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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Schwarz, Heinrich: Renoirs Baigneuses
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0119
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RENOIRS BAIGNEUSES
VON HEINRICH SCHWARZ

Renoirs Weg führte über Courbet und Manet zur eigenen Gestaltung. Manet löste ihn
aus dem Dunkel altmeisterlicher Töne und wies ihm die Gefilde des Lichts und der
Sonne, Ingres und Delacroix übernahmen ihn aus den Händen Manets und gaben ihm
das Geleite auf den neuen Weg. Das Wunder der Kontinuität französischer Kunst-
tradition empfängt durch ihn neue Stärkung. Der Jüngling kommt mit Manet in Be-
rührung und die Errungenschaften des Impressionismus werden ihm offenbar. Die Welt
erscheint ihm als Phänomen des Lichts und der Farbe. Alles ist darstellenswert, alles
Sichtbare künstlerisch formbar. Nur die Erscheinungen der realen Umwelt werden
wesentlich für den Künstler. Die Phantasie, die auch das Transzendentale als künstlerisch-
schöpferisches Element in die Grenzen der Kunst einbezieht, scheidet aus. Der Sub-
jektivismus hat nur Geltung für Auge und Hand, aber nicht für den Gegenstand. Zola
präzisiert die Forderung literarisch: Das Kunstwerk ist ein Stück Natur, gesehen durch
ein Temperament. — - Manet hat noch den Gesamtbereich des Sichtbaren seiner Sehweise,
seiner neuen Einstellung zur Umwelt, erobert. Er mußte den Blick gleichsam wissenschaft-
lich-experimentell an allem erproben: an der menschlichen Gestalt, an der Landschaft, am
Gruppenbild, am Stilleben, ja schließlich sogar am Historienbild — um endlich am Ende
zum Einfachsten zurückzukehren und phrasenlos ohne literarisch-poetische Ambition,
ohne Symbolik und Romantik, nur der Vision ergeben, Geschautes festzuhalten. Renoir
übernahm das Erbe aus den Händen Manets und teilte es mit Monet. Die menschliche
Gestalt wurde das große Problem seines Lebens, die Erscheinung der Frau trat in den
Mittelpunkt seines Schaffens. In den Frühwerken, die noch unter dem Zeichen Courbets
stehen, dominiert die bekleidete Figur und das Bildnis, aber bald taucht der Körper der
nackten Frau auf und fesselt ihn fortan immer wieder in ungezählten und immer neuen
Abwandlungen1, die sich in seinem Lebenswerke zu einem jubelnden Hymnus auf
die Schöpfung, zu einem unendlich gläubigen Bekenntnis zur Schönheit und zum
Leben schließen.
Die Diane Chasseresse bedeutet den Auftakt, aber die mythologische Einkleidung deutet
noch nach rückwärts. Die Attribute der Göttin bestimmen die Einstellung zu dem Bilde
und nur die Farben weisen in die Zukunft. Um die Mitte der siebziger Jahre kommt
Renoir Manet am nächsten2. Damals erscheint auch das erstemal die Baigneuse in seinem
1 Renoir, peintre du nu. Preface d'Henri de Regnier. Paris, Bernheim Jeune, 1923. 2 Georges Riviere, Renoir et ses
amis, Paris 1921, S. 29, schreibt über die Variante des Wiener Bildes in der Sammlung Stchoukine in Moskau: Cette toile
(Manets Nana, 1877) est une etude faite d'apres une jolie fille nommee Anna qui etait le modele habituel de Gervex. C est
par maniere d'hommage ä la belle Montmartroise que Manet a donnc le nom de Nana ä son tableau. Cette Nana a pose

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