HANS TIETZE
seine Schuld, wenn er trotz aller Bemühungen Ranftl oder Defregger oder andere noch
nicht so gut zur Verfügung hat, wie es dieser Künstler würdig wäre. Statt dieser voll-
gültigen Vertretung, die gewiß eines Tages zu erreichen sein wird, ein zufällig gerade vorhan-
denes Bild aufzuhängen, dem die höchsten künstlerischen Qualitäten fehlen, wäre ein Rück-
fall in jenes überwundene Prinzip der Vollständigkeit gewesen. Man hätte alle Namen gehabt
— zum Schaden des Ganzen; die Galerie aber will nur Werke und wird auch Defregger
und Leopold Karl Müller eines Tages richtig zeigen können, ohne zu Lückenbüßern
greifen zu müssen, wie zu dem im gegenständlichen Interesse steckengebliebenen
»letzten Aufgebot« oder der so äußerlichen »Nefusa«. Die beste Garantie dafür bietet
die Energie, mit der andere Künstler bereits zu einem wirkungsvollen Gesamtbilde
herausgearbeitet worden sind: Canon, Pettenkofen, Carl Schindler, Füger, Fendi, Ro-
mako, selbst VValdmüller sind ja nicht immer in dieser Qualität vorhanden gewesen,
sondern erst allmählich so eindrucksvoll zur Schau gebracht worden, indem schwächere
VVerke fortgelassen und der Versuch gemacht wurde, ihr Bild nur aus den besten
Leistungen zu gewinnen. Nur auf diesem konsequent verfolgten Wege kann die Galerie
das erreichen, was ihr Ziel ist: die Darstellung der österreichischen Kunst als
Teil der europäischen.
Denn selbstverständlich ist die Pflege der österreichischen Kunst die Hauptaufgabe dieser
Sammlung und es ist eine der Verdächtigungen, die in gewissen Wiener Organen der
Ersatz für sachliche Kunstkritik geworden sind, wenn behauptet wurde, daß nicht
genügend österreichische VVerke erworben worden seien. Eine Prüfung des Katalogs
entschleiert diese Unwahrheit: Von 339 österreichischen Werken (mit Abzug der
Medaillen, die ja nur Leihgabe der Medaillensammlung des Kunsthistorischen Museums
sind) sind 154 seit 1910, also in der Zeit systematischer kunsthistorischer Leitung er-
worben worden. Das heißt, von der Auslese, die die höchste Qualität darstellt, ist fast
die Hälfte erst in diesen 14 Jahren erworben worden, fast ebenso viele, wie in den vor-
angegangenen hundert Jahren beim Kaiserhaus, bei der Akademie der bildenden Künste,
bei der alten modernen Galerie und an anderen Stellen zusammengekommen ist.
Mehrere der bedeutendsten heimischen Künstler verdanken ihre großartige Vertretung
in der Galerie überwiegend der zielbewußten kunsthistorischen Arbeit dieser Jahre: von
18 Carl Schindler sind 13, von zwölf Fendi 7, von elf Romako 9, von zwölf Canon 7,
selbst von 43 VValdmüller 1 8, von 22 Pettenkofen 8 und von zwölf Amerling 8, und
zwar zum Teil die besten, seit 1910 erworben worden.
Man kann sagen, daß in diesen letzten Jahren kein hervorragendes Werk der öster-
reichischen Kunst auf dem Markt aufgetaucht ist, das die Galerie nicht erworben oder
zu erwerben versucht hat. Um jenes VValdmüller-Porträt, das aus einer Dorotheums-
auktion nach Spanien gelangt ist, um Pettenkofens frühen Verwundetentransport, der
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seine Schuld, wenn er trotz aller Bemühungen Ranftl oder Defregger oder andere noch
nicht so gut zur Verfügung hat, wie es dieser Künstler würdig wäre. Statt dieser voll-
gültigen Vertretung, die gewiß eines Tages zu erreichen sein wird, ein zufällig gerade vorhan-
denes Bild aufzuhängen, dem die höchsten künstlerischen Qualitäten fehlen, wäre ein Rück-
fall in jenes überwundene Prinzip der Vollständigkeit gewesen. Man hätte alle Namen gehabt
— zum Schaden des Ganzen; die Galerie aber will nur Werke und wird auch Defregger
und Leopold Karl Müller eines Tages richtig zeigen können, ohne zu Lückenbüßern
greifen zu müssen, wie zu dem im gegenständlichen Interesse steckengebliebenen
»letzten Aufgebot« oder der so äußerlichen »Nefusa«. Die beste Garantie dafür bietet
die Energie, mit der andere Künstler bereits zu einem wirkungsvollen Gesamtbilde
herausgearbeitet worden sind: Canon, Pettenkofen, Carl Schindler, Füger, Fendi, Ro-
mako, selbst VValdmüller sind ja nicht immer in dieser Qualität vorhanden gewesen,
sondern erst allmählich so eindrucksvoll zur Schau gebracht worden, indem schwächere
VVerke fortgelassen und der Versuch gemacht wurde, ihr Bild nur aus den besten
Leistungen zu gewinnen. Nur auf diesem konsequent verfolgten Wege kann die Galerie
das erreichen, was ihr Ziel ist: die Darstellung der österreichischen Kunst als
Teil der europäischen.
Denn selbstverständlich ist die Pflege der österreichischen Kunst die Hauptaufgabe dieser
Sammlung und es ist eine der Verdächtigungen, die in gewissen Wiener Organen der
Ersatz für sachliche Kunstkritik geworden sind, wenn behauptet wurde, daß nicht
genügend österreichische VVerke erworben worden seien. Eine Prüfung des Katalogs
entschleiert diese Unwahrheit: Von 339 österreichischen Werken (mit Abzug der
Medaillen, die ja nur Leihgabe der Medaillensammlung des Kunsthistorischen Museums
sind) sind 154 seit 1910, also in der Zeit systematischer kunsthistorischer Leitung er-
worben worden. Das heißt, von der Auslese, die die höchste Qualität darstellt, ist fast
die Hälfte erst in diesen 14 Jahren erworben worden, fast ebenso viele, wie in den vor-
angegangenen hundert Jahren beim Kaiserhaus, bei der Akademie der bildenden Künste,
bei der alten modernen Galerie und an anderen Stellen zusammengekommen ist.
Mehrere der bedeutendsten heimischen Künstler verdanken ihre großartige Vertretung
in der Galerie überwiegend der zielbewußten kunsthistorischen Arbeit dieser Jahre: von
18 Carl Schindler sind 13, von zwölf Fendi 7, von elf Romako 9, von zwölf Canon 7,
selbst von 43 VValdmüller 1 8, von 22 Pettenkofen 8 und von zwölf Amerling 8, und
zwar zum Teil die besten, seit 1910 erworben worden.
Man kann sagen, daß in diesen letzten Jahren kein hervorragendes Werk der öster-
reichischen Kunst auf dem Markt aufgetaucht ist, das die Galerie nicht erworben oder
zu erwerben versucht hat. Um jenes VValdmüller-Porträt, das aus einer Dorotheums-
auktion nach Spanien gelangt ist, um Pettenkofens frühen Verwundetentransport, der
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