze
Entwicklung umgestaltet hat. Tatsächlich haben zahlreiche spätere österreichische und
süddeutsche Bildhauer diesen Einfluß erfahren. Man darf sagen, daß er erst nach seinem
frühen Tod 1741 ■— also in der vollen Blütezeit des süddeutschen Rokokos -— sich ganz
ausgewirkt hat, daß Bildhauer wie Wilhelm Beyer und Martin Fischer tatsächlich, seine
späten Schöpfungen vor Augen, das Programm klassizistischer Skulptur formulierten.
Man hat auch in gutem Empfinden für die schwingende und in der Silhouette gebundene
Eleganz seiner späten Skulpturen, in der richtigen Erkenntnis, daß dieser reaktionäre Stil
durch fremde Einflüsse gespeist sein müsse, nach den historischen Vorbildern gesucht
und geglaubt, diese in dem Werk des Giovanni da Bologna gefunden zu haben. Eine
Studienreise des Künstlers nach Venedig schien genügende Erklärung zu geben, wobei man
allerdings übersah, daß die venezianische Skulptur um 1720 nicht allein, weit von Giovanni
da Bologna entfernt, unter den Einfluß Berninis geraten war, sondern daß sie sogar noch
eine Steigerung berninesker Formbehandlung mit äußerstem technischem Raffinement
versuchte. Davon ist aber in den Arbeiten Donners so gar nichts zu erkennen.
An anderer Stelle habe ich mich über die Beziehungen Donners zu Italien, die tatsäch-
lich bestehen, aber mehr auf Michelangelo als auf den florentinischen Niederländer hin-
weisen, ausführlicher geäußert (Barock-Bozzetti, Band IV, 1924)- Auch wies ich darauf
hin, daß erst zu Beginn der dreißiger Jahre bei Donner ein sehr wesentlicher Stilwandel
zu beobachten ist, der sich nicht aus Erinnerungen an Giovanni da Bologna erklärt. Weit
lebendigere Einflüsse werden hier tätig und ich formulierte: »Die Schwestern der Fluß-
göttinnen am Neumarktbrunnen lagern an den Wasserbecken des Versailler Parterre-
d’eau.« Die allem Italienisch-Barocken gegenüber sich zurückhaltende französische
Akademiekunst hat Donner beeinflußt. Er ist nicht der ahnende Neuschöpfer, sondern
der kultivierte Reaktionär. Dies setzt seine Bedeutung keineswegs herab. Auch das
literarische Werk Winckelmanns begründet sich ähnlich. Beiden ist gemein, daß solche
Anregungen von einem schöpferischen Willen gesucht waren, daß das endgültige Ergeb-
nis wahrhaft souveräne Formen gewann. Der letzte Untergrund für beide ist die Antike:
Den Abglanz ihrer reinen Klarheit spürte ein Donner, der in seiner letzten Lebenszeit
vielfach antike Motive darstellte, in der französischen klassischen Skulptur.

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