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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Fried, Alice: Graphische Vorbilder für das Sebaldusgrab
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0034
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ALICE FRIED

die Vase dann wieder aus dem Ornament' und wird erst wieder im Quatrocento
verwendet, da aber bilden sie und die Blattstaude fast ausnahmslos den Ausgangspunkt
der Hochfüllungen. Auch jetzt handelt es sich wieder um den Schmuck von Pilastern oder
um das Betonen des Rahmens gegenüber der Fläche. In letzterer Eigenschaft übernahm
nun auch die Graphik das Motiv in den Buchschmuck, als Umrahmung des Schrift-
spiegels. In diesem Kunstzweig vollzog sich nun der Prozeß der Gleichsetzung des
Geschmückten mit dem Schmückenden, des Bauteiles mit dem ihn überziehenden
Ornament. Manchmal (und dann wird das eben Gesagte ganz deutlich) ist die Umbildung
nur halb vollzogen, das Bauglied nur teilweise ornamentalisiert. So in der Titelblattum-
rahmung des Venezianers Dante von 1493°< Ein weiteres, noch deutlicheres Zwischenglied,
schon auf deutschem Boden, Dürers Titelblattumrahmung von 15133. Die aus der Vase
aufwachsende Kandelabersäule als seitliche Bordüre, aber unter Wahrung ihres körper-
lichen Charakters räumlich gegeben. Von hier zu den Kandelabersäulen des Sebaldusgrabes
ist nur mehr ein kleiner Schritt, und dieser die Konsequenz der Entwicklung. Auch
was die Vase betrifft. Ihre teilweise Überführung in vegetabilische Formen1 ist ja nur
Ausdruck einer inneren Lebendigkeit, die aus dem spätgotischen Erbe stammt5.
Nicht zufolge eines zufälligen graphischen Vorbilds wurde am Sebaldusgrab tektonische
Form in Ornament verwandelt, sondern weil die Gleichsetzung und Ersetzung des einen
durch das andere gewollt war und gewollt werden mußte, ist das graphische Vorbild
in Wirksamkeit getreten.

INur im 13. Jahrhundert kommt sie manchmal vor. 2 Hier findet sich gleich neben der nur teilweise zum Ornament
gewordenen Säule auch eine Bordüre, die von der aus der Vase aufsteigenden Banke gebildet wird. 3 P. 205. 4 Analog
den spätantiken Beispielen. 5 Ähnliches ist auch im Kunstgewerbe zu beobachten. Zu gleicher Zeit ist am Becherfuß an
Stelle des gotischen Astwerkes ein kandelaberartiger Aufbau getreten, in dem die Vase eine große Holle spielt.

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