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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Feulner, Adolf: Jean François Oeben
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0059
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FRANCOIS OEBEN

worden ist. In Motiven der Ornamentik, in der Verwendung von Gitterwerk zeigt sich eine
gewisse solide Rückständigkeit, die sich ein geborener Franzose kaum geleistet hätte.
Bewundernswert ist die technische Vollendung der Marketerie und die Ausstattung mit
Geheimfächern, die sich auf einen Druck weich öffnen. Zurückhaltung, Feinheit
und Eleganz, gepaart mit kunstvollem Temperament, sind die Vorzüge von Oebens
Spätwerken.
Ein Spätwerk ist auch ein nicht signierter, ausgezeichneter Damenschreibtisch (Abb.13) der
Wallace-Collection1, der die komplizierte Inneneinrichtung im einfachen Gewände birgt.
Die geometrische Marketerie, die Bandwerkumrahmung, das Körbchen mit Blumen auf
der Platte sind Motive, die wir jetzt schon so oft benannt haben. Auch die Eckbronzen,
eigentlich Eckkonsolen mit Widderköpfen, sind die gleichen. Nur sind die Tierköpfe mit
schweren Lorbeergirlanden bereichert, die tektonisch motiviert unter der Platte auf-
gehängt sind.
Es gibt aber auch noch ältere Möbel von Oeben aus den fünfziger Jahren, die nicht
diese Vollkommenheit zeigen. Ziemlich weit zurück muß ein signierter Toilettetisch
der ehemaligen Sammlung des Prinzen Otto Sayn-Wittgenstein (Abb. 12) datiert
werden, eines der frühesten Beispiele des Typus. Wäre nicht die Signatur, so würde
man kaum auf den Gedanken kommen, daß er von der gleichen Hand ist, die die
ausgezeichneten Münchner Möbel geschaffen hat. Die Form ist bei diesem Beispiel
noch nicht recht ausgeglichen, schwer, derb in der Linienführung. Die Bronzen sind
kleinlich, Blattwerk mit durchbrochenen Bändern als Umrahmung der Felder, Muschel-
werk in den Eckkartuschen. Später hat Oeben nur vorzügliche Meister herangezogen.
Aus der geschweiften eingezogenen Form des Körpers mit Knieloch ergibt sich von selbst
die Aufteilung der Marketerie in Felder. In den Feldern findet sich das gleiche naturalistische
Blumenwerk wie auf späteren Werken. Die Bronzen liegen auf dunklem Fond. Die
Deckel der Seitenfächer und das Stellbrett des Spiegels sind hier noch offen; später
sind sie immer unter der Platte verborgen. Die Platte ist von einem Bronzeband eingefaßt;
an den Ecken sind Wappen mit den fleurs de lys in Kartuschen. Das Möbel stammt also
aus königlichem Besitz.
Fast das gleiche Möbel mit ganz ähnlichen Bronzen mit wenigen Unterschieden in der
Marketerie,mit den königlichen Lilien in den Eckkartuschen ist in derPariser Privatsammlung
Mad. de Blage. Es ist signiert Pierre Bernard2. Die Übereinstimmung kann kein Zufall
sein. Da Oeben der jüngere Meister ist, ist es wahrscheinlich, daß Bernard der Gebende
ist. Vielleicht hat Oeben bei Bernard gelernt oder für Bernard gearbeitet, bevor er sich
mit Boulle verband.
1 Gallery XVIII, 20. Im Katalog von D. S. MacColl, Objects of art. London 1924,8. 163, richtig bezeichnet: in the Oeben-
Riesener manner. 2 Salverte, a. a. 0. S. 19 mit Abbildung, pl. V.

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