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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — Band 7.1925

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Lazarev, Viktor Nikitič: Ein Bild des Francesco Solimena
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https://doi.org/10.11588/diglit.69286#0212
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EIN BILD DES F. SOLIMENA

Eine Zeichnung Solimenas in Wiener Privatbesitz, zuerst von Kutschera -Woborsky
veröffentlicht, kann zweifellos als vorläufiger Entwurf unseres Bildes gelten, mit dem er
fast in allen Einzelheiten übereinstimmt. Bloß die Figur des fliegenden Genius mit der
Posaune, welche sich auf der Zeichnung in enger Beziehung zum Medaillon befindet, ist
aul dem Bilde selbst leicht nach links gerückt, um den leeren Raum zu füllen. Außerdem
unterscheiden sich auch streng die Medaillonbilder: Auf dem Bilde sehen wir das Profil
Katharinas II., eingefügt auf Wunsch des Grafen Stroganoff, auf der Zeichnung jedoch
tritt uns in Dreiviertelwendung die Halbfigur Ludwigs XIV. entgegen, durch die ur-
sprünglich das Medaillon des Bildes ausgefüllt wurde. Ungeachtet dieser beiden bedeuten-
den Veränderungen stimmt die Zeichnung mit dem Gemälde vollständig überein, wobei
sie ein flüchtiges Festhalten jener Konzeption bildet, die erst im Stroganoffschen Stück
ihren vollständigen Abschluß findet. Auf diese Weise kann das Stroganoffsche Bild, durch
eine glückliche Fügung des Schicksals, nicht nur mit dem bei de Dominici erwähnten
Gemälde Solimenas identifiziert, sondern auch danach datiert und mit einer erhaltenen
Zeichnung des Meisters in Verbindung gebracht werden.
Dieser auf'das Stroganoffsche Bild sicli beziehenden, so selten anzutreffenden Fülle von Tat-
sachen entspricht auch besonders dessen hohe Qualität. Die sichere Zeichnung, die tief
durchdachte Beleuchtung, die energische Modellierung, die effektvolle, freie Komposition,
die lichten, leuchtenden Farben — all diese Eigenschaften verleihen dem Bilde einen höchst
anziehenden Charakter. Besonders schön ist sein Kolorit, dem satte, blaue, grell-rote,
dunkelgrüne, hellgelbe, lilafarbene und braun-rote Töne zugrunde liegen. Koloristisch am
stärksten akzentuiert sind der blaue Mantel der Minerva und der rote des Chronos und
sie verleihen auch der ganzen Komposition eine außergewöhnliche Farbenkraft. Diesen
leuchtenden, reinen Farben hat das Bild seinen Hauptreiz zu verdanken. Scheinbar be-
trachteten auch die Zeitgenossen Solimenas dieses reiche Kolorit als die anziehendste
Seite seines Schaffens, denn sonst hätte de Dominici1 niemals dem Künstler seine »no-
bile magia di bellissime tinte« nachgerühmt.
Ebenso wie Dimier, war auch der dem Leben zu früh entrissene Kutschera-Woborsky
der Meinung, daß das Stroganoffsche Bild nicht mit dem bei de Dominici erwähnten
Original Solimenas identisch, sondern eine Replik des letzteren sei. Der bloße unmittel-
bare Eindruck, den wir vom Petersburger Exemplar gewinnen, genügt vollständig um
die Voraussetzung über die Replik umzustoßen: eine außergewöhnliche Kraft der Aus-
führung, der selbst der leiseste Anflug der jeder Replik eigenen Mattigkeit fehlt, spricht hier
laut dafür, daß wir im Stroganoffschen Bilde das Original vor uns haben. Dieser Haupt-
eindruck wird vom Stroganoffschen Katalog, der den obengenannten Autoren entgangen
zu sein scheint, bestätigt. Es geht nämlich klar daraus hervor, daß wir im Stroganoffschen
1 De Dominici, Band IV, S. 405, 455'

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