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Die Bewegung: Zeitung d. dt. Studenten — 12.1944

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Nr. 1 (Ende Januar 1944)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6620#0004
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Die klassische deutsche Universitätsstadt ist
Heidelberg. Nicht von ungefähr: Diese lieblich
in die Natur eingebettete Stadt erscheint als
die Verkörperung der überschäumenden Le-
benslust einer deutschen akademischen Jugend.
Wir fühlen uns auch heute noch mit Heidel-
berg sowie mit unserer ganzen studentischen
Geschichte verwachsen. Dabei kann uns auch
nicht eine kitschige Romantik stören, die der
Film einmal um diese Universitätsstadt auf-
gebaut hat. Heidelberg ist uns immer
der Ausdruck echten studenti-
schen Lebens, das sich im leben-
digen Rhythmus zwischen Arbeit
und Freude abspielt.

Berlin, dem durch die „Großstadtmelodie"
ein Denkmal im Film gesetzt worden ist,
scheint als Universitätsstadt in beiderlei Hin-
sicht wenig bieten zu können. Dem einge-
fleischten Provinzler und vielen Durchreisen-
den ist Berlin die Stadt der verkörperten Un-
natur und Unruhe. Sie sehen in Berlin einen
riesigen Betriebsmechanismus, der die Men-
schen verschleißt und sie als „Asphaltpflan-
zen" fern von der Lebensquelle der Natur see-
lisch verkümmern läßt. Es steht außer Zweifel,
daß es viele Menschen in Berlin gibt, die die-
sen Gefahren erlegen sind. Diese Leute, die es
zu einem gewissen Prozentsatz in jeder Groß-
stadt gibt, sind aber nicht „die Berliner". Das
Phänomen „Berlin" läßt sich in seinen Ge-
fahren und großen Vorzügen aus dem einen
seiner vielen Lebenskreise her beurteilen, der
der unsrige ist. Die große Berliner Studenten-
schaft erscheint vielleicht gegenüber der klei-
neren in einer Universitätsstadt wie Heidelberg
oder Rostock oder Würzburg als geradezu be-
dauernswert: keine Ruhe der Arbeit und keinen
Neckarfluß oder Ostseestrand und kein Ge-
birge. Der Außenstehende sieht den Berliner
Studenten untergehen in dem riesigen Getriebe
einer zeitraubenden Weltstadtmechanerie, ohne
daß er je zu einer gesammelten Arbeit oder zu
einem erholenden Ausspannen in der Natur
kommt.

Die Forderung nach Leistung

Dieses kann so sein. Es ist aber ebenso-
wenig die Re.gel, wie die Verspießerung einer
kleinstädtischen Studentenschaft Notwendigkeit
ist. Jede Gefahr einer Lebenslage bedeutet im
positiven Sinne die Aufgabe ihrer Meisterung.

Dabei bietet sich dem Berliner Studenten ein
Reichtum an Arbeitsquellen, über den keine
andere deutsche Universitätsstadt verfügt. Um
diese großen Möglichkeiten zu nutzen, bedarf
es nur einer restlosen Hingabe an die Sache.
Berlin, wo es arbeitet und schafft, ist die sach-
lichste Stadt Deutschlands, und alle in ihr
Tätigen umschließt ein unsichtbares_Band, des-
• ' ■ w *fh__.

____y in dieser Berliner Luft läßt es sich

für Studenten gut leben. Sie sind ständig von
der, Forderung umgeben, unter die sie ihr
Leben gestellt haben: von der Forderung nach
Leistung.

Die nüchterne Zweckmäßigkeit und der rie-
sige Apparat, in dem die Hochfrequenz der
Berliner Arbeit gelenkt und organisiert ist,
stößt die Fremden ab — der Einheimische weiß
6ie für seine Zwecke zu meistern. Vor diese
Aufgabe sieht sich auch in seinem Arbeits-
bereich der Berliner Student gestellt: er muß
sich erst einmal in den Bibliotheken und Se-
minaren zurechtfinden, er "muß die Entfernun-
gen zwischen den oft weit auseinanderliegen-
den Instituten bewältigen; er muß lernen,
die vielen einzigartigen Anregun-
gen, dieihmBerlin bietet, fürseine
Arbeit zu nutzen, ohne sich zu zer-
splittern: Berlin verlangt viel
Disziplin, wenn man sich nicht in
ihm verlieren will. Aber wenn die
Metropole so den Menschen ganz
einspannt in ihren Arbeitsrhyth-
mus, d an n hat sie auch in manchen
Stunden Augenblicke der Besin-
nung und Begeisterung zu ver-
schenken wie keine andere Stadt.
Berlin ist die Stätte der großen Theater- und
Kohzerterlebnisse, der Sportleidenschaft und
der überschäumenden Lebensfreude. An jedem
solcher Feste der Erbauung und Entspannung
hat der Berliner Student seinen Anteil. Und
endlich — bei aller Betriebsamkeit, bei Ar-
beit und Freude, bei der Sorge des schweren
Alltags und der ausgelassenen Lebenslust —
mündet auch diese endlos scheinende Welt
der Häuser und Straßen, der Technik und
der unaufhörlichen Betriebsamkeit in die Na-
tur. Sie muß nur, wie eigentlich alles an und
in Berlin, erst entdeckt werden. Die Berliner
Natur ist nicht großartig. Es gibt kein Meer
und kein Gebirge und keinen Strom. Aber
Berlin ist eingebettet in Wälder und Seen,
und die Schönheit dieser Natur hat in Theo-
dor Fontane auch ihren Dichter gefunden.

In Berlin zu leben, ist nicht ganz leicht. Aber
wer in ihm einmal festen Fuß gefaßt hat. den
läßt es nicht so bald mehr los. Studenten, die
diese Bezeichnung zu Unrecht tragen und ein
bequemes Leben führen wollen — die sich
semesterlang im Vergnügungsbetrieb dieser
Weltstadt verlieren und dann in eine andere
kleine Universitätsstadt übersiedeln, um dort
ein leichteres Examen zu machen, haben auch
vor der Forderung Berlins nicht bestanden.
Solche Studenten dagegen, die hier ein Stu-
dium zu Ende führen, können stolz auf ihr
Berliner Examen sein. Dieses hat Gewicht und
trägt das untrügliche Zeichen der Leistung.

Ein Examen in übertragenem Sinne ist auch
die Grundidee für das Unternehmen Wolfgang
Liebeneiners, in dem Film „Groß-
stadt m e 1 o d i e" etwas vom Wesen der
Stadt Berlin einzufangen. Ein Mensch kommt

in die große Stadt und muß sich behaupten:
das ist der Ansatzpunkt für die Handlung, und
er erscheint als der einzig mögliche, dieses
Thema, das Thema „Berlin", ernsthaft zu be-
handeln.

Nach der trefflichen Formulierung: „Es gibt
geborene und gelernte Berliner; die geborenen
stehen unter Denkmalsschutz", werden wir
Zeuge, wie ein junges Mädchen, Photographin
von Beruf, in die Berliner Schule geht. Sie be-
kommt die Härte dieser großen Stadt zu spü-
ren, aber sie erfährt auch ihre liebenswerten
Eigenschaften. Der Ton ist rauh, aber herzlich.

Der Humor, die Aufrichtigkeit, die Hilfsbereit-
schaft, die Anerkennung der echten Leistung,
diese guten Züge am Berliner Gesicht sind ganz
ausgezeichnet getroffen und charakterisiert.

Der ne«? Uebenehier-Film hat seine Bsdeu-
Turig darin, daß er ein modernes Thema ernst-
haft und doch menschlich packend zu gestalten
versucht. Dieses Unternehmen erscheint' uns
deshalb so bemerkenswert, weil wir glauben,
daß damit d i e Aufgabe des deutschen Films
bezeichnet ist.

In dieser Linie stand auch bei aller Problema-
tik des Themas „Ich klage an". Der große
monumentale Film ist heute zumeist historisie-
rend; uns fehlen noch immer die Filme, die

Bericht einer

Im Winter 1804 war ein 18jähriger Student
aus Jena nach Weimar gekommen, nur von
dem einen Wunsche beseelt, auf Grund von
Empfehlungsbriefen Goethe kennenzulernen.
Vier Tage hatte er vergeblich gewartet, bis es
ihm glückte, sich bei einer Theaterprobe ein-
fach Goethe zu nahen. Der große Dichter hatte
sich schon eine Weile mit dem Studenten,
der sich einfach in ein Gespräch über Schau-
spieler eingemischt hatte, unterhalten, als
Goethe ihn fragte: „Aber mit wem spreche
ich, wer sind Sie?" Nun griff der also An-
geredete nach seinen Empfehlungsbriefen,
nannte seinen Namen und fügte hinzu: „Ihnen
diese Briefe zu überreichen, suchte ich in den
Tagen hiesigen Aufenthaltes vergeblich Ge-
legenheit, die Gunst des Augenblicks verlieh
sie mir, und frevelhaft habe ich sie ergriffen."
— „Wer sind Sie, doch nicht der G u b i t z ,
der sich in der Holzschneidekunst auszeich-
nete?" fiel Goethe fragend ein, wie selber be-
troffen — „Ob auch von Ihrer gütigen Mei-
nung beschämt, habe ich freilich zu antwor-
ten: Der bin ich."

„Ich erwarte Sie in meiner Wohnung -"

Der junge Studiosus Friedrich Wilhelm Gu-
bitz konnte, nunmehr von Goethe aufgefordert,
an einem guten Platz den Theaterproben bei-
wohnen. Nach Schluß kam sofort Goethe zu
ihm und faßte sein Erstaunen, den jugendlichen
Verfertiger von Holzschnitten, die auf der
Weimarer Kunstausstellung 1802 bereits aus-
gestellt waren, vor sich zu haben, in den
Worten zusammen: „Aber, mein Gott, sind
Sie's denn wirklich? Wie- alt sind Sie?" Auf
die Beantwortung dieser Frage entgegnete
Goethe: „Man möcht's nicht glaubenl Wie
lange bleiben Sie hier?" Gubitz, noch verblüfft
von allem dem Vorgefallenen und erfüllt von
der Größe des Augenblicks, den angebeteten
Dichter nun doch wenigstens gesprochen zu
haben, sagte nur kurz, daß er am kommenden
Morgen wieder nach Jena zurück müsse, um
sein Examen zu beenden. Da fiel ihm Goethe
dringlich ins Wort: „Von der Abreise ist

das deutsche Leben der Gegenwart gestalten.
Zweifellos eine schwere Aufgabe, aber auch die
schönste. Und bei der „Großstadtmelodie" ist
der ernste Wille und schon sehr viel Vermögen
zu spüren. Um das Thema aus einer gewissen
Tiefe heraus behandeln zu können, läßt man
sich Zeit und leistet sich einen langen Anlauf
der Einführung und des Aufbaus der Kontrast-
wirkung: Hier die ländliche Stadt am Inn —
dort die Weltstadt an der Spree. Der Dialog, das
Schmerzenskind des deutschen Films, ist in
der „Großstadtmelodie" überzeugend und na-
türlich — bis auf wenige Stellen. Es bleibt

die Frage, warum es trotz aller dieser her-
vorstechenden Merkmale nicht zu der ent-
sprechenden Gesamtwirkung kommt.

Vielleicht fehlt es an einer letzten Konzen-
tration der Handlung auf ein entscheidendes
Erlebnis. Dieses Erlebnis ist der Handlung
nach der Tag, an dem die Photographin nach
vielen Rückschlägen es endlich geschafft hat:
die Eigenart und Qualität ihrer Arbeit wird
entdeckt und findet ihre Anerkennung. Dieser
Höhepunkt fällt aber nicht mit der Begegnung
des Mannes zusammen. Die Herzensangelegen-
heit, die neben der sachlichen Bewährung ein-
herläuft, gerät im Augenblick des beruflichen
Erfolges auf ein totes Geleis. Damit hat man

einstweilen nicht die Rede; ich erwarte Sie in
meiner Wohnung morgen um zehn."

Wie kam der achtzehnjährige Student Gubitz
zu dieser Einladung Goethes? Wie konnte ein
Mann wie Goethe von dem Schaffen eines
noch so jungen Menschen überhaupt eine
Ahnung haben?

Friedrich Wilhelm Gubitz stammte aus sehr
ärmlichen Verhältnissen. Er war 1786 in Leip-
zig als Sohn eines Schriftsetzers geboren, der
bei Breitkopf arbeitete. Als Buchbinderlehrling
hatte er begonnen und sich in seinen kargen
Musestunden damit beschäftigt, Holzschnitte
zu verfertigen. Schon im Frühjahr 1800 wurden
die ersten Proben seines Könnens auf der Aka-
demischen Kunstausstellung in Berlin gezeigt.
Er erhielt bald seinen ersten Auftrag, „Ernst
Moritz Arndts Reisen" zu illustrieren. Andere
Aufträge folgten. So konnte er mit dem Ertrag
seiner Hände Arbeit zu studieren beginnen, um
seinen Lebenswunsch, Landpfarrer zu werden,
zu erfüllen. Aber neben seinem Studium trieb
er sein Kunsthandwerk weiter. Es kamen auch
auf die Weimarer Kunstausstellung 1802 Holz-
schnitte aus seiner Hand, die Goethe auffielen.
Der Dichter erwähnte sie ausdrücklich in sei-
nem Bericht und übersandte Abdrucke davon
an Zelter. ,

Der Ruhm des jungen Holzschneiders war
schon weit verbreitet, so daß auch Verleger,
wie Cotta und Vieweg, sich um die Mitarbeit
des Siebzehnjährigen bewarben. Und daß ein
Goethe die Holzschnitte von Gubitz rühmte,
zeugte wohl mehr als weitere Worte von dem
Können des jungen Werkstudenten. Dies ver-
schaffte ihm denn auch eine Einladung ins
Haus am Frauenplan.

Gubitz selbst hat später in seinen Erinne-
rungen erzählt, was er alles in jenen tief nach-
wirkenden Stunden mit Goethe gesprochen
hat. Der Dichter erkundigte sich vor allem nach
dem Hause Breitkopf in Leipzig, wo er sich
einst ebenso wie Gubitz mit der Holzschneide-
kunst als Student beschäftigt hatte. Aber wich-
tig für das spätere Leben von Gubitz wurde
doch, daß Goethe ihn von dem „Hang zuni

sich an das Leben gehalten, in dem auch Ar-
beit und Liebe nicht gleichlaufen. Das späte
Zusammenfinden der beiden von ihrer Arbeit
Besessenen ist hier aber ohne die innere Dy-
namik, die nötig ist, um unsere ganze Teil-
nahme zu erhalten*. Hier wirkt sich der Mut '
zur epischen Breite hemmend auf die drama-
tische Konzentration aus. Die filmische Hand-
lung gewinnt ihre Überzeugungskraft aus dem
Anekdotischen und aus vielen einzelnen,
manchmal sogar lyrischen Stellen. So löst sich
z. B. die spannendste Szene, als die Photogra-
phin den großen Wirtschaftsführer, der sich
nie photographieren läßt, auf ihre Platte ban-
nen will, in ein ganz besinnliches Gespräch
auf, das allerdings ein schönes Schlaglicht
auf das Wesen dessen wirft, was man veran-
schaulichen will: Berlin. Wenn man dieses
bedenkt, wird einem klar, wie unglaublich
schwer der Weg des Films zur Kunst ist.

Kunst will Wesentliches sagen;
dieses aber so, daß das Herz mit
Spannung folgt. Spannung zu-er-
zeugen, ist dem Film noch nie
schwer gefallen. Sehr schwer ist
es schon, etwas Wesenhaftes zu
verbildlichen. Das schwerste aber
ist es, die eigentliche Aufgabe je-
der Kunst zu erfüllen: Die sinn-
liche Verkörperung des Geistigen.

Es gibt Hunderte von Filmen, bei denen wir
gespannt von Anfang bis Ende folgen. Wir
lachen, ja, weinen vor Rührung, werden in
unseren Gefühlen hin- und hergerissen, und
danach müssen wir uns etwas beschämt ein-
gestehen: Wir sind von einer Nichtigkeit er-
griffen worden. Was uns fesselte, war eine
geschickte Technik, oft sogar gegen unseren
Willen. Wir sind uns im Grunde darüber
klar gewesen: was uns hier vorgespielt wird,
ist unecht und dumm, und doch haben wir uns
— willig öder unwillig — von dem Schein der
Oberfläche blenden und gefangennehmen las-
sen. Danach aber kommt der Kater und das
Gefühl: zwei vertane Stunden.

Es gibt aber Filme, die, auf dem Wege zur
echten Kunst, eine genau so entgegengesetzte
Wirkung haben. Zu ihm gehört die „Großstadt-
melodie" Wolfgang Liebeneiners. Er ist
e c h t i n s e i n e r A b s i c h t und in sei-
nen Mitteln. Durch ihn geht keine anhal-
tende Spannung hindurch, und er ist von sei-
nem Wesen her sensationslos. Dafür hat er
etwas zu sagen und zu geben: er regt an und
gibt zu denken. Er tut seine Wirkung auch
noch, nachdem er abgelaufen ist. Wir sind
nicht erschlagen von einem gegenwärtigen Ein-
druck — wir nehmen aber ein gutes Gefühl mit
nach Hause. Dieses stärkende Empfinden ist
etwa das: Ja, so ist Berlin, und so ist der Ber-
liner.

Hier sind beide ohne Schönfärberei richtig
verstanden: In einer rauhen Schale ein guter
Kern. Und: Durch diese Stadt geht ein großer
Atem, sie ist modern im besten Sinne und hat
doch auch ihre Romantik und ihre besinnliche
Natur. Dieser Film ist ein schönes Bekenntnis
zu einer guten Sache, zu Berlin und allen ge-
borenen und gelernten Berlinern.

Will Zilius, z. Z. Wehrmacht.

Dorfpastor" kurierte und ihm riet, sich der
Holzschneidekunst als Berufener zu widmen.

Gubitz machte zwar sein theologisches
Examen. Als junger Kandidat hielt er auch in
einem Dörfchen bei Gotha seine Probepredigt.
Doch da kam ihm völlig überraschend im April
1805, knapp ein Jähr nach der Begegnung mit
Goethe, die Berufung an die Kgl. Preußische
Kunstakademie als Professor der Holzschneide-
kunst. Die künstlerische Sendung, die Goethe
Gubitz einst vorausgesagt hatte, konnte er er-
füllen. Er begründete eine Schule, die zu Adolf
Menzel hinführt.

Gubitz gründet eine literarische Vereinigung

Mit Goethe blieb Gubitz in stets enger Be-
ziehung. Er begründete in Berlin eine literari-
sche Vereinigung, die recht eigentlich eine
Schutztruppe für Goethe war, da zu jener Zeit,
um mit den Worten von Gubitz zu sprechen,
„unsere Literatur die unersprießlichen, oft die
Grenzen des Anstandes überschreitenden
Kämpfe gegen Goethe erlebte". Wurde doch
sogar durch eine Kabinettsorder König Fried-
rich Wilhelms III. die Gubitzsche Gesellschaft,
der übrigens auch Chamisso und Eichendorff
angehörten, darüber belehrt, daß des Dichters
Geburtstag nur eine Privatfestlichkeit sei und
nicht wie ein Fest, das nur gekrönten Mon-
archen vorbehalten sei, gefeiert werden könne.

Gubitz verdanken wir aber nicht zuletzt eine
ausgezeichnete Sammlung von Lebensweishei-
ten Goethes, die unter dem Titel „Goethe
in Briefen und Gesprächen" her-
auskam. Sie sind ein Born der Freude und der
Belehrung und dienen dem Genüsse des Gei-
stes und Herzens. Einst schon hatte das Gubitz-
sche Werk eine große Wirkung gehabt. Und
wenn es jetzt der bekannte Goethe-Forscher
Ernst Beutler in Reclams Umiversal-Bibliothek
(Nr. 7519—7521) neu herausgegeben und mit
einer bedeutungsvollen, feinsinnigen Einleitung
über das Leben von Gubitz versehen hat, so
glauben wir, daß auch diese neue, jedem zu-
gängliche Ausgabe viel dazu beitragen kann,
den großen Weltweisen Goethe kennenzu-
lernen.

Der Sinn der Hochschule

Der Zweck der Hochschule kann eben doch kein anderer sein, als vor-
zubereiten zum Dienste für das Vaterland.

Auf ihnen sollen die Lehrer, die Richter, Beamte und Ärzte, leibliche
und geistige, des Volkes denjenigen Grad von wissenschaftlicher und
Lebensbildung erhalten, der sie fähig macht, ihren Ämtern einst wacker
vorzustehen. Aber leider ist bis auf diesen Tag noch gar wenig getan
für die eigentliche Lebensbildung der Jugend. Man hat es immer bloß da-
bei bewenden lassen, die Wissenschaft aus- und fortzubilden, ohne dabei
auf den Zweck des Lebens zu sehen. Dieser entfernte sich deswegen not-
wendig immer mehr davon und fing an, ein abgeschlossenes System zu
bilden, das oft nur noch in gar geringer Beziehung zu diesem stand. Das
ist Jedoch eine arge Selbsttäuschung, denn die Wissenschaft, als solche,
' kann nimmermehr Zweck, sondern bloß Mittel zum Zweck sein. Sie ist an
sich als Gedankending tot und leblos. Sie kann nur in der Vereinigung
mit der Idee eines geliebten Vaterlandes lebenskräftig wirken.

STUDENT JOACHIM LEOPOLD HAUPT
in der Schrift „Landsmannschaften und Burschenschaft, 1820".

denkwürdigen Begegnung

Seite 4 /. Die Bewegung / Ende Januar 1944
 
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