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Berichte des Alterthums-Vereines zu Wien — 1.1854

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Über Burgen und Schlösser im Lande unter der Enns
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I. Einleitendes
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https://doi.org/10.11588/diglit.70122#0068

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28

Joseph Peil,

Wenn oben vorübergehend der Auswüchse des Burgenwesens gedacht wurde, die sich zunächst für jenes
Land kundgaben, in dem solche Burgen und Schlösser (Testen) in grösserer oder geringerer Anzahl zerstreut
lagen, so dürfen hierbei weder die ärgsten Missbräuche, die von der einstigen Sicherheit solcher Herren-
sitze, öfter sogar bis zu völlig patentiertem Räuberhandwerk gemacht wurden, noch weniger aber auch die
unläugbaren Lichtseiten als ausgeschlossen betrachtet werden, die der Bestand solcher Burgen dennoch bot.
Denn nach gleichzeitigen Aufzeichnungen, namentlich nach einzelnen Stellen in mittelhochdeutschen Dichtun-
gen 1), dürfte es wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass der Ritter jede Burg als seine Herberge anse-
hen durfte; was freilich nur im beschränkteren Sinne, nämlich nur für einen abgeschlossenen Kreis, als
Vortheil erscheinen mag. Ebenso wenig aber darf die entscheidende Wichtigkeit des Bestandes fester Burgen,
zumal an Grenzlinien, gegenüber einem auswärtigen Feinde, übersehen werden, und der Vortheil, den
sie in den Zeiten der Bedrängniss nicht selten dem Landesfürsten selbst boten, der sich oft in solche feste
Schlösser warf, wenn er sich in seinem eigenen Lande nicht mehr sicher hielt.
Wenn nach dem hier nur beiläufig und flüchtig Berührten in die Augen fällt , dass die Burgen schon je
nach ihrer Lage und nächsten Bestimmung, in Anlage, Umfang und Einrichtung sehr verschieden waren, so
kann es um so weniger einem Zweifel unterliegen, dass die klimatischen und so verschiedenartigen Boden-
verhältnisse, der allgemeine Culturstand, die Wohlhabenheit des Einzelnen oder der Mehrzahl in den einzelnen
Ländern oder Gebietsstrecken, auf den Bau der dort gelegenen Burgen den entschiedensten Einfluss übten,
in höherem Grade selbst, als auf anderweitige Bauwerke, wie namentlich auf Kirchenbauten, deren Zweck
überall nur einer war, nämlich eine geheiligte Stätte zu sein zur Verehrung des Höchsten, — deren Anlage
in den wesentlichsten Theilen schon durch eben diesen erhabenen Zweck und die besonderen Satzungen des
gottesdienstlichen Cultus bedingt war, deren Aufbaue und Formenschmucke endlich, bis zum Ausgange des
Mittelalters mit dem Eintritte der Kirchen-Reformation, durch die, vorerst klösterlichen später aber welt-
lichen Bauvereine oder Bauverbrüderungen fast für die ganze gebildete Welt, wo der christliche Cultus
herrschte, in Kern und Schale jene bewunderungswürdige deutungsvolle Einheitlichkeit gesichert blieb,
die sich nur im grossen Ganzen, mit stets sehr kurzen Übergangsperioden, in wenigen Hauptgruppen
ausprägte, die wir, vom 10. Jahrhundert an bis zum Schlüsse des 12., nach Verschiedenheit der Entwicke-
lung in einigen Ländern, auch bis ins 13. Jahrhundert, als die Periode des romanischen, von da an aber
als jene des germanischen, auch sogenannten gothischen Baustyls bezeichnen, welcher letztere endlich
bei seiner Entartung im Verlaufe des 15. Jahrhunderts, und bei seinem gänzlichen Verfalle in der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts nach dem Einbrüche der tiefen Spaltung im alten einheitlichen Glauben, jener kühlen
deutungslosen Bauweise wich, die sich gefiel, ihre Unselbstständigkeit durch die Benennung der Wieder-
geburt (Renaissance} selbst zu verkündigen, sich aber, bewusst, von allen Formen lossagte, die der fromme
Sinn des allen Glaubens in einträchtiger und naturgemässer Entwickelung zum sinnigen Ausdrucke brünstiger
Verehrung aufgenommen hatte.
Unter dem Einflüsse der erwähnten Verhältnisse gab sich am Burgenbau jene überraschende Einheit-
lichkeit, die den Kirchenbau in so weiter Verbreitung beherrschte, nur in sehr beschränktem Masse
kund. Die Anlage des einzelnen Bergschlosses blieb zunächst stets durch den Umfang und die höchst verschieden-
artige Gruppierung des für den Aufbau zu benützenden Grundes und Bodens bedingt, und sorgfältig wurde jede
ausspringende Felspartie für einen neuen Gebäudevorsprung nutzbar gemacht. Höchstens an Thoren und
Fenstern ging Anlage und Ausschmückung mit dem sonst herrschenden Baustyl Hand in Hand, und es schmieg-
ten sich nur die Burg- und Schlosscapellen in ihrem freilich meist nur geringerem Umfange strenger an
') Z. B. im Iwein, von Hartmann von der Aue, herausgegeben von Ben ecke und Lachmann, 19, 207, 224, 227.
 
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