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Berichte des Alterthums-Vereines zu Wien — 1.1854

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Archeologische Beschreibung einiger Ritterburgen und Schlossruinen im Kreise unter dem Wienerwald
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https://doi.org/10.11588/diglit.70122#0232

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F. 0. von Leber, Burgenbeschreibungen.

Raxalpc wie im Zauberlichte vor dem trunkenen Blicke, der sich an den Reizen des Ganzen nicht zu sättigen
vermag.
Hart an den Ruinen stürzen sich ungeheure Felsenmassen fast senkrecht ins Thal. Der Gedanke, dass
hier eine Zahl der besiegten Ungläubigen über die Felsen gestürzt wurde, ist an Ort und Stelle wirklich
schauererregend. Wer sollte vermuthen, an dieser Felswand, die nur geübte Bergsteiger zu erklettern
fähig sind,
Auf Klippen, wo den Pfad die Furcht verschlingt, (Lenau.)
eine menschliche Wohnung zu finden? — Eine fromme Büsserin hat hier, den alten Anachoreten ähnlich,
in einer, menschlichen Sohlen kaum zugänglichen , allen Stürmen des Winters preisgegebenen Einöde ihren
Aufenthalt gewählt. Ich konnte mir nicht versagen, sie aufzusuchen. Über schroffe Bergrisse, gestürzte
Baumstämme, auf abgefallenen Nadeln gleitend, erreichte ich mit zerkratzten Händen das enge Pförtlein
der Höhle , die sie bewohnt. Ein versperrter Opferstock liess mir über den Ort des Suchens keinen Zweifel.
Als mir auf mehrmaliges Rufen keine Antwort ward, bahnte ich mir selber den Weg. Eine winzige Felsen-
höhle both kaum etlichen Schritten Raum. Ein ärmliches Bett auf nacktem Fels, eine Kleidertruhe, ein
Wasserkrug bildeten den ganzen Hausrath. Vor dem mit Goldflitter aufgeputzten Altärchen verbreitete ein
Flämmchen rothen Schein. Auf dem Altar lag der aus Draht geflochtene stachlichte Bussgürtel u. s. w. Die
Anachoretin lag in lethargischem Schlummer auf dem harten Schmerzenslager. Erst nach langem Rütteln und
Rufen ermunterte sie sich mit dem Geständnisse, dass sie bedeutend krank sei. In der That lag sie in einem
fieberhaften Zustande. von aller menschlichen Hilfe verlassen. Meine dringenden Vorstellungen, diese Einöde,
diese feuchte Kerkerluft zu verlassen und wieder unter Menschen zu gehen, nicht den Winterstürmen in
dieser Felsenhöhle ohne Ofen zu trotzen und des Himmels Langmuth durch Starrsinn zu versuchen, schienen
Eindruck zu machen. Krampfhaft meine Hand fassend antwortete sie anfangs nur durch einen Thränenstrom,
bis sie endlich gestand, dass sie die Treulosigkeit und Verfolgung der Menschen bestimmt habe, ihren frü-
heren Aufenthalt (das nahe Pütten) zu fliehen, und dass sie erst nach langen, oft abenteuerlichen Quer-
zügen durch Tirol, die Schweiz, selbst nach dem päpstlichen Hofe, sich entschlossen habe, hier zu bleiben.
Aus der Erzählung entnahm ich, dass sie wohl viel gelitten, dass aber Gefühlsüberspannung, Mangel an
Menschenkenntniss und Klugheit an der Vergriffenheit ihrer Lage den nächsten Antheil hatten, und eine in
Tirol von gewisser Richtung ausgegangene Einflussnahme die ohnehin extatische Person in dieses selbst-
gewählte Martyrthum versetzte. Ich schied endlich von ihr mit der bedauerlichen Überzeugung, dass sie,
wiesehr sie auch anfänglich meinen Vorstellungen vertrauensvolle Zustimmung zu geben schien, doch weder
durch Worte noch weniger durch Strenge von diesem Orte vertrieben werden könne, so lange nicht der
Gedanke, diese hilflose Einöde zu verlassen, schmerzlichen Entbehrungen abgerungen, aus ihrer eigenen
Überzeugung zum Entschlüsse und zur That wird r).

1) Diese Einsiedlerin, Katharina Berger, 1800 zu Pütten geboren, lebt seit 10. August 1834 noch bis jetzt in dieser Höhle,
die erst im Spälherbste 1853 durch die Mildlhätigkeit der Fürstin Liechtenstein mit einem hölzernen, hüttenartigen Vor-
sprunge, gleichsam einem Vorzimmer der Höhle, versehen, und mit einem Ofen und anderem Hausgeräthe ausgestattet
wurde. Nicht die eindringlichsten Vorstellungen, nicht die bittersten Entbehrungen und Mühesalen zur strengsten Winter-
zeit konnten sie bestimmen, diese Einsamkeit zu verlassen. Auf ihrem Bussgange nach Tirol war sie im schönen Innthal
auch nach dem vielbesuchten Wallfahrtsorte Absam gekommen, wo sie einem Beichtvater ihren Entschluss in’s Kloster
zu gehen, eröffnete. Der ehrliche Priester mochte richtigen Blickes in ihrem sehr untergeordneten Bildungsgrade und
ihrer Verstandesschwäche den gänzlichen Mangel der Eignung für ein werkthäliges Klosterleben erkannt haben, als er
ihr bemerkte, sie sei nicht für’s Kloster geboren, sondern bestimmt, die Bürde Christi mit Geduld %u tragen. Diese
gut gemeinte Mahnung wurde aber von der überspannten Person allmälig dahin ausgelegt, sie sei bestimmt, freiwillig
ein, vom Getriebe der Weh abgeschlossenes Leben zu führen. Ihre Erzählungen von einem Fleischhauer mit Hunden,
dem sie zu St. Andrä in Kärnten begegnete, der aber nach dreimaligem Rufen verschwunden war, — dann wie sie
 
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