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Die Bewegung: Zeitung d. dt. Studenten — 10.1942

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Nr. 11 (30. Mai 1942)
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12 Millionen Arbeitsstunden

Studentischer Ansgleichsdienst

im Kriege

Von Rudolf Ehlert

'Anläßlich der- 'Arbeitsbesprechung der
Beauftragten des Studentischen Ausgleichs-
dienstes aus dem ganzen Reich in Berlin
veröffentlichen wir hier einen Rückblick auf
die bisherige Entwicklung des Studen-
tischen Ausgleichsdienstes.

Die deutschen Studenten haben sich zu allen
Zeiten an hervorragender Stelle im Lebens-
kampf des deutschen Volkes eingesetzt. Zu
einer Zeit, da es dem Deutschen Reiche nicht
gestattet war, ein Volksheer, in dem jeder
Deutsche dienen durfte, zu besitzen, haben
sich die deutschen Studenten als erste für den
Gedanken des Freiwilligen Arbeitsdienstes
eingesetzt. Es war daher ein Bekennt-
nis und damit nur die Festlegung
einer bereits bestehenden Tat-
sache, wenn die deutsche Studen-
tenschaft als erste Organisation
den 'Freiwilligen Arbeitsdienst
zum Pflichtdienst für alle Studen-
ten erhoben hat.

Heute können nun alle gesunden Studenten
ihre Dienstpflicht bei der Wehrmacht erfüllen.
Sie stehen, mit dem studentischen Führerkorps
an der Spitze, seit Kriegsbeginn unter den
Waffen. Bereits eine größere Anzahl von ihnen
wurde vom Führer mit dem Ritterkreuz des
Eisernen Kreuzes ausgezeichnet.

Es gibt aber einen gewissen Prozentsatz von
Studenten, die ihre Pflicht dem Vaterland gegen-

Auch Bettenbau will gelernt sein, denn das
Auge des Lagerführers ist äußerst kritisch

über aus gesundheitlichen Gründen nicht er
füllen können. So schwer eine Erkrankung
einen Menschen erschüttern kann, um sc
schwerer muß es für ihn sein, nun auch nocl1
aus diesem Dienst für die Gemeinschaft, zv
dem jeder andere Kamerad kommt, ausge-
schlossen zu sein. Es ist daher kein Wunder,
daß diese Dinge dem einzelnen seine Lebens-
freude nehmen und ihn zum Einzelgänger
machen können. Aus diesem Gedanken her-
aus wurde vor nunmehr bald 10 Jahren der
erste Versuch mit
einem Ausgleich für
diese Menschen ge-
schaffen. Zur damali-
gen Zeit bestand für
die Studenten nur der
Freiwillige Arbeits-
dienst. Diese neue Ein-
richtung sollte nun
der Ersatz für den
Arbeitsdienst sein und
wurde daher „S t u -
d e n tischer Aus-
gleichsdienst"
genannt. Die Dienst-
zeit beträgt daher wie
beim Reichsarbeits-
dienst sechs Monate.
Die Männer werden
wenigstens vier Wo-
chen gemeinschaftlich
untergebracht und ge-
meinschaftlich erzo-
gen. In erster Linie
steht jedoch der Ge-
danke, daß sich durch
den Ausgleichsdienst
die gesundheitliche
Lage des Dienstpflich-
tigen nicht verschlech-
tern darf.

Seit dem Jahre 1937
werden die Ausgleichs-
dienstpflichtigen im
Rahmen des Luft-
schutzes einge-
setzt. Hier werden sie
vier Wochen einge-
hend ausgebildet und
sind diese Zeit zu-
sammen mit ihren Ka-
meraden unterge-
bracht. Die weiteren

Seite 8 / Die Bewegung / Folge 11

fünf Monate gestalten sich so, daß die Män-
ner in den einzelnen Dienststellen zum Einsatz
kommen zu Ausbildungszwecken, sei es nun
einzeln oder als ganzer Lehrtrupp. Die Lei-
stungen der Ausgleichsdienststudenten sind
recht beachtlich. Gerade jetzt im Kriege
ergänzen sie zweckentsprechend
das entweder einberufene oder
stark belastete Personal der Luft-
schutzausbilder.

Dennoch taucht immer wieder die Frage auf:
Ausgleich — wofür? Das sagt ja schon
der Grunderlaß: Für den nicht abgeleisteten
Reichsarbeitsdienst, der bei allen anderen Abi-
turienten Vorbedingung für die Aufnahme des
Studiums ist. Aber nicht nur der Reichsarbeits-
dienst, sondern auch der Wehrdienst ist vor Be-
ginn des Studiums bzw. vor endgültiger Be-
rufsaufnahme abzuleisten. Die Angehörigen der
Ersatzreserve' II hätten somit einen ganz be-
sonders großen Vorteil vor ihren Alterskame-
raden, da sie zweieinhalb Jahre früher zum
Abschluß ihrer akademischen Ausbildung kom-
men würden. Durch den Krieg stehen nun
einige Abiturientenjahrgänge schon vier bis
fünf Jahre unter den Waffen. Im Vergleich
dazu ist ein sechsmonatiger Dienst und später
während des Studiums ein Einsatz von zwei-
mal zwei Stunden in der Woche nicht zuviel
verlangt.

Der Einsatz für die Gemeinschaft

Aber nicht nur hierfür ist ein Ausgleich not-
wendig, sondern auch für die Gemeinschafts-
erziehung. Was heißt Gemeinschaft, wenn man
durch die HJ., die SA. oder eine andere
Gliederung gegangen ist? Bedeutet das nicht
genug Einsatz? Jeder Taugliche kommt den-
noch zum Dienst im RAD. und bei der Wehr-
macht. Er wird erzogen, für eine gewisse Zeit
seines Lebens sein gesamtes Ich für sein Volk,
für dessen Bestand und Wohlergehen einzu-
setzen und in der Gesamtheit aufzugehen.

Dies kann nur die Wehrmacht und der
Reichsarbeitsdienst. ^

Aber auch diejenigen Studenten, die vorerst
nicht mit der Waffe in der Hand für ihr Vater-
land eintreten können, müssen wenigstens
einen kleinen Einblick in diese Dinge erhalten
und sich der Verantwortung bewußt werden,
die sie als zukünftige Führer und Vorbilder
auf geistigem, technischem und wissenschaft-
lichem Gebiete zu tragen haben. Für die Glie-
derung ist man nur zu gewissen Tageszeiten da.
Hier heißt es aber einmal, sich nach seinen
Kräften als ganzer Kerl einsetzen. So wird
verhindert, daß in den Beruf junge Menschen
treten können, die sich gerade in der heutigen
Zeit als etwas Besonderes, als Einzelwesen
vorkommen, so nur dem Volksganzen schaden
— ganz gleich in welchem Berufe — und das
Ansehen des deutschen Akademikers, des deut-
schen Studenten- und Altherrentums schlecht-
hin, im Volke herabsetzen können.

Im Frieden hatte der Studentische Aus-
gleichsdienst demnach seine volle Berechti-
gung. Im Kriege ist dies nicht anders geworden.
Die einzige Schwierigkeit ergibt sich dadurch,
daß einige Männer wohl ausgleichsdienstpflich-
tig sind, aber bereits— meistens auf Grund ihrer
Praktikantenzeit — in kriegswichtigen Betrie-
ben bei allerdringlichsten Aufgaben beschäftigt
sind oder sich auch sonst auf scheinbar unent-
behrlichem Platze befinden. Sollte man diesen
Einsatz als Ausgleichsdienst anrechnen? Davon
abgesehen, daß der Studentische Ausgleichs-
dienst nur an der gesetzlich bestimmten Ein-
satzstelle abgeleistet werden soll und die Ar-
beit in einem R.-Betrieb oder einer Behörde

jetzt aber besonder!
wichtig ist, ist bei
einer Genehmigung
eines solchen Antra-
ges der Einsatz und
die Erziehung in der
Gemeinschaft und Ka-
meradschaft und das
völlige Aufgehen der
persönlichen Interes-
sen des kleinen Ich
in der großen Sache
nicht gewährleistet.
Hierfür bürgt aber die
politische und« kultu-
relle Betreuung durch
die Beauftragten des
Studentischen Aus-
gleichsdienstes im
Reich und die Erzie-
hung durcij die Ge-
meinschaft. Wie wich-
tig und entscheidend
die Arbeit des Stu-
dentischen Ausgleichs-
dienstes ist, zeigen die
folgenden Zahlen. So
müssen wir also bei
der bisher geübten
Einsatzlenkung ver-
bleiben.

Jetzt ist ein großer
Abschnitt im Rahmen
der Arbeit des Stu-
dentischen Ausgleichs-
dienstes erreicht. ?eit
dem Jahre 1937 wur-
den bisher über 5500

Ausgleichsdienst-
pflichtige beim Reichs-
luftschutzbund und in
der Landesverteidi-
gung eingesetzt. Diese
Männer haben 12 Mil-
lionen Arbeitsstunden für die Verteidigung
ihrer Heimat gearbeitet. Hiervon sind aHein
9 Millionen Stunden während des Krieges
geschafft worden. Wir können rückblickend
auf unsere Arbeit heute stolz sein, daß
diese Männer, obwohl sie körperlich nicht
voll einsatzfähig sind, nach ihren Kräften
ihren Mann gestanden haben. So haben auch
an dieser Stelle im Rahmen der Luftverteidi-
gung der Heimat deutsche Studenten freudig
mitgeholfen. Dies hat sich bei den Luftangrif-
fen c-uf das Reich erwiesen. Zuletzt hat sich .
bei dem Angriff auf Rostock ein bereits wegen
seines Einsatzes im Westen des Reiches aus-
gezeichneter früherer Ausgleichsdienststudent
hervorragend betätigt.

In gleicher Form wie die Studenten werden
die ärbeitsdienstuntauglichen Abi-
turient innen und Studentinnen zu
einem sechsmonatigen Studentischen
Ausgleichsdienst herangezogen. Ihr
Einsatz erfolgt im Rahmen der sozialen Maß-
nahmen der NSV.

Das Ergebnis des Lehrgangs Berlin

Im letzten Winter wurde in Ber-
lin erstmalig ein unter alleiniger
mannschaftsmäßiger Führung der
R e i c h s Studentenführung stehen-
der Lehrgang des Studentischen
Ausgleichsdienstes durchgeführt.
Als wir darangingen, die Männer für eiri
halbes Jahr zu kasernieren, bestanden allein
vom gesundheitlichen Standpunkt aus auf die-

Beim Ausmarsch zur Luftschutz-Elnsatzstelle. Auch hier gilt militärische Ordnung j Aufn.: Gerhard Kießling

Der Lehrgang ist zum Appell angetreten

sem Gebiet keinerlei Erfahrungen. Es war 'da-
her für manchen Zweifler unklar, ob die
Männer einen solchen Gemeinschaftseinsatz
überhaupt gesund durchhalten würden. Nach
Abschluß dieses Versuchslehrganges kann fest-
gestellt werden, daß die Ausgleichsdienst-
studenten für einen derartigen Ein-
satz durchaus brauchbar sind. Es ist
natürlich klar, daß im Sinne der Grundidee
des Studentischen Ausgleichsdienstes, nämlich
der Gemeinschaftserziehung, in sechs Mo-
naten einer, gemeinschaftlichen- Unterbrin-
gung wesentlich mehr erreicht werden
kann, als wenn die Männer vom Reichsluft-
schutzbund nur vier Wochen ^ausgebildet
werden. Mit welcher Freude unsere Kame-
raden sich an ihre Arbeit gemacht haben, wie
sie für die nette Ausgestaltung ihres Lagers
gesorgt haben und wie sie bald alle in einer
engen Kameradschaft und verschworenen Ge-
meinschaft beisammen waren, war für uns, die
wir die Durchführung des Lehrganges in Hän-
den hatten, eine besondere Freude.

Es hat sich somit erwiesen, daß eine Neu-
gestaltung des gesamten Studentischen Aus-
gleichsdienstes in dieser Richtung möglich ist.
Es bleibt daher abzuwarten, in welcher Form
sich dieses Versuchslager auf die weitere Ent-
wicklung auswirken wird. Daß, von dem Ge-
meinschaftsleben abgesehen, in einem Lager
ein zielbewußteres Anpacken der Aufgaben
und eine bessere Durchführung des Einsatzes
in der Landesverteidigung möglich ist, steht
nach den Ergebnissen dieses Lehrganges fest.
Durch den Studentischen Aus-
gleichsdienst
wird den Männern
die Möglichkeit gege-
ben, sich nach Ablei-
stung ihrer sechsmo-
natigen Dienstzeit mit
dem Bewußtsein wie-
der ins Studium zu-
rückzubegeben, daß
sie gerade in die-
se r Ze i t des Kr i e-
ges an wichtiger
und entschei-
dender Stelle

entsprechend
ihrer körper-
lichen Fähig-
keit ihre Pflicht
getan haben. Daß
dies zur Stärkung des
Selbstbewußtseins, das
durch die Erkrankung
des einzelnen bestimmt
gelitten hat und zur
charakterlichen Eil-
dung des zukünftigen
Akademikers beiträgt,
kann nicht geleugnet
werden.

Wesentlich für die
Gesamtheit ist in die-
sem Ausgleichsdienst
jedoch, daß in dem
einzelnen Menschen
der Wille zur Gemein-
schaft entsteht, der
sich im persönlichen
Einsatz für die Ka-
meradschaft auswirkt.
So tritt auch dieser
Student persönlich ge-
festigt in die Ausbil-
dung für seinen spä-
teren Beruf.
 
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