Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Berichte des Alterthums-Vereines zu Wien — 1.1854

DOI issue:
Archeologische Beschreibung einiger Ritterburgen und Schlossruinen im Kreise unter dem Wienerwald
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.70122#0233

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
J. Feil über Sebenstein.

183

ANDEUTUNGEN ÜBER SEBENSTEIN IM JAHRE 1855.
VON
JOSEPH FEIL.
I. Das Schloss.
Wir haben die vorstehende Schilderung Leber’s. nach dessen Aufzeichnungen auf seinem letzten
Besuche der Veste im October 1842, als treues Bild des Zustandes der letzteren zu jener Zeit unverän-
dert wiedergegeben. in der schon oben £S. 38) ausgesprochenen Überzeugung, dass es, weil belehrend,
auch wünschenswerth sei, genauere Beschreibungen ein und derselben Burg und ihrer inneren Einrichtung
aus verschiedenen Zeitabschnitten zu besitzen, um auf solchem Wege ein Bild ihrer wechseln-
den Schicksale unter verschiedenen Besitzern und Zeiteindüssen zu gewinnen.
Fassen wir zunächst nur die in diesen Blättern mitgetheilten Burgenschilderungen Leber’s ins Auge,
deren unbefangener Richtigkeit in der Darstellung, ebenso nach den zweifellosen Kenntnissen und dem Fleisse.
als nach der Unabhängigkeit der Stellung ihres Verfassers völlig vertraut werden darf, so gibt sich im Verglei-
che derselben mit dem gegenwärtigen Zustande derselben Schlösser fasst durchwegs eine sehr erfreuliche Än-
derung kund. Schloss Pütten ist nun nicht mehr ein unerquicklicher Schafstall, wie es Leber noch schil-
derte, sondern ein freundliches Sommerschlösschen, indem allenthalben strahlende Nettigkeit herrscht, und
für Sebenstein’s innere Ausstattung ist durch den jetzt regierenden Fürsten Liechtenstein bereits so viel
und so erfreuliches geschehen, dass, sobald die Restauration der Gemächer und die Aufstellung der, gegen-
wärtig zum Theile noch in Unordnung befindlichen Ölgemälde zum Abschlüsse gebracht sein wird, die Aus-
stattung dieses Schlosses, jene vielgerühmte zu Steig er’s Zeiten ohne Frage weit überbieten wird, wenn-
gleich die Veste gewiss nie mehr jene trauliche Lebendigkeit athmen wird, die eben nur unter den dama-
ligen Zeitverhältnissen möglich war. Freilich kann der Wunsch nicht verholen werden, es möge bei der Her-
stellung, insbesondere bei der Einrichtung der Gemächer, der Zeitgemässheit und möglichsten Gleich-
zeitigkeit aller Theile entschiedener Rechnung getragen werden: doch wollen wir bei so erfreulichen Zei-

zu Villach sah, dass vor einem durch’s Wasser gehenden allen Manne sich die Finthen theilten und hinter ihm wieder
schlossen, so dass er trockenen Fusses das Wellenbelt überschreiten konnte, worauf auch er verschwand, — kurz alle
ihre Erzählungen beweisen ihren Zustand. Als sie endlich auf ihrer Rückreise, wo sie zu Spital am Semmering erkrankt
dem Tode nahe war, sich dennoch aufraffte, um nach Pütten zurückzukehren, war sie endlich erschöpft auf dem Türken-
sturze angelangt. Es bleibt hierbei in Frage, warum in solchem Zustande unnöthig einen so beschwerlichen Berg ersteigen,
wo der Thalweg eben fortführt? — Als sie über die Wahl des Pfades eben unschlüssig dastand, erschien ihr, wie sie
mir und einigen in Gesellschaft befindlichen Freunden erzählte, ein kleines Knäblein, kaum ein Viertel Jahr alt, das
ihr auf die Frage, ob es den rechten Pfad wisse, in der Richtung zur Felsenhöhle abwärts deutele, und darauf,
gleich so vielen ihr erschienenen Persönlichkeiten, verschwand. Es müsse ein Engelein gewesen sein, meinte sie, denn
ein Weltmensch könne nicht verschwinden. Da fand sie zwei Felsenhöhlen, von denen ihr endlich jene am besten
zu passen schien, die sie seitdem ununterbrochen zu allen Jahreszeiten bewohnt. Eines erwies sich aber auch an ihr,
dass nämlich stets, eben wenn die Noth am höchsten, auch die Hilfe am nächsten war; wie sie durch die Aufzählung
mehrerer Thalsachen, in deren nüchternen Bestand wohl kein Zweifel zu setzen sein dürfte, überzeugend darlegte. So
lebt sie denn in dieser Einsamkeit von aller Welt abgeschlossen, nur selten mit Menschen zusammentreffend. Die Gut-
müthigkeit der Bewohner der Umgegend, denen sie wohl bekannt ist, bescheert sie zeitweise mit kleinen Gaben, und
an diesen Zustand gewohnt, könnte sie nur übel angebrachte Härte dieser, bereits durch länger als 20 Jahre angewohn-
ten Lebensweise entreissen. Und so möge sie in dieser unbeneideten Stelle in Frieden belassen werden, bis sie vielleicht
dennoch ein gereifter freithätiger Entschluss oder der Tod der selbstgewählten Abgeschiedenheit entrückt. Sie ist nun
eine starke Fünfzigerin; ihre Persönlichkeit aber, die einer gewöhnlichen Bäuerin jener Gegend, bietet bei dem sehr
geringen Grade ihrer Bildung durchaus nichts anziehendes , und ist, die krankhafte Überspanntheit zugerechnet, selbst
des leisesten romantischen Anfluges baar. Gar klüglich aber lässt sie Fremden, die mit ihr allenfalls beim Besuche dieser
Höhle Zusammentreffen, merken, dass sie nie bettle, wohl aber ein ihr dargereichtes Almosen dankbar annehme. Also
nur geänderte Form derselben Sache. F-

24
 
Annotationen