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Berichte des Alterthums-Vereines zu Wien — 1.1854

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Archeologische Beschreibung einiger Ritterburgen und Schlossruinen im Kreise unter dem Wienerwald
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https://doi.org/10.11588/diglit.70122#0192

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144

F. 0. von Leber,

stieg der kräftige Bau mit seinen 6', an manchen Stellen auch 8—10' dicken Mauern empor 5 volle drei
Stockwerke hoch, von dessen Fenstern man eine überraschende Aussicht ins Thal und auf die Neustädter
Ebene hin geniesst J).
Alle Gemächer der Burg zu beschreiben, verbietet der Raum. Auch der flüchtige Beschauer entdeckt an
dieser herrlichen Veste drei Höfe, zwei (beziehungsweise drei) Capellen, drei Stiegen, vier Thore und eine
Unzahl von Stuben. Oh jedoch die unterirdischen Gänge und Gewölbe, der sogenannte Türkengang und die
Gefängnisse, der grosse Keller, das Verhörzimmer, der Rittersaal, die alte Reit-und Stechbahn u. a. m. noch
deutlich zu erkennen sind, wie Beschreibet 1 2) dieser Ruinen anführen — wollen wir dahingestellt sein lassen.
Die einzelnen Theile des Gebäudes sind mittelst guter hölzerner Treppen, Gänge und Brücken zugäng-
lich gemacht. Doch kann der Alterthumsfreund den Wunsch nicht bergen, die Anlegung und Führung (d. i.
Lenkung) dieser Stiegen und Gänge möge von einem Alterthumskenner geleitet werden. damit man die ein-
zelnen Gemächer in derselben Reihenfolge betrete, wie die Alten sie betraten. Die Unkosten wären dieselben,
und Kenner würden zum Unternehmen gerne die Hand bieten.
Möge doch jeder Herrschaftsbesitzer zwei fromme Pflichten gegen jene Ruinen üben, die das Geschick
seiner Hut vertraute, nämlich erstens die Hinwegräumung des Schuttes, und dann die Sicherung des
Burgraumes gegen Verletzungen bübischen Muthwillens, durch Umfangen mit leichter Mauer und Sperre.
Gerne möchten wir noch hinzufügen, die Sicherung sämmtlicher Gemächer durch leichte Schindeldächer;
allein wir kennen wohl unsere Antagonisten, — die Finanzräthe dieser Herren.
Die Ruinen Merkenstein’s gehören, wie Scheiger vollkommen richtig bemerkt, zu den schönsten
und grösseren des Landes. Der Hauptbau scheint, nach seinen Fenstern und Thüren zu schliessen, wenigstens
seiner neueren Eintheilung nach, in den beiden letzten Jahrhunderten des Mittelalters umgestaltet worden zu
sein; doch dürfte eine gründliche Ermittlung an Ort und Stelle, eine fleissige Aufnahme des Grundrisses,
der jedoch einen taetfesten Forscher, herkulische Arbeit und bei drei Wochen Zeit erheischen würde,
hierüber genügendes Licht verbreiten können. Wie die Entstehung Merkenstein’s in eine romantische Sage 3)
eingekleidet wird, so wurde die Burg, wie man in neueren Werken 4) aufgezeichnet findet, durch einen
tragikomischen Anlass im J. 1683 zur Ruine. Dem ersten Einfalle der Türken (1529) hatte kräftig wider-
standen. Als letztere zum zweiten Male die Veste belagerten, wehrten sich die Burgmannen hartneckig. Schon
begannen die Türken, entmuthigt durch die langwierige fruchtlose Belagerung, den Abzug, schon jubelte die
bedrängte Besatzung ihrer Befreiung entgegen, als ein Weib durch ein Fenster dem abziehenden Feinde
ein gar sonderbares Gesicht wies 5). Da ergrimmten die Türken, und wandten sich noch einmal. Diese
Schmach durch Geschöpfe, die Mahomet nicht einmal des Paradieses werth hielt, stählte ihre Kraft. Mächtige
Feuerbrände flogen ins Schloss, und statt abermals von der Thalschlucht anzurennen, liefen sie nun von der
Nordseite Sturm 6), welchem die Veste erlag.

1) Wie oben S. 141, n. 35 bemerkt, wurden 1844 einige Gemächer des Hochschlosses bewohnbar gemacht. Die Rückseite der Burg
schürzte ein natürlicher Felsengraben. F.
2) S. (Coeckelberghe’s) Ruinen, 1, 120.
3) Ebenda, I, 123—134.
4) Köpp a. a. 0. ist der erste, der diese, bisher freilich durch keine gleichzeitige Aufzeichnung verbürgte Geschichte
erzählt. F.
5) Eine kecke Zofe . . . bewillkommte mit verkehrter Fronte den Hauptmann des Halbmondes in einer nur zu sehr
an den Vollmond erinnernden Stellung , sagt Hormayr witzig a. a. 0. Cs. oben S. 141, n. 31). F.
6) Wer sich an Ort und Stelle von der Schwäche des Burgstalls an dieser Seile überzeugt, muss sich wundern, dass die
Türken nicht gleich anfangs diesen Angriffspunct ersahen. Dagegen lässt sich gleichwohl einwenden, dass nun freilich nicht
mehr jene künstliche Stärkung durch Verhagung, Täber, Schreckzäune, "Wassergraben, Igelswehr u. dergl. errathen
werden kann, die wahrscheinlich damals angewendet war.
 
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