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Berichte des Alterthums-Vereines zu Wien — 1.1854

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Über Burgen und Schlösser im Lande unter der Enns
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II. Archäologische Beschreibung einiger Ritterburgen und Schlossruinen im Kreise unter dem Wienerwald
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https://doi.org/10.11588/diglit.70122#0094
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54 F. 0. von Leber,
Auf dieser Seite liegt die grosse Burgcapelle; vollkommen mit gottesdienstlichen Geräthen ver-
sehen; sie enthält einige schöne Glasmalereien, worunter jene mit der Jahreszahl 1557 ausgezeichnet, und
das Modell der Familiengruft des Besitzers — für solchen Ort ein passendes Memento! —
Unferne davon. — wie die Extreme im Leben sich oft berühren — ist die Trinkstube gelegen.,
mit einigem Waffen- und Speis-Geräthe geschmückt, worunter vorzugsweise die schön gemalten Teller und
Schüsseln, die man Raphael’sche zu nennen pflegt; einige mit Jahreszahlen; Erwähnung verdienen.
Die nähere Beschreibung folgender Einzelheiten ist vorzugsweise für Antiquare bestimmt.
Die S c hla f kamm er. Der Gesammteindruck sehr erquicklich; das mangelnde durch gemüthliche
Wandmalerei ersetzt. Die alte zierliche Bettsponde mit ledernem Bettzeug; die zierliche grosse Bronce-
..Licht schneuze- aus dem XVI. Jahrhundert — der schöne Espadon * 2) zur Wehre bei nächtlichem Überfall
u. s. w.
Anstossende Gemächer; zum Theil mit altem Hausrath, darunter der Bethschemmel für heim-
liche Katholiken, bei welchem mittelst Druckes ein herrliches Crucifix erscheint, — dann die kleinen schönen
Ölportraits früherer Burgherren u. d. m.
Das Haustheate r von seltener Grösse; sechs Coulissen in der Tiefe, mit Parterre und Gallerie;
die anstossenden Räume enthalten Garderobe; Ankleidezimmer; Billardsaal u. s. w.
Es ist nicht zu läugneri; dass die Gegenstellung dieser Genüsse modernen Lebens und der Sitten rau-
herer Zeiten überrascht.
Wir übergehen jene schönen geschmackvoll möblierten Räume, welche der gegenw ärtige Besitzer der
Burg mit seiner Familie bewohnt; und fahren in der Beschreibung der ritterlichen Gemächer fort.
Die Knappenrüstkammer an der südöstlichen Seite der Burg; zeitgemäss in der Höhe ange-
bracht; darin viele Bickelhauben. Brust- und Rückenstücke; Biedenhander 3); Gewehre mit Bajoneten;
Caroussel-Geräth, Paucken; Polier; eine Kanone, womit Seine Majestät Kaiser Ferdinand in Knabenjahren
exercierte. eine schöne lange Sturmleiter, die sich Zusammenlegen und als Stange fortschaffen lässt 4) u. d. m.
Unter die besonderen Seltenheiten gehören:
1. Ein gelungenes Bildniss des F. M. Grafen Joseph Colloredo y 1818; Brustbild in farbiges
Wachs bossiert; dabei Degen? Stock; Hut und sein Maltheser-Camisol aus rothem Tafft.
2. Eine durchbrochen gearbeitete eiserne^Ross-Stirne aus dem XVI. Jahrhundert.
3. Eine vierseitige altdeutsche Fausttartsche von Holz; beledert. von aussen mit Inschrift und
Wappen bemalt; an der Rückseite noch der echte alte Handgriff aus Ochsenzimmer; aus der ersten Hälfte
des XV. Jahrhunderts 5).
1) Überhaupt verdiente die ganze Erzählung von Raphael’s Liebeshandel mit der schönen Töpferstochter, welcher jene Be-
nennung den Ursprung verdankt, eine kritische historische Untersuchung. — Aber auch alles zugestanden, mag er nicht
lange Teller gemalt haben, da Cardinal Bibiena ihm seine Nichte zur Ehe bot, die Raphael auch annahm.
2) Die Aufschrift der Klinge: Auriel f Tauriel Sauriel Antone — Her — 1574 — erinnert an die Lucaszetteln und das
Festmachen einer noch jüngere Zeit. Abbildung eines ähnlichen Espadon’s in dem Werke: Abbildung und Beschreibung
von alten Waffen und Rüstungen, welche in der Sammlung von LI ewely n Meyrick zu Goodrich - Court in Here-
fordshire aufgestellt sind. Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Gustav Fincke. Berlin 1836, gr. 4.
mit 1501ythog. Abb. — PI, XCIX.Fig. 4.— (Wir werden dieses Werk bei späteren Berufungen stets kurzweg als Fincke’s
Meyrick bezeichnen.)
•,{) Es mögen deren hier 20—30 Stück vorhanden sein, meist aus dem Nürnberger Zeughaus, jedoch von verschiedenen Na-
tionen herstammend. Diess zeigt z. B. die Klingenaufschrift des Einen: SCHWAN (wohl der Name eines Schweizers);
DE LA GARDO (Gardie ? — Schwede) DI FRANCIA u. a. m.
4) Ein ähnliches Sturmzeug erscheint schon im deutschen Negez v. J. 1529.
s) Abbildung eines ähnlichen in Fincke's Meyrick PL LXIV. Fig. 1.
 
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